Kanadische Studie

Warum sich die Große Pest viel schneller ausbreitete als der Schwarze Tod

ck
Gesellschaft
Pestepidemien verwüsteten Europa während des gesamten Mittelalters und der Renaissance. Forscher konnten nun anhand von Testamenten zeigen, dass sich die Pest in London im 17. Jahrhundert vier Mal schneller ausbreitete als 300 Jahre vorher.

Gen-Analysen von Skelettüberresten deuten nun darauf hin, dass für das große Sterben über die Jahrhunderte hinweg das Bakterium Yersinia pestis verantwortlich war. Historische Aufzeichnungen verdeutlichen die epidemiologischen Muster der Abfolge von Pestepidemien in London vom 14. bis 17. Jahrhundert.

Analyse der Ausbrüche in London vom 14. bis 17. Jahrhundert

Forscher der McMaster University in Hamilton, Kanada, haben die Pestausbrüche in London vom 14. bis zum 17. Jahrhundert anhand Tausender Dokumente untersucht. Ergebnis: Die Übertragung der Seuche beschleunigte sich drastisch zwischen dem Schwarzen Tod von 1348, der schätzungsweise mehr als ein Drittel der Bevölkerung Europas ausgelöscht hat, und späteren Epidemien, die in der Großen Pest von 1665 gipfelten.

Die Wissenschaftler schätzen, dass sich die Seuche im 17. Jahrhundert vier Mal schneller ausbreitete als 300 Jahre vorher. So verdoppelte sich im 14. Jahrhundert die Zahl der infizierten Menschen etwa alle 43 Tage und im 17. Jahrhundert bereits alle 11 Tage.

Das Team aus Statistikern, Biologen und Evolutionsgenetikern schätzte die Sterblichkeitsraten, indem es historische, demografische und epidemiologische Daten aus Testamenten, Kirchenbüchern und der London Bills of Mortality anlysierte.

Testamente geben Einblicke in das Ausmaß der Sterblichkeit

"Zu dieser Zeit machten die Menschen in der Regel Testamente, die aus unserer Sicht ein guter Indikator für die Ausbreitung der Angst und des Todes selbst sind", erläutert  Hauptautor David Earn, Professor in der Abteilung für Mathematik und Statistik bei McMaster und Forscher am Michael G. DeGroote Institute for Infectious Disease Research. Für das 17. Jahrhundert, in dem es im Unterschied zum 14. Jahrhundert neben Testamenten auch offizielle Aufzeichnungen zur Sterblichkeit gab, verglichen die Forscher die einzelnen Quellen und fanden dieselben Wachstumsraten.

Übertragen wurde das Virus wahrscheinlich meist durch Flöhe

Wenig ist allerdings darüber bekannt, wie die Krankheit übertragen wurde. Die Auswertungen legen aber nahe, dass sich das Pestbakterium in diesen Jahrhunderten nicht primär durch Kontakt von Mensch zu Mensch übertrug: Wachstumsraten sowohl der frühen als auch der späten Epidemien stimmen eher mit dem Muster der Beulenpest überein, die durch den Biss infizierter Flöhe übertragen wird.

Die Forscher vermuten zudem, dass die Bevölkerungsdichte, die Lebensbedingungen und kühlere Temperaturen die Beschleunigung erklären könnten.

Die Bakterienstämme veränderten sich nur sehr wenig

"Aufgrund genetischer Beweise haben wir guten Grund zu der Annahme, dass sich die für die Pest verantwortlichen Bakterienstämme in diesem Zeitraum nur sehr wenig verändert haben - das ist faszinierend", sagt Hendrik Poinar, Professor in der Abteilung für Anthropologie bei McMaster, der auch dem Michael G. DeGroote Institute for Infectious Disease Research angegliedert ist und Mitautor der Studie ist.

Aus seiner Sicht geben die Übertragungsmuster historischer Epidemien Aufschluss für das Verständnis von COVID-19 und anderer moderner Pandemien.

David J. D. Earn

, Junling Ma, Hendrik Poinar,http://orcid.org/0000-0003-0506-4794 _blank "hw-author-orcid-logo link-icon-only link-icon"Jonathan Dushoff, Benjamin M. Bolker

, Acceleration of plague outbreaks in the second pandemic, PNAS first published October 19, 2020;https://doi.org/10.1073/pnas.2004904117

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.