Erster Scoping Review

Weibliche Führungskräfte verbessern auch die Gesundheitsversorgung

mg
Gesellschaft
Ein Scoping-Review von 137 Studien zeigt: Die Förderung weiblicher Führungskräfte führt in sechs Bereichen zu besseren Ergebnissen für Unternehmen und Organisationen, auch in Sachen Gesundheit.

Obwohl Frauen weltweit die Mehrheit der Beschäftigten im Gesundheitssektor stellen, spiegelt sich dies nicht in den Führungsrollen im globalen Gesundheitswesen wider. Frauen stellen etwa 70 Prozent des Gesundheitspersonals, haben laut WHO aber nur 20 Prozent der Entscheidungsbefugnisse inne.

Der Organisation Women in Global Health (WGH) 2022 zufolge ändert sich diese Situation nur sehr langsam. Der Anteil der von Frauen geleiteten Delegationen von WHO-Mitgliedsstaaten sei zwischen 2010 und 2021 nur um 3 auf 26 Prozent gestiegen. Unverändert würden etwa 70 Prozent der globalen Gesundheitsorganisationen von Männern geleitet, unter den Vorstandsvorsitzenden betrage der Männeranteil sogar 80 Prozent.

Diese Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen im Gesundheitswesen ist laut WHO eine verschenkte Chance, denn sie führe dazu, dass den Systemen wichtige Perspektiven, Wissen und Fachkenntnisse verloren gehen, was ihre Fähigkeit, die Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten, einschränke. Wenn die gegenwärtigen Trends anhielten, werde die Geschlechterparität unter den CEOs im globalen Gesundheitswesen auch in 40 Jahren nicht erreicht sein.

So effektiv sind Chefinnen

Der neue Scoping Review untersuchte nun die Größe der positiven Effekte, dich sich durch Frauen in Führungspositionen ergeben. Er wertete 137 zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 1. Oktober 2024 veröffentlichte Arbeiten aus. Einschlusskriterium war, dass sich die Studie auf weibliche Führungspositionen einer beliebigen Branche konzentrierte und die Effektivität weiblicher Führungskräfte maß.

Die Forschenden akzeptierten dabei Untersuchungen mit verschiedensten Bewertungsmethoden, darunter quantitative, qualitative und gemischte Methoden. Eingeschlossen wurden nur Studien, die mindestens ein Land betrachteten, das nach der Weltbankdefinition ein mittleres Pro-Kopf-Einkommen im unteren Bereich (lower middle income country, LMIC) aufwies.

Hintergrund: Die Forschung wurde von der Global Financing Facility finanziert, einer Organisation, die sich auf die Verbesserung von Gesundheitssystemen und Gesundheitsergebnissen in LMIC konzentriert. Bezeichnet werden damit Länder, deren Bruttonationaleinkommen pro Kopf zwischen 1.136 und 4.465 US-Dollar liegt (Stand 2022).

Warum Scoping Reviews?

Scoping Reviews werden eingesetzt, wenn man zunächst eine Orientierung über den Stand der Forschungsliteratur haben will. Sie werden beispielsweise erstellt, um Themen beziehungsweise Themenfelder konzeptionell abzugrenzen. Ein Scoping Review ist auch dann sinnvoll, wenn die Literatur noch nicht umfassend bewertet wurde oder wenn sie eine heterogene Problematik aufweist. Sie können auch dazu dienen, die Bedeutung und den Umfang eines angedachten klassischen systematischen Reviews zu bestimmen. Scoping Reviews sind dazu geeignet, um Ergebnisse zu bündeln, Forschungslücken auszuweisen und Empfehlungen für die künftige Forschungsarbeit zu unterbreiten.

Elm E., Schreiber G., Haupt C.C., Methodische Anleitung für Scoping Reviews (JBI-Methodologie), Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, Volume 143,2019, Pages 1-7, ISSN 1865-9217, doi.org/10.1016/j.zefq.2019.05.004.

Die Studien stammen überwiegend aus Ostasien und dem Pazifik (n=70) sowie Südasien (n=40), insbesondere in China (n=37), Indien (n=30) und Malaysia (n=19). Die Studienstichproben umfassten Länder in Afrika südlich der Sahara (n=21), Europa und Zentralasien (n=20), Lateinamerika und der Karibik (n=17), dem Nahen Osten und Nordafrika (n=17) sowie Nordamerika (n=10). Bei acht Studien wurde nicht angegeben, wo die Forschung durchgeführt wurde, sondern dass die Stichprobe global war oder über 120 Länder umfasste.

Die meisten Studien berichteten von einem positiven Einfluss von Frauen in Führungspositionen (positiv und statistisch signifikant: n=119, 87 Prozent; positiv und statistisch nicht signifikant: n=12, 9 Prozent), seltener teilweise von negativen Ergebnissen (negativ und statistisch signifikant: n=35, 26 Prozent; negativ und statistisch nicht signifikant: n=13, 9 Prozent) oder auch Nullergebnissen, also keinen beobachtbaren Effekten (n=33, 24 Prozent). Ungefähr 39 Prozent der Studien berichteten gemischte Ergebnisse über eine Reihe von Indikatoren hinweg. Detailergebnisse waren:

  • Finanzen: 57 Studien haben gezeigt, dass weibliche Führungskräfte die finanzielle Performance von Unternehmen verbessern. Das sind 86 Prozent aller Studien.

  • Innovation: Hier weisen verschiedene Studien auf Vorteile hin. Eine in China durchgeführte Studie zeigt, dass weibliche CEOs mehr Innovationen hervorbringen als ihre männlichen Kollegen. Eine andere Studie zur Bewertung von Innovationen in Schwellenmärkten ergab, dass weibliche Führung in kleinen und mittleren Unternehmen signifikant positive Korrelationen sowohl mit Produkt- als auch mit Prozessinnovationen aufweist. Ebenso ergab eine Studie in 29 Entwicklungsländern, dass Unternehmen innovativer sind, wenn die Topmanager und Eigentümer Frauen sind.

  • Engagement in ethischen Initiativen: Es wurde festgestellt, dass weibliche Führungskräfte das Engagement für die soziale Verantwortung von Unternehmen und andere ethische Initiativen mit Schwerpunkt auf Umwelt und Katastrophenhilfe steigern.

  • Gesundheit: Neun Studien untersuchten explizit die Auswirkungen von Frauen in Führungspositionen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Die meisten von ihnen (78 Prozent) berichteten von positiven Ergebnissen.

  • Organisationskultur und -klima: Fünf Studien berichten von einem positiven Einfluss von Frauen in Führungspositionen auf die Unternehmenskultur und das Unternehmensklima, darunter den Ruf der Organisation, die Mitarbeiterbindung, eine gesteigerte Motivation und intellektuelle Anregung, sowie den Zusammenhalt und die Kommunikation im Team.

  • Einfluss auf die Karrieren anderer Frauen: Auch der Einfluss von weiblichen Führungskräften auf die Karrieren anderer Frauen war positiv (fünf Studien), drei Studien lieferten gemischte Ergebnisse.

Anna Kalbarczyk et al. A scoping review on the impact of women’s global leadership: evidence to inform health leadership: BMJ Global Health 2025;10:e015982.

Literaturliste

  • World Health Organization (WHO). Delivered by women, led by men: a gender and equity analysis of the global health and social workforce. Human Resources for Health Observer Series No 24. 2019. apps.who.int/iris/handle/10665/311322

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