Neue Erkenntnisse zu Alkohol

Schädlich ab dem ersten Tropfen

mg
Gesellschaft
Auf Basis aktueller Erkenntnisse zur Schädlichkeit von Alkohol hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ihre Empfehlungen angepasst. Statt Mengenempfehlungen heißt es jetzt: Je weniger, desto besser.

„Alkoholkonsum sollte von jeder Person reduziert werden, unabhängig davon, wie viel sie trinkt. Am besten ist es, keinen Alkohol zu sich zu nehmen. Alkoholische Getränke bergen Risiken, wenn es um die physische Gesundheit der Menschen geht“, meldet das wissenschaftliche Kuratorium der DHS. Fortschritte der Wissenschaft auf zwei Gebieten hätten zu neuen Erkenntnissen geführt. „Erstens verstehen wir heute besser als früher, worin Grenzen älterer Studien lagen. Zweitens kann die Wissenschaft Erkrankungswahrscheinlichkeiten in Bevölkerungen immer zuverlässiger bestimmen.“

Diese Entwicklung führe dazu, dass Risiken für die körperliche und psychische Unversehrtheit sowie die Überlebenszeit von Menschen feiner differenziert werden könnten. Heute zeigten Studien für einzelne Erkrankungen eine lineare Beziehung zwischen dem Ausmaß von Alkoholkonsum und Sterbewahrscheinlichkeiten: Sie sind am geringsten, wenn kein Alkohol getrunken wird. Sie sind umso höher, je mehr Alkohol Menschen trinken.

Auch Ärzte verharmlosen oft den riskanten Konsum

In der Vergangenheit hätten methodisch unzureichende Studien dazu beigetragen, dass Alkoholabstinenz mit einem erhöhten Erkrankungs- und Sterberisiko verknüpft und geringer oder moderater Alkoholkonsum als potenziell gesundheitsfördernd bezeichnet wurde. Als Erklärung wurden Polyphenole herangezogen. Diese Stoffe sind in alkoholischen Getränken enthalten, unter ihnen Resveratrol. Es hat eine vergleichsweise hohe Konzentration in Rotwein. Eine Empfehlung zum Konsum von Rotwein oder anderen alkoholischen Getränken sei jedoch ungerechtfertigt, da ein erwachsener Mensch mehrere Liter Wein pro Tag trinken müsste, um gesundheitliche Wirkungen durch Resveratrol zu erzielen – wobei die Schäden durch den Alkohol deutlich überwiegen würden.

Die Weltgesundheitsorganisation betont ebenfalls seit diesem Jahr, dass jeglicher Alkoholkonsum riskant ist. Der Empfehlung des World Cancer Research Fund zufolge ist es am besten, keinen Alkohol zu trinken, um Krebs vorzubeugen. Es sei dringend notwendig, das Bewusstsein für den direkten Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebsrisiken zu schärfen, sagte Dr. Isabelle Soerjomataram von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), jüngst bei der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO). Das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs ist weltweit nach wie vor sehr gering“, erklärte Soerjomataram. Angehörige der Gesundheitsberufe – Onkologen, Krankenschwestern, Ärzte und Allgemeinmediziner – spielten darum „eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung und der Vermittlung dieses Wissens an Patienten.“

Der Vorsitzende der Sitzung, Dr. Gilberto Morgan, Onkologe am Skåne University Hospital im schwedischen Lund, mahnte, Angehörige der Gesundheitsberufe würden dazu neigen, ihren Einfluss auf Trinkgewohnheiten ihrer Patienten herunterzuspielen und riskanten Konsum oft nicht anzusprechen. Doch das müsse sich ändern.

Deutschland bleibt Hochkonsumland

Soerjomataram verwies auf IARC-Statistiken zum Alkoholkonsum. Daraus gehe hervor, dass fast die Hälfte (46 Prozent) der Weltbevölkerung Alkohol konsumiert, wobei die Raten bei Männern (54 Prozent) höher sind als bei Frauen (38 Prozent). Weltweit belaufe sich die Menge im Durchschnitt auf umgerechnet 6 Liter reines Ethanol pro Jahr und pro Konsument, das entspricht einem Pro-Kopf-Konsum von einer Flasche Wein pro Woche. In Deutschland ist der Pro-Kopf-Konsum in den vergangenen 40 Jahren gesunken, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervorgeht. Im internationalen Vergleich zählt Deutschland allerdings weiterhin zu den Hochkonsumländern, schreibt das Bundesgesundheitsministerium.

Konkret bedeutet das: Mehr als die Hälfte der Deutschen (55,2 Prozent) konsumiert regelmäßig Alkohol. Weiter heißt es, dass der „riskante Konsum bei Männern langfristig zurückgeht“, bei Frauen zuletzt allerdings leicht angestiegen ist. Laut Bundesregierung tranken 13 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2021 in einem riskanten Maß Alkohol, im Jahr 1995 waren es dagegen noch 16,4 Prozent. Unter „riskantem Konsum“ verstehe man 24 bis 60 Gramm Alkohol pro Tag bei Männern und 12 bis 40 Gramm bei Frauen, führt das BMG aus – und bezieht sich dabei auf die ehemalige Definition des DHS, die nun überholt ist.

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