Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie 

Prävention zeigt auf allen Ebenen Erfolge

ao
Politik
Durch gezielte Prävention von klein auf sind Karies und Zahnlosigkeit in Deutschland weiter auf dem Rückzug. Das ergab die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie, die nun in Berlin vorgestellt wurde.

78 Prozent der 12-Jährigen sind inzwischen kariesfrei. Bei den jüngeren Erwachsenen hat sich die Karieserfahrung seit 1989 halbiert. Nur noch fünf Prozent der 65- bis 74-Jährigen sind zahnlos. Noch „Luft nach oben“ ist allerdings bei der Behandlung von Parodontalerkrankungen.

Seit 1989 erforscht das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) die Mundgesundheit der gesamten Bevölkerung in Deutschland. Heute stellte das IDZ gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) die sogenannte DMS • 6 vor.

Für die umfassende Studie wurden von 2021 bis 2023 an 90 Untersuchungszentren in Deutschland rund 3.400 Menschen aus verschiedenen Altersgruppen und sozialen Gruppen in einer repräsentativen Erhebung befragt und zahnmedizinisch-klinisch untersucht.

Dabei ging das IDZ der Frage nach, wie es um die Mundgesundheit in Deutschland insgesamt steht, wie sich Karies und Parodontalerkrankungen entwickeln und inwieweit sich bisherige Therapiekonzepte bewährt haben.

Ein fast einmaliger Erfolg in der primären Prävention chronischer Erkrankungen

Prof. Dr. Rainer A. Jordan, Wissenschaftlicher Direktor des IDZ, informierte über die wichtigsten Ergebnisse der Studie. Diese zeige, dass Karies bei älteren Kindern seit Einführung der Gruppen- und Individualprophylaxe Ende der 1990er-Jahre um 90 Prozent zurückgegangen sei. Nur noch 22 Prozent der 12-Jährigen haben demnach Karies oder eine Füllung, 78 Prozent seien kariesfrei. „Das ist ein fast einmaliger Erfolg in der primären Prävention chronischer Erkrankungen“, sagte Jordan.

Risikofaktoren für eine erhöhte Karieslast bei Kindern können ihm zufolge ein niedriger familiärer Bildungsstatus oder Migrationserfahrung sein. Die Studie habe aber auch ergeben, dass von der Präventionsorientierung der letzten Jahrzehnte im Hinblick auf kariesfreie Gebisse besonders Kinder aus der niedrigen Bildungsgruppe profitiert haben.

Prophylaxe von klein auf zahlt sich aus

Als besonders beeindruckend bezeichnete der IDZ-Direktor die Kariesergebnisse bei jüngeren Erwachsenen zwischen 35 und 44 Jahren. Diese Altersgruppe habe zum ersten Mal im Kindesalter bereits vollständig von der Individual- und Gruppenprophylaxe profitiert. „Jetzt sehen wir die nachhaltigen Ergebnisse, die über Jahrzehnte Bestand haben: Prävention wirkt!“, betonte Jordan. Zahnlosigkeit komme in dieser Altersgruppe praktisch nicht mehr vor; erstmalig seien fast sieben Prozent dieser Altersgruppe kariesfrei.

Die jüngeren Senioren zwischen 65 und 74 Jahren seien zwar noch nicht „in der Ära der Prävention groß geworden“, aber sie haben von der Sekundärprävention profitiert. Im Ergebnis fehlen den 65- bis 74-Jährigen laut der Studie heutzutage durchschnittlich nur noch 8,6 Zähne; 1997 waren es noch 17,6.

Zahnlosigkeit bei Älteren erneut zurückgegangen

Als „unerwartet“ bezeichnete Jordan den Rückgang der Zahnlosigkeit. Über viele Jahrzehnte hatte etwa jeder Fünfte der 65- bis 74-Jährigen keine eigenen Zähne mehr. Erst in der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie vor zehn Jahren hatte sich der Anteil zahnloser jüngerer Seniorinnen und Senioren auf zwölf Prozent halbiert.

Nun habe sich dieser Anteil erneut halbiert, so dass heute nur noch fünf Prozent dieser Altersgruppe zahnlos sind. „Das ist – auch weltweit betrachtet – ein absoluter Spitzenwert“, sagte Jordan.

Mehr Zähne in der Mundhöhle erhöhten aber gleichzeitig das Risiko für andere altersbedingte orale Erkrankungen. Dies betreffe vor allem die Wurzelkaries und Parodontalerkrankungen. Aktuell weisen demnach 85 Prozent der jüngeren Seniorinnen und Senioren in Deutschland eine Parodontalerkrankung auf, sagte Jordan.

Eine bessere Mundgesundheit senkt Kosten

„Der Paradigmenwechsel von der kurativen zur präventiven Versorgung ist ein Erfolg. Die Ergebnisse der DMS • 6 zeigen, dass unsere konsequent auf Prävention ausgerichteten Versorgungskonzepte, die aus dem eigenen Berufsstand heraus entwickelt worden sind, wirken", betonte Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der KZBV.

Dies führe nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit von Millionen von Menschen in Deutschland, sondern habe auch den Anteil an den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für vertragszahnärztliche Leistungen in den letzten Jahren um mehr als 30 Prozent gesenkt.

Die Ergebnisse belegen Hendges zufolge aber auch, dass Parodontitis immer noch eine Volkskrankheit und ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. 2021 habe die KZBV mit der präventionsorientierten Parodontitisbehandlungsstrecke eine Therapie in die Versorgung gebracht, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert.

„Dieser wichtige Ansatz wurde durch politische Entscheidungen in Form des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes mit seiner strikten Budgetierung schwer beschädigt“, kritisierte Hendges. Dem Kampf gegen Parodontitis sei so ein herber Rückschlag versetzt worden, der eine nachhaltige Behandlung nun deutlich erschwere.

Parodontitistherapie gesetzlich verankern

Er forderte die neue Bundesregierung auf, die Leistungen für die präventionsorientierte Parodontitistherapie als gesetzliche Früherkennungs- und Vorsorgeleistungen zu verankern und für die Versorgung die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.

„Um die bislang erreichten Erfolge im Hinblick auf die Mundgesundheit zu erhalten und weiter auszubauen, benötigen die Praxen endlich wieder angemessene Rahmenbedingungen für ihre Arbeit“, betonte Hendges.

„Heute ist ein schöner Tag für die Zahngesundheit“, ergänzte BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz. Die Ergebnisse der DMS • 6 seien ein Grund zur Freude für Patientinnen, Patienten und die Zahnärzteschaft. Sie zeigten, wie nachhaltig die Kombination aus Gruppen- und Individualprophylaxe für eine gute Mundgesundheit sorge.

„In allen Altersgruppen konnten die guten Daten gehalten oder sogar verbessert werden“, hob Benz hervor. Gerade bei Seniorinnen und Senioren bedeuteten weniger fehlende beziehungsweise mehr funktionstüchtige Zähne eine gesteigerte Lebensqualität.

Den Fokus stärker auf Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen legen

Die Studie zeige zudem erstmals, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht nur mit Parodontitis, sondern auch mit Zahnlosigkeit zusammenhängen. Dies sei ein Auftrag für weitere interdisziplinäre Forschung in diesem Feld.

Die DMS • 6 habe allerdings auch ergeben, dass von der zahnmedizinischen Prävention noch nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen profitieren. Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen würden von den Maßnahmen weniger gut erreicht. „Dies stellt eine Aufgabe für die Zahnärzteschaft dar, diese Gruppe noch mehr in den Fokus zu nehmen“, sagte Benz.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.