Neandertaler-Gen bestimmt die Zahnform
Für die Studie wurden Daten von 882 Probanden aus Kolumbien verwendet, die europäische, indianische und afrikanische Wurzeln haben. Dabei maßen die Wissenschaftler die Zahnkronen, die aus 3-D-Scans von Zahn-Gipsabdrücken abgeleitet wurden, und verglichen sie mit den genetischen Informationen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einer genomweiten Studie.
18 Genomregionen bestimmten Größe und Form der Zähne
Das internationale Team unter der Leitung von Forschern des University College London (UCL), der Open University in Milton Keynes, der Fudan University (China), der Universität Aix-Marseille (Frankreich) und der Nationaluniversität La Plata (Argentinien) identifizierte 18 Genomregionen, die Größe und Form der Zähne beeinflussen. 17 dieser Regionen waren zuvor nicht mit den Zahnmaßen in Verbindung gebracht worden.
„Zähne können uns viel über die Evolution des Menschen erzählen", sagte Co-Leitautor Dr. Kaustubh Adhikari. “Gut erhaltene alte Zähne sind für Archäologen besonders wichtig sind, da sie Aufschluss über Meilensteine geben, wie etwa den Übergang zu gekochter Nahrung und die Schrumpfung der menschlichen Zähne. Über die genetische Grundlage der Variationen in Zahngröße und -form innerhalb der modernen menschlichen Population ist jedoch wenig bekannt, was teilweise auf die Herausforderungen bei der Zahnmessung zurückzuführen ist. Mittlerweile haben wir jedoch zahlreiche Gene identifiziert, die Einfluss auf die Entwicklung unserer Zähne haben, und einige davon sind für Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen verantwortlich.“
Menschen europäischer Abstammung haben kleinere Zähne
Eine der neuen Verbindungen betraf ein Gen, das vermutlich von Neandertalern durch Kreuzung mit Urmenschen vererbt wurde. Diese genetische Variante, die zum biologischen Ablauf der Zahnentwicklung beiträgt, wurde nur bei Menschen europäischer Abstammung gefunden. Träger dieser Variante haben dünnere Schneidezähne. Insgesamt haben Menschen europäischer Abstammung kleinere Zähne.
Die Forscher stellten außerdem fest, dass ein Gen namens EDAR mit der Zahngröße assoziiert ist. Man wusste bereits, dass dieses Gen die Form der Schneidezähne bei Menschen in Ostasien beeinflusst. Die neue Studie ergab jedoch, dass das Gen auch die Breite aller Zähne bestimmt.
„Einige der Gene, die zu den normalen Abweichungen der Zahnmaße bei gesunden Menschen führen, können auch zu pathogenen Abweichungen beitragen, wie zu Zahnwachstumsstörungen oder anderen Zahnerkrankungen“, betonte Erstautor Dr. Qing Li. „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse medizinisch nützlich sein könnten, wenn Menschen mit bestimmten Zahnproblemen genetische Tests zur Diagnose durchlaufen könnten oder wenn einige Zahnanomalien eines Tages mit Gentherapien behandelt werden könnten.“
Die Unterschiede können auch ein Nebeneffekt sein
Der Co-Leitautor Prof. Andrés Ruiz-Linares fügte hinzu: „Unsere Ergebnisse haben keine Klarheit darüber gebracht, ob die Gene, die die Zahnform bestimmen, sich im Laufe der Evolution aufgrund besonderer Vorteile für die Zahngesundheit durchgesetzt haben. Es ist auch möglich, dass die Gene aufgrund ihrer Einflüsse auf andere Bereiche dominant wurden und dass Unterschiede in der Zahnform als Nebeneffekt auftraten.“
Die Hauptautoren der Studie hatten zuvor herausgefunden, dass von Neandertalern geerbte Gene zu einer höheren Schmerzempfindlichkeit beitragen und die Form unserer Nase beeinflussen können.
Qing Li et al., PITX2 expression and Neanderthal introgression in HS3ST3A1 contribute to variation in tooth dimensions in modern humans, Current Biology (2024). DOI: 10.1016/j.cub.2024.11.027.