Ausnahmeregelung der EU-Kommission

Nordirische Zahnärzte dürfen weiter Amalgam verwenden

ck
Politik
Die Europäische Kommission hat einer Ausnahmeregelung für Nordirland von der neuen EU-Amalgamverordnung zugestimmt: Nordirische Zahnärzte dürfen demnach bis Ende 2034 weiterhin Amalgam verwenden.

Zahnärzte in Nordirland dürfen „bis Ende 2034 beziehungsweise bis zu dem vom Vereinigten Königreich unterzeichneten Datum im Minamata-Übereinkommen – je nachdem, was früher eintritt“ – weiterhin Amalgam verwenden, meldete das nordirische Gesundheitsministerium am 19. Juli. Die EU-Kommission hatte die Ausnahmeregelung am selben Tag kurz zuvor bekanntgegeben.

Speziell für Nordirland wurde somit eine Ausnahmeregelung durchgesetzt – statt eines direkten Amalgamverbots gemäß der EU-Verordnung 2024/1849. Nach dem sogenannten Windsor-Abkommen unterliegt Nordirland nach dem Brexit eigentlich weiterhin den EU-Regelungen – wie dem Amalgamverbot, das EU-weit ab 2025 in Kraft tritt.

Der nordirische Gesundheitsminister Mike Nesbitt begrüßte die Verlängerung: „Die Sicherstellung einer Ausnahmeregelung hatte für das Ministerium angesichts der Auswirkungen, die das Amalgamverbot auf Patienten und Zahnärzte gehabt hätte, Priorität." Nun könne die schrittweise Abschaffung von Zahnamalgam in den kommenden Jahren viel planmäßiger erfolgen.

Die Vereinbarung mit der EU ist laut Nesbitt an eine Reihe von Forderungen geknüpft, die die Berichterstattung und den Nachweis kontinuierlicher Fortschritte bei der Verringerung des Einsatzes von Amalgam betreffen, darunter eine Aktualisierung des Plans für Nordirland zur schrittweisen Reduzierung der Verwendung von Dentalamalgam. „Die Bedingungen werden als erfüllbar angesehen und stehen im Einklang mit den längerfristigen politischen Zielen des Gesundheitsministeriums zur Verwendung von Amalgam“, heißt es aus seinem Ministerium.

„Ein Verbot ab 2025 hätte die Zahnmedizin zerstört“

Auch die British Dental Association (BDA) Nordirland drückte ihre Erleichterung aus: „Mit diesem Schritt konnte ein Verbot der Verwendung von Quecksilberfüllungen in der Zahnmedizin ab dem 1. Januar 2025 abgewendet werden“, teilte sie mit. „Für die Zahnmedizin als Berufsstand ist es ein Trost, dass ihre Stimme auf höchster Regierungsebene gehört wird und im Rahmen der Beziehungen zwischen Nordirland, dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union prioritär behandelt wird.“

Und wie wird die Ausnahmeregelung begründet? Schon im Januar hatte die BDA Nordirland Alarm geschlagen, als das Europäische Parlament für einen vollständigen Ausstieg aus der Verwendung von Dentalamalgam ab dem 1. Januar 2025 stimmte. Dabei galt die Standardposition, dass ein Verbot gemäß dem NI-Protokoll auch in Nordirland unmittelbar gelten würde. Im März legte der Verband nach und wies darauf hin, dass ein solcher Schritt zur Zerstörung der NHS-Zahnmedizin in Nordirland führen würde.

In einer Umfrage, die die BDA in dem Zusammenhang dem Stormonts Windsor Framework Democratic Scrutiny Committee vorgelegt hatte, warnte sie davor, dass demnach 92 Prozent der Zahnärzte im Fall eines Amalgamverbots den Umfang von NHS-Behandlungen in ihrer Praxis reduzieren würden. Genauso viele hatten gesagt, ein solches Verbot würde die Kosten für NHS-Behandlungen in ihrer Praxis erhöhen, und 91 Prozent angegeben, dass sich die Aufwendungen gerade auf Patienten mit höheren Bedarfen niederschlagen würden. 88 Prozent waren sicher, dass ihre Praxis in der Folge ihr NHS-Engagement runterfahren oder ganz beenden würde.

Das Windsor Framework Democratic Scrutiny Committee

Das Windsor-Abkommen gewährt Nordirland nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs freien Handelszugang sowohl zum EU-Binnenmarkt als auch zum britischen Markt und stattet das nordirische Parlament mit einem Vetorecht gegen neue EU-Regeln aus. Das Windsor Framework Democratic Scrutiny Committee (WFDSC) ist ein ständiger Ausschuss der Northern Ireland Assembly, der 1998 eingerichtet wurde, um neue EU-Rechtsakte zu überwachen und zu prüfen. Dem WFDSC kommt daher eine wichtige Rolle bei der Brexit-Kontrolle zu.

„Dieser Aufschub ist ein Hoffnungsschimmer“

„Ein Verbot von Zahnamalgam im Jahr 2025 hätte die NHS-Zahnmedizin in Nordirland auslöschen können", betonte die Vorsitzende des Ausschusses für Zahnarztpraxen in Nordirland der BDA, Ciara Gallagher. „Wir haben Alarm geschlagen und mit aller Kraft für eine praktikable Lösung gekämpft. Dieser Aufschub ist ein Hoffnungsschimmer für einen Dienst, der am Boden liegt und keinen weiteren finanziellen Druck hätte ertragen können.“ Nordirland habe jetzt etwas Spielraum, dennoch dürften die britische und die nordirische Regierung nicht nachlassen, wenn es darum geht, einen nahtlosen Übergang zu einer amalgamfreien Zahnmedizin zu schaffen.

Gallagher: „Wenn Amalgam endlich der Stecker gezogen wird, muss Nordirland eine gesündere Bevölkerung und eine nachhaltigere Versorgung haben. Andernfalls ist diese zehnjährige Ausnahmeregelung nur ein Aufschub der Vollstreckung für die NHS-Zahnmedizin.“

Das steht in der Ausnahmeregelung

„Die Verwendung von Dentalamalgam bei Zahnbehandlungen in Nordirland für Patienten mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich stellt weder ein Risiko für die Integrität des Binnenmarkts der Union noch für den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt in der Union dar, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

Die Einfuhr von Dentalamalgam aus Drittländern nach Nordirland zur Verwendung bei der zahnärztlichen Behandlung von Patienten mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich erfolgt gemäß den besonderen Bedingungen dieser Bekanntmachung;

  • die Ausfuhr von Dentalamalgam aus Nordirland in Länder außerhalb des Vereinigten Königreichs ist gemäß [...] den Änderungen der Verordnung (EU) 2017/852 ist verboten;

  • die Herstellung von Dentalamalgam in Nordirland [... ] ist ab dem 1. Juli 2026 verboten.

Aus diesem Grund und so lange das Vereinigte Königreich in Nordirland diese Bedingungen erfüllt, ist die Kommission der Auffassung, dass Dentalamalgam in Nordirland zur zahnärztlichen Behandlung von Patienten mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich verwendet werden darf und dass zu diesem Zweck bis zum 31. Dezember 2034 oder bis zu dem im Rahmen des Minamata-Übereinkommens vereinbarten Zeitpunkt weiterhin Dentalamalgam von außerhalb der Union eingeführt werden darf, je nachdem, was früher eintritt.

Die Kommission wird die Anwendung der mit der Verordnung (EU) 2024/1849 in Nordirland eingeführten Änderungen, auch im Hinblick auf diese Bekanntmachung, fortlaufend überwachen und auf der Grundlage entscheiden, ob diese Regelung beibehalten werden soll."

Auszug aus der Bekanntmachung der EU-Kommission vom 19. Juli 2024 (Anwendung der Verordnung (EU) 2024/1849 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/852 über Quecksilber in Bezug auf Dentalamalgam und andere mit Quecksilber versetzte Produkte, die Ausfuhr-, Einfuhr- und Herstellungsbeschränkungen unterliegen, in das Vereinigte Königreich und in das Vereinigte Königreich in Bezug auf Nordirland (C/2024/4675))

„Um für Nordirland eine maßgeschneiderte Regelung für Dentalamalgam zu erreichen, waren enorme Anstrengungen seitens des Berufsstands und seiner Vertreter erforderlich“, hält die BDA fest. „Jetzt fordern wir die Behörden dringend auf, ihre Präventionsinitiativen konsequent umzusetzen, die zahnärztliche Versorgung zu reformieren und neuen Behandlungsmaterialien und -techniken einen größeren Stellenwert einzuräumen.“

Nordirland und der Rest des Vereinigten Königreichs haben die EU am 31. Januar 2020 verlassen. Um die besonderen Probleme einer Landgrenze zwischen Großbritannien und der EU zu lösen, wurde das Windsor-Abkommen (Kasten) ausgehandelt, das im Oktober 2023 in Kraft trat. Infolgedessen gelten in dem Territorium weiterhin die Bedingungen des EU-Binnenmarkts.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.