Sind E-Zigaretten nicht so harmlos wie angenommen?
Auf der Suche nach Alternativen zur klassischen Zigarette steigen Menschen vermehrt auf (Einweg-)E-Zigaretten um. Studien zufolge sind E-Zigaretten besonders bei den 18- bis 24-Jährigen sowie bei Personen beliebt, die im gerade mit dem Rauchen aufgehört haben.
Eine neue Studie von Forschenden aus Innsbruck hat mit dem University College London (UCL), der Universität Bristol und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die molekularen Auswirkungen von Tabak und E-Zigaretten auf das Epigenom verschiedener Zellen untersucht.
Was ist das Epigenom?
Das Epigenom überlagert unser genetisches Material (DNA) wie eine Schicht aus Informationen. Stellt man sich die DNA als „Hardware“ eines Computers vor, so ist die Epigenetik ihre „Software“: Sie bestimmt wie, wo und wann die vom Computer verwendeten Programme ausgeführt werden. Das Epigenom kann sich im Laufe des Lebens durch eine Vielzahl genetischer und nichtgenetischer Faktoren verändern. Dazu gehören der Alterungsprozess, unsere Lebensweise und der Kontakt mit Chemikalien und anderen Umweltfaktoren.
„Das Epigenom erlaubt uns einerseits einen Blick zurück und gibt uns Aufschluss darüber, wie unser Körper auf eine frühere Umwelteinwirkung reagiert hat. Andererseits kann die Erforschung des Epigenoms auch eine Vorhersage über zukünftige Gesundheit und Krankheit ermöglichen“, erklärt Studienautor Prof. Martin Widschwendter von der Universität Innsbruck.
Eine häufig untersuchte Art von epigenetischen Veränderungen ist die DNA-Methylierung, bei der die Erbsubstanz modifiziert wird. Die Wissenschaftler analysierten in mehr als 3.500 Proben, wie sich das Rauchen von klassischen und elektronischen Zigaretten auf die DNA-Methylierung in Zellen auswirkt, die dem Tabak direkt (Zellen in der Mundhöhle) und indirekt (Gebärmutterhalszellen) ausgesetzt sind.
In den Zellen ist die präzise Rauchgeschichte erkennbar
Im Ergebnis blieben durch das Rauchen hervorgerufene epigenetische Veränderungen in vielen Zellen jahrelang stabil. So konnten die Forschenden anhand von Proben der Mundschleimhaut mit über 90 Prozent Genauigkeit sagen, ob eine Person aktuell raucht, früher oder niemals geraucht hat.
Sie fanden auch heraus, dass die Epithelzellen, die normalerweise Organe auskleiden und meist die Ursprungszellen für Krebs sind, im Mund von Rauchern ein „pro-karzinogenes“ Epigenom verursachen – das heißt, dass sie ähnliche Veränderungen aufweisen wie Krebszellen. Dieselben epigenetischen Veränderungen wurden auch in den Mundzellen von E-Zigaretten-Rauchern mit einer sehr begrenzten Rauch-Vorgeschichte und bei Nutzern von oral verwendeten Tabaksäckchen (Snus) beobachtet. Anhand dieser Veränderungen konnte mit einer Genauigkeit von mehr als 90 Prozent festgestellt werden, ob eine Person Tabak, E-Zigaretten oder Snus konsumiert.
Es ist die erste Studie, die die epigenetischen Auswirkungen des Rauchens und des Konsums von E-Zigaretten auf verschiedene Zellen im Körper untersucht – inklusive der Zellen, die durch den Tabakkonsum häufig Krebs entwickeln, zum Beispiel Mundschleimhautzellen. Sie ist außerdem eine der ersten Studien, die sich der Untersuchung potenziell längerfristiger Gesundheitsfolgen des E-Zigarettenkonsums widmet.
Veränderungen wie im Lungenkrebsgewebe sieht man auch in den Mundzellen von Rauchern
„Unserer Ergebnisse deuten darauf hin, dass E-Zigaretten und insbesondere deren Langzeitfolgen noch genauer geprüft werden müssen, bevor sie allgemein als ‚95 Prozent sicherer als Zigaretten‘ zur Raucherentwöhnung empfohlen werden. Während sie ein wichtiges Mittel zur Zigarettenentwöhnung darstellen können, ist es wichtig, ihre Risiken und potenzielle Verbindung zu langfristigen Gesundheitskonsequenzen zu erforschen“, erklärt Erstautorin Chiara Herzog aus Innsbruck. „Wir hoffen, dass diese Studie zu einer breiteren Diskussion beiträgt, warum es wichtig ist, sowohl Tabak- als auch den E-Zigarettenkonsum einzuschränken – insbesondere bei Jugendlichen und Menschen, die noch nie geraucht haben.“
„Veränderungen, die in Lungenkrebsgewebe beobachtet werden, können auch in Mundzellen von Raucherinnen und Rauchern festgestellt werden, die (noch) nicht selbst krebsartig sind. Wichtig ist, dass unsere Forschung darauf hinweist, dass Nutzer von E-Zigaretten dieselben Veränderungen aufweisen und, dass diese neuen Produkte möglicherweise nicht so harmlos sind wie ursprünglich angenommen. Langfristige Studien über E-Zigaretten sind erforderlich“, ergänzt Widschwendter.
DNA methylation changes in response to cigarette smoking are cell- and exposure-specific and indicate shared carcinogenic mechanisms with e-cigarette use. Herzog, C. Jones, A., Evans, I., Raut, J.R., Zikan, M., Cibula, D., Wong, A., Brenner, H., Richmond, R.C., and Widschwendter, M. Cancer Reseach 2024 DOI: doi.org/10.1158/0008-5472.CAN-23-2957