Zahl der Zahnmedizin-Studienplätze soll um 40 Prozent erhöht werden
Seit langem sorgt die desolate Versorgungssituation im Nationalen Gesundheitsdienst Großbritanniens (NHS) für Negativschlagzeilen (zm berichtete). Jetzt soll ein auf 15 Jahre Laufzeit angelegter Plan der britischen Regierung die Wende bringen. Das jüngst vorgestellte 151-seitige Programm enthält auch zahlreiche Absichtsbekundungen, wie die Zahnmedizin im NHS zu reformiert werden soll.
Die British Dental Association (BDA) zeigte sich alles andere als begeistert. In einer Mitteilung hieß es, die Pläne, die Zahl der Zahnärzte zu erhöhen, sei eine sinnlose Übung, wenn nicht zuerst die Unterfinanzierung des Systems behoben werde. Denn es sei diese Unterfinanzierung, die reihenweise die Zahnärzte aus dem NHS vertreibe.
23 Prozent mehr Plätze bis 2028 – 40 Prozent mehr bis 2031
Konkret plant die Regierung eine sukzessive Aufstockung der Zahnmedizin-Studienplätze von 809 (Stand 2022) auf 1.000 bis 2028 und 1.133 bis 2031 sowie eine Vergrößerung der Ausbildungskapazitäten von Dentaltherapeuten (Berufsbild ähnelt dem der Zahnmedizinischen Fachangestellten) und Dentalhygienikern von 370 (2022) auf 475 bis 2028 und 518 bis 2031.
Außerdem will die Regierung mehr tun, um qualifizierte Zahnärzte „zu unterstützen und zu ermutigen, einen größeren Teil ihrer Zeit mit der Erbringung zahnärztlicher Leistungen des NHS zu verbringen“. Wie das konkret geschehen soll, erläutert das Papier jedoch nicht. Man werde die Einführung von Anreizen in Betracht ziehen, heißt es etwa, oder„Möglichkeiten erkunden, die berufliche Entwicklung von Zahnärzten und Zahnpflegefachkräften zu unterstützen und den NHS-Mitarbeitern erfüllende Karrierewege mit Potenzial zu bieten.“
Auch mehr Delegationsleistungen sollen die zahnmedizinische Versorgung verbessern helfen: Bis 2031, so formuliert es die Regierung in ihrem Plan, sollen 15 Prozent der zahnärztlichen Tätigkeit durch Zahntherapeuten und Dentalhygieniker erbracht werden. Zum Vergleich: Aktuell sind es Schätzungen zufolge fünf Prozent. Gleichzeitig soll ein landesweites „Return to Therapy“-Programm entwickelt werden, das reine Dentalhygieniker motivieren soll, wieder auch als Zahntherapeuten zu arbeiten.
BDA hält die geplanten Maßnahmen für falsch
Nach Einschätzung der BDA sind das die falschen Maßnahmen. „Dieser Personalplan ist der jüngste Versuch der Regierung, einen undichten Eimer aufzufüllen“, kommentiert der BDA-Vorsitzende Eddie Crouch. Stattdessen habe die Regierung nur geringfügige Änderungen an dem in Verruf geratenen NHS-Vertrag vorgenommen, was die Zugangskrise weiter anheize, mit der Millionen von Menschen in ganz England konfrontiert seien.
Mehr als die Hälfte (50,3 Prozent) der Zahnärzte, die an den jüngsten BDA-Umfragen teilnahmen, gaben an, ihre NHS-Verpflichtungen seit Beginn der Pandemie reduziert zu haben. 74 Prozent gaben an, dass sie beabsichtigen, ihre NHS-Arbeit zu reduzieren oder weiter zu reduzieren. Entgegen den konsequenten Behauptungen des Premierministers Rishi Sunak, dass sich die Zahl der NHS-Zahnärzte wieder erholt hat, deuteten offizielle Zahlen, die im vergangenen Monat von der BDA im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes eingeholt wurden, darauf hin, dass im Geschäftsjahr 2022/2023 nur 23.577 Zahnärzte NHS-Arbeit geleistet haben, schreibt der Verband. Das seien gut 1.100 weniger als vor der Pandemie.
1.500 Zahnärzte aus Übersee warten auf ihre Zulassungsprüfung
Ende Juni hatte das britische Ministerium für Gesundheit und Soziales angesichts des akuten Engpasses mitgeteilt, dass die automatische Anerkennung der Qualifikationen europäischer Zahnärzte für einen weiteren Zeitraum von fünf Jahren beibehalten werden. Aktuell haben rund 17 Prozent aller in Großbritannien zugelassenen Zahnärzte ihre Qualifikation im europäischen Ausland erworben. Von denen, die 2022 zugelassen worden sind, waren es sogar 37 Prozent. Gleichzeitig gibt es eine Warteliste von rund 1.500 Zahnärzten aus Übersee, berichtet die BDA, die die Zulassungsprüfung ORE (Overseas Registration Examination) ablegen wollen. Es sei gut, hier schnell zu handeln, so der Verband – aber auch das werde die Zugangskrise nicht lösen.