Experten-Stellungnahme

KI im globalen Wettbewerb: Wo steht Europa?

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Gesellschaft
Milliardenschwere Investitionen in den USA, ein überraschend leistungsfähiges KI-Modell aus China: Die Dynamik im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) ist rasant. Wo steht Europa? Ein Verbund aus 200 Expertinnen und Experten gibt eine Einordnung.

Der technologische Wettlauf nimmt deutlich an Tempo zu: Kaum hatte Donald Trump kurz nach Amtsantritt angekündigt, mit der Initiative „Stargate“ 500 Milliarden Dollar für KI-Infrastruktur zu mobilisieren, überraschte das chinesische Start-up „DeepSeek“ mit einem Sprachmodell, dessen Entwicklung weit weniger Ressourcen benötigte als ChatGPT. Die Europäische Union reagierte mit der Initiative „InvestAI“ und kündigte im Februar ein 200 Milliarden Euro schweres Investitionspakt für KI an. Es soll unter anderem sogenannte KI-Gigafabriken für die Entwicklung vertrauenswürdiger KI finanzieren und damit die technologische Souveränität für Europa sichern.

Wie sich die in Deutschland und Europa vorhandenen Potenziale durch KI in Forschung, Entwicklung und Anwendung gezielt nutzen lassen – dazu haben Expertinnen und Experten der Plattform „Lernende Systeme“ jetzt eine Stellungnahme veröffentlicht. Die Forschenden sehen vor allem Chancen in länderübergreifenden Kooperationen, KI-Ökosystemen, Open Source-Modellen und gezielten Investitionen in ressourcenschonende und sichere KI-Technologien.

Konkret geben die Expertinnen und Experten folgende Handlungsempfehlungen:

  • Kritische Urteilskraft bewahren: „Menschliche Expertise und die Fähigkeit zur kritischen Beurteilung und Korrektur von generierten Inhalten ist unverzichtbar. Wir müssen darauf achten, dass generative KI und menschliche Expertise sinnvoll in einem Co-Creations-Prozess zusammenspielen, um die Zuverlässigkeit und Qualität von generierten Inhalten sicherzustellen“, sagt Prof. Dr. Ute Schmid vom Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation der Universität Bamberg.

  • Netzwerk der KI-Zentren stärken: „Wenn Europa jetzt die Dringlichkeit versteht, das Netzwerk der KI-Zentren in Europa erheblich zu verbessern und zu erweitern, und in Human- und Computerressourcen investiert – dann könnte der vermutlich von den meisten KI-Forscherinnnen und -Forschern lang gehegte Traum wahr werden und Europa sich gut zwischen den USA und China platzieren", sagt Prof. Dr. Katharina Morik von der TU Dortmund.

  • Vernunft statt Gigantomanie: „Der KI-Wettbewerb ist noch nicht entschieden. Es liegt an Deutschland und Europa, eine Strategie zu verfolgen, die nicht nur auf kurzfristige Effekte durch Skalierungen setzt, sondern auf nachhaltige, durchdachte und langfristig tragfähige KI-Technologien“, sagt Prof. Dr. Kristian Kersting von der TU Darmstadt.

  • Fokus auf Ethik und Nachhaltigkeit: „Wir sollten eine führende Rolle in der Entwicklung und Anwendung von mensch-zentrierter und nachhaltiger KI einnehmen. Durch die Kombination von exzellenter Forschung, einer starken Industrie und einem Fokus auf Ethik und Nachhaltigkeit kann Deutschland zu einem Vorreiter im Bereich der KI werden“, sagt Prof. Dr. Marius Lindauer von der Leibniz Universität Hannover.

  • Europäische Kräfte bündeln: „Bei der Entwicklung von (generativer) KI gibt es noch viel Spielraum. Deutschland und Europa können auf eine starke Forschung bauen. Nun gilt es, die Kräfte zu bündeln und in KI-Ökosystemen zu denken. KI-Forschung muss weiter gefördert und der Auf- und Ausbau der KI-Infrastruktur in Form von Daten, Rechenkapazitäten, Wagniskapital und Kompetenzen unterstützt werden“, sagt Prof. Dr. Irene Bertschek vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

  • Sensible Daten schützen: „Statt in Panik zu verfallen, dass China und die USA den KI-Wettlauf dominieren, sollte Europa gezielt in sichere und dezentrale Technologien investieren. Diese ermöglichen den Einsatz von KI, ohne dass zentrale Entitäten direkten Zugriff auf die zugrunde liegenden Daten erhalten. Das minimiert das Risiko eines Datenmissbrauchs und stärkt die Souveränität der Nutzenden“, sagt Prof. Dr. Ahmad-Reza Sadeghi von der TU Darmstadt.

  • Technologische Souveränität sichern: „Technologische Souveränität ist entscheidend. Für die KI-Entwicklung heißt das: Die Technologien müssen deutlich effizienter, nachhaltiger und günstiger werden. Aktuell arbeiten wir mit tiefen neuronalen Netzen und Grafikprozessoren, also digitaler Hardware. Die nächste Evolutionsstufe sind neuromorphe Chips und neuronale Netze, die dem menschlichen Gehirn noch ähnlicher sind", sagt Prof. Dr. Gitta Kutyniok von der Ludwig-Maximilians-Universität München.


Die Plattform „Lernende Systeme“ ist ein Netzwerk von Expertinnen und Experten zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Die knapp 200 Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln in Arbeitsgruppen Positionen zu Chancen und Herausforderungen von KI und benennen Handlungsoptionen für ihre verantwortliche Gestaltung. Die Plattform wurde 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf Anregung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften gegründet und wird von einem Lenkungskreis gesteuert.

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