KI-Projekte in Deutschland, den USA und Frankreich

Kommt die „Gesundheitsbox“ mit KI?

mg
Gesellschaft
Medizinische Tests und Diagnosen rund um die Uhr könnten auf dem Land künftig unbemannte Gesundheitsstationen sicherstellen, zeigt ein Fraunhofer-Projekt. In den USA und Frankreich ist man sogar schon weiter.

„Neighborhood Diagnostics“ heißt das Projekt des Fraunhofer-Zentrums für Digitale Diagnostik ZDD, das Mitte November auf der MEDICA in Düsseldorf vorgestellt wurde. Ziel sei, eine patientennahe Behandlung zu schaffen, um im ländlichen Raum eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Im Zentrum stehen dabei in der Landschaft aufgestellte Gesundheitsstationen mit vollautomatisiertem Labor, die künftig medizinische Tests und Diagnosen rund um die Uhr gewährleisten.

„Stationen sind das Pendant zum Geldautomaten“

Das Projekt soll lange Anfahrtswege zu Arztpraxen überflüssig machen und letztlich die Funktionen eines vollautomatisierten Labors übernehmen, informieren die Wissenschaftler. Dann könnten Patienten dort Proben und Testkits aller Art abgeben, aber auch entnehmen. „Hierfür müssen sie sich lediglich registrieren und einer Schritt-für-Schritt-Anleitung folgen. Die Tests werden in der Station durch ausgeklügelte Industrierobotik autonom durchgeführt und – sofern erforderlich – gekühlt gelagert“, heißt es weiter.

Je nach Krankheitsfall könnten die Laborergebnisse direkt vor Ort, via App oder über den Arzt an Patienten übermittelt werden. „Im Prinzip sind die Gesundheitsstationen im medizinischen Sektor das Pendant zu den Bankhäuschen mit Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern, wo kein Personal mehr beschäftigt ist“, meint Simon Scherr, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE.

Die Gesundheitsstationen sollen offene Schnittstellen für Hersteller von Medizintechnik bieten sowie frei konfigurierbar und ausbaubar sein, damit sie an die Bedarfe der jeweiligen Region angepasst und mit unterschiedlichen diagnostischen Angeboten ausgestattet werden können. In einer ersten Erprobungsphase werden die Gesundheitsstationen zunächst in Pflegeheimen und Einrichtungen für betreutes Wohnen aufgestellt.

Laut einer Studie der Robert-Bosch-Stiftung werden bis 2035 in Deutschland etwa 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein. Damit droht fast 40 Prozent der Landkreise die hausärztliche Unterversorgung. „Im Extremfall müssen Patienten in unterversorgten Kreisen damit rechnen, in ihrem Umfeld keinen einzigen niedergelassenen Hausarzt zu haben“, sagte Hans-Dieter Nolting, Versorgungsforscher und Geschäftsführer des IGES Instituts bei der Veröffentlichung der Studiendaten 2021.

Womöglich sind Gesundheitsstationen auch eine Lösung für den städtischen Raum. Denn während der Hausarztmangel bislang vor allem in ländlichen Regionen als Problem bekannt ist, werden in absehbarer Zeit zunehmend auch städtische Gebiete betroffen sein, heißt es in der Studie weiter. In einigen mittelgroßen Städten wird es 2035 rund 20 Prozent weniger Hausärzte geben, lautet die Prognose.

USA: Zugang zu Arztboxen gibt's für 99 Dollar im Monat

Im Unterschied dazu entwickeln in den USA Privatunternehmen die Versorgungslandschaft weiter. Wie US-Medien berichten, hat das bereits 2022 mit mehr als einer Milliarde Marktwert bewertete Start-up Forward jüngst 100 Millionen Dollar eingeworben, um mit dem Geld landesweit 25 Gesundheitsboxen („CarePods“) in Einkaufszentren, Fitnessstudios und Büros in der San Francisco Bay Area, in New York, Chicago und Philadelphia aufzustellen.

Die Würfel sollen eine Kantenlänge von etwa 2,5 Metern haben und die Primärversorgung „revolutionieren“, erklärte Forward-Chef Adrian Aoun dem Forbes-Magazin. Seine Idee: Für 99 Dollar im Monat erhalten Mitglieder unbegrenzt Zugang zu den Gesundheitsboxen, in denen sich modernste Technik samt Künstlicher Intelligenz (KI) befindet.

Der Traum des Start-up-Chefs: „Medizin im Autopilot“

Aoun, der 2016 Forward mitgründete, will „die Medizin auf Autopilot bringen“. Langsam aber sicher müsse jede einzelne Aufgabe von Arzt und Krankenschwester in Hard- und Software überführt werden, sagt er. Wenn es soweit ist, bräuchte es gar keine Praxen mehr. Statt der traditionellen Primärversorgung, die Forward in diesen Kliniken anbietet, sei der CarePod ein Versuch, eine Untersuchung vollständig zu automatisieren: Ein Patient öffnet via Smartphone den CarePod, nimmt darin Platz und lässt sich von einer Roboterstimme und Anweisungen auf einem großen Bildschirm durch den Untersuchungsprozess leiten. Bislang müssen allerdings immer noch lizenzierte Mediziner per Video oder Chat mit den Patienten interagieren, um die Diagnosen zu interpretieren und um Medikamente zu verschreiben. Einziger menschlicher Ansprechpartner vor Ort soll dem Unternehmen zufolge künftig ein Assistent sein, der die Gesundheitsstation bei Bedarf reinigt.

Ob die CarePods die Gesundheitsversorgung revolutionieren können. wird Fachleuten zufolge auch davon abhängen, wie wirksam KI in den CarePods zum Einsatz kommt. Fest steht: Einen Hausarztmangel gibt es auch in den USA. Die durchschnittliche Wartezeit für einen Erstversorgungstermin beträgt aktuell etwa 26 Tage, berichtet Forbes und die American Association of Medical Colleges prognostiziert für 2034 einen Mangel von 17.800 bis 48.000 Ärzten.

Frankreich baut 300 Telemedizin-Praxen an kleinen Bahnhöfen

In Frankreich ist die medizinische Versorgung auf dem Land schon lange eine Herausforderung. Darum sollen bis 2028 rund 300 Telemedizin-Praxen an ländlichen Bahnhöfen errichtet werden, meldeten jetzt der Bahnbetreiber SNCF und der Medizindienstleister Loxamed. Ziel ist, in schwach versorgten Gebieten die Anfahrtswege auf zehn Kilometer zu begrenzen.

Mit Unterstützung einer Krankenschwester und an das System angeschlossener medizinischer Instrumente wird der Patient zum Beispiel mittels Stethoskop, Handkamera, Otoskop, Ultraschall, Dermatoskop, EKG untersucht und die Daten werden dem Arzt digital zur Verfügung gestellt. Bei Bedarf kann ein Rezept vom Arzt über ein sicheres System zurückgespielt werden. Je nach örtlichem Bedarf könnten auch andere Augenkontrollen oder Sportuntersuchungen angeboten werden, heißt es weiter. Die Terminvergabe soll sowohl über die Onlineangebote der SNCF als auch über klassische Plattformen möglich sein. Die Öffnungszeiten sollen sich nach dem Bedarf richten.

Das Unternehmen Loxamed wurde 2020 gegründet, hatte während der Corona-Pandemie COVID-Testzentren in Containern an mehreren Bahnhöfen eingerichtet und sich anschließend auf telemedizinische Angebote spezialisiert.

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