Studie aus Basel

Neue Muskelschicht des M. masseter entdeckt

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Zahnmedizin
Die Anatomie des Menschen hält noch Überraschungen parat: Forschende der Universität Basel haben eine dritte Schicht des M. masseter entdeckt und detaillliert beschrieben: den Pars coronoidea.

Der Musculus masseter ist Teil der Kaumuskulatur und für den Kieferschluss (Adduktion) zuständig, aber auch an Protrusionsbewegungen des Unterkiefers beteiligt. Der Aufbau des M. masseter wird in Lehrbüchern der Anatomie in der Regel als zweischichtig beschrieben.

Er besteht bekanntermaßen aus einem oberflächlichen und einem tiefen Anteil. Der Pars superficialis hat seinen Ursprung an den vorderen zwei Dritteln des Arcus zygomaticus, der Pars zygomaticus im hinteren Drittel. Der gemeinsame Ansatz befindet sich an der Tuberositas masseterica am Angulus mandibulae.

In einer neuen Studie beschreiben Forschende um Dr. Szilvia Mezey vom Departement Biomedizin und Prof. Dr. Jens Christoph Türp vom Universitären Zentrum für Zahnmedizin der Universität Basel nun jedoch den Aufbau des M. masseter mit einer dritten, noch tieferen Schicht und schlagen dafür den Namen Musculus masseter pars coronoidea vor. Die Bezeichnung deshalb, weil die neu beschriebene Muskelschicht am Muskelfortsatz (dem sogenannten Koronoidfortsatz) des Unterkiefers ansetzt.

„Diese tiefste Schicht des Kaumuskels […] entspringt posterior an der inneren, temporalen Seite des Jochbeinfortsatzes des Schläfenbeins, wobei die Muskelfasern diagonal nach anterior verlaufen und der Muskel an der Basis und entlang des hinteren Randes des Koronoidfortsatzes des Unterkiefers ansetzt”, legen die Autoren dar [Mezey et al., 2021]. Die Innervation erfolge ebenso wie die der Pars superficialis und profunda durch den masseterischen Ast des Nervus mandibularis.

Pars coronoidea ließ sich ausnahmslos nachweisen

Diese Beschreibung beruht auf Präparationen von insgesamt zwölf Leichen, computertomografischen Aufnahmen sowie der Untersuchung histologischer Präparate der Kiefermuskulatur. Hinzu kamen Magnetresonanzdaten einer 40-jährigen Patientin. In allen Analysen ließ sich der Pars coronoidea ausnahmslos nachweisen und auch hinsichtlich seines Verlaufs und seiner Funktion klar von den beiden anderen Schichten unterscheiden. Das Autorenteam schließt deshalb eine anatomische Variation aus.

Es wurde schon früher von drei Schichten berichtet

Ein Blick in historische Anatomiestudien und -lehrbücher zeigt, dass der Aufbau des M. masseter bereits in der Vergangenheit Fragezeichen aufwarf: In einer früheren Ausgabe des Standardwerks „Gray’s Anatomy“ aus dem Jahr 1995 beschreiben die Herausgeber den M. masseter ebenfalls als dreischichtig, wobei die zitierten Studien allerdings auf der Kiefermuskulatur anderer Spezies beruhten und einander teils widersprachen.

Weitere vereinzelte Studien aus den frühen 2000er-Jahren schilderten zwar auch drei Schichten, sie unterteilten aber den oberflächlichen Anteil des Masseters in zwei Schichten, während die Beschreibung des tieferen Anteils den Standardwerken entsprach.

"Angesichts dieser widersprüchlichen Beschreibungen wollten wir den Aufbau des Massetermuskels noch einmal umfassend untersuchen, obwohl man davon ausgeht, dass die anatomische Forschung der letzten 100 Jahre keine weissen Flecken hinterlassen hat", erläutert Türp das Forschungsinteresse. "Unser Fund ist ein bisschen so, als hätten Zoologen eine neue Wirbeltierart entdeckt."

Nur Pars coronoidea kann Unterkiefer-Retrusion

Die Anordnung der Muskelfasern lässt den Autoren zufolge vermuten, dass diese Schicht maßgeblich an der Stabilisierung des Unterkiefers beteiligt ist. Besonders hervorzuheben ist, dass der Pars coronoidea der einzige Teil des Masseters zu sein scheint, der den Unterkiefer zurückziehen kann (Retrusion).Durch die gemeinsame Innervation bilden die drei Muskelschichten ein perfektes Zusammenspiel.

„Die koronoiden und hinteren Teile des tiefen Anteils können synergetisch zusammenarbeiten, um den Unterkiefer anzuheben. Gleichzeitig verläuft die Richtung der Fasern des koronoiden Anteils fast senkrecht zu den Fasern des oberflächlichen Kaumuskels, wodurch ein Kreuzmuskel entsteht, bei dem die beiden Schichten antagonistisch arbeiten können, indem sie den Kiefer entweder zurückziehen oder vorschieben”, resümieren die Forschenden [Mezey et al., 2021].

Die vorliegenden Erkenntnisse sind besonders im Hinblick auf craniomandibuläre Dysfunktionen und Bruxismus spannend und sicherlich Gegenstand zukünftiger Forschungen.

Mezey SE et al. „The human masseter muscle revisited: First description of its coronoid part.” Ann Anat. 2021 Dec 2;240:151879. doi:10.1016/j.aanat.2021.151879. Epub ahead of print. PMID: 34863910.

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