Forschung mit Organoiden könnte Therapie von Zungenkarzinomen verbessern
Mundhöhlenkrebs ist eine Krankheit, die weltweit immer häufiger auftritt. Jedes Jahr werden mehr als 300.000 neue Fälle diagnostiziert. Zungenkrebs (TC) gehört zu den häufigsten Krebsarten der Mundhöhle und hat oft eine schlechte Prognose. Chirurgie in Kombination mit Chemoradiotherapie sind die wichtigsten Behandlungsmethoden für Hochrisikofälle von Zungenkrebs. Die Rezidivrate ist jedoch hoch, da sich die Tumoren aus wenigen überlebenden Zellen neu bilden können, die als minimale Resterkrankung (MRD) bezeichnet werden.
Um die Mechanismen zu untersuchen, die der MRD-Bildung zugrunde liegen, greifen Forschende häufig auf Krebszelllinien zurück, die aus einem Tumor stammen und unter kontrollierten Laborbedinungen kultiviert werden. Daran werden dann Medikamente getestet und Analysen zur Rolle von Genen und Proteinen durchgeführt. Allerdings ist es recht schwierig, Krebszelllinien aus primärem Krebsgewebe herzustellen, und sie spiegeln die Krebsmerkmale nicht genau wider. Das macht den Vergleich von Tumoreigenschaften zwischen Patienten schwierig.
Vor diesem Hintergrund wählte ein Team Forschender des Institute of Science in Tokio, Japan, einen anderen Ansatz, um die MRD bei Zungenkrebs zu erforschen. Anstatt zu versuchen, Krebszelllinien zu etablieren, erstellten sie eine groß angelegte Bibliothek von Zungenkrebs-Organoiden (TCOs) aus Operationsproben von 28 Patienten. Organoide sind dreidimensionale Gewebemodelle, die Organe imitieren. Das Team wollte mit dieser Bibliothek die Vielfalt, die bei Zungenkrebs von Patient zu Patient besteht, genau darstellen und sie nutzen, um effektivere Behandlungsmöglichkeiten zu ermitteln.
Replikation von Tumoren durch Organoide
Organoide ermöglichen es, die Biologie von Krebs in einer kontrollierten Laborumgebung zu replizieren. Das Team baute die TCO-Bibliothek auf, indem es Gewebeproben von 28 unbehandelten Zungenkarzinom-Patienten unterschiedlichen Alters und Stadiums der Krankheit entnahm. Anhand dieser Organoide führten sie umfassende und vergleichende Analysen durch, zum Beispiel funktionelle, genetische/epigenetische, histopathologische Charakterisierungen und Tests zur Empfindlichkeit gegenüber Medikamenten.
So konnten neue Erkenntnisse über die Mechanismen der Chemoresistenz, insbesondere der MRD-Bildung gewonnen werden. Bei der Behandlung der TCOs mit Cisplatin, einem Schlüsselmedikament in der Chemotherapie, stellten die Forschenden fest, dass die chemoresistenten TCOs einen schlafähnlichen Zustand zeigten.
Die chemoresistenten TCOs sind auf die Aktivierung von Autophagie (oder „internes Recycling“) und Cholesterinbiosynthesewege angewiesen, um zu überleben. „Die Hemmung dieser Wege mit spezifischen Inhibitoren verwandelte die chemoresistenten TCOs in chemosensitive TCOs. Umgekehrt führte die Aktivierung der Autophagie mit geeigneten Inhibitoren dazu, dass die chemoempfindlichen TCOs chemoresistent wurden“, erklärt Studienleiter Prof. Toshiaki Ohteki. Da eine vergleichende Analyse der TCO-Bibliothek Einblicke in die molekularen Grundlagen der MRD-Bildung liefert, erhoffen sich die Forschenden, dass diese Bibliothek eine Ressource für die Entwicklung weiterer Therapien und Biomarker für chemoresistente TCO-Zellen darstellen und so zur Entwicklung einer personalisierten Medizin beitragen kann.
Sase M, Sato T, Sato H, Miya F et al. Comparative analysis of tongue cancer organoids among patients identifies the heritable nature of minimal residual disease. Dev Cell. 2024 Nov 2:S1534-5807(24)00607-5. doi: 10.1016/j.devcel.2024.10.007. Epub ahead of print. PMID: 39504967.