Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Zucker – der Stoff, der Medizin und Zahnmedizin vereint

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Zahnmedizin
Mit einer Pressekonferenz hat die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) am 30. Juni auf die Bedeutung der Ernährung in Medizin und Zahnmedizin aufmerksam gemacht. Dabei ist Zucker der Stoff, der beide Disziplinen vereint.

„Esse Deine Nahrung als Medizin, sonst wirst Du Medizin als Nahrung essen.“ DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger nutzte diesen, dem ärztlichen Urvater Hippokrates zugeschriebenen Satz, um die Bedeutung der Ernährung für die Prävention und Therapie von oralen Erkrankungen deutlich zu machen.

„Ernährung spielt für den gesunden Mundraum eine ebenso entscheidende Rolle, wie sie es auch für den intakten Gesamtorganismus tut. Zucker stellt dabei zweifelsfrei den klassischen ‚Common Risk Factor‘ dar, der Zahnmedizin und Medizin vereint wie kein zweiter Stoff“, so Frankenberger.

In der Zahnmedizin gebe es überwältigende Evidenz dafür, dass mehr Zuckerkonsum immer auch mit mehr Karies einhergeht – und meist auch mit niedrigem sozialökonomischen Status. Umgekehrt korreliert ein niedrigerer Zuckerkonsum mit gesünderen Ernährungsgewohnheiten wie einem erhöhten Anteil von Gemüse und Obst.

Zucker schadet auch dem Zahnfleisch

Prof. Dr. Johann Wölber, Freiburg, betonte, dass hoher Zuckerkonsum nicht nur mit Karies, sondern auch mit Zahnfleischentzündungen assoziiert ist. Nach neueren Untersuchungen „trägt der Zuckerkonsum auch zur Entstehung einer Gingivitis bei und ist mit mehr Parodontitis assoziiert“, so Wölber. Umgekehrt konnten Studien zeigen, dass mit vermindertem Zuckerkonsum auch die Gingivitis zurückging.

Selbst wenn sich die Probanden die Zähne nicht putzten und der Zahnbelag zunahm, gingen unter einer zuckerarmen Diät die Entzündungsparameter am Zahnfleisch zurück. Die „Ernährungstherapie“ wirkt also und schafft über die Mundgesundheit hinaus auch positive systemische Effekte: Mit gesünderer Ernährung nahmen die Probanden auch an Gewicht ab.

Ein „dosisabhängiges Gift“

Der Hamburger Internist und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl, bekannt auch aus dem Fernsehen als einer der vier NDR-Ernährungs-Docs, wies auf die vielfältigen medizinischen Folgen eines hohen Zuckerkonsums hin.

Dabei spiele Fructose, die bei der Verstoffwechselung des Haushaltszuckers entsteht, – entgegen ihrem Image als „gesunder Zucker“ – eine schädliche Rolle: „Fettleber, Diabetes Typ 2, Hypertonus, Krebs, Übergewicht, erhöhte Blutfette und eine beschleunigte Arterienverkalkung sind Folgen eines hohen Fruktosekonsums“, erklärte Riedl und fügte hinzu: „Die Vielzahl an gesundheitlichen Folgen eines hohen Zuckerkonsums erstreckt sich in ein erhöhtes Entzündungspotenzial von Zahn, Zahnfleisch, Gelenken, der Haut und anderer Organe. Des Weiteren wird das Immunsystem geschwächt und die Infektanfälligkeit erhöht sich. Magen- und Darmbeschwerden werden gefördert. Die Darmflora leidet unter hohem Zuckerkonsum“.

Im Lichte dieser Erkenntnisse kann auch nicht mehr jedes Obst pauschal empfohlen werden. Bananen enthalten Riedl zufolge im Vergleich zu ursprünglichen Sorten heute viel mehr Zucker – hier müsse man vorsichtig sein. Er empfahl insbesondere Beerenobst.

Riedl freute sich ganz besonders über die Einladung der DGZMK und lobte das Engagement der Zahnmedizin, Ernährungsfragen in Prävention und Therapie zu thematisieren: „Ich kenne keine Fachrichtung, die sich so intensiv mit diesem Thema befasst.“

von 10 Kg auf 60 kg Zucker pro Jahr und Person

Ernährungsassoziierte Erkrankungen sind den Experten zufolge mittlerweile so verbreitet, dass sie die Hauptursache aller Todesfälle weltweit darstellen. Sie waren sich darin einig, dass der seit Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende und bis heute immer weiter gesteigerte Zuckerkonsum (von circa 10 kg/Jahr und Person im Jahr 1850 auf heute über 60 kg/Jahr und Person) aus medizinischen Gründen zurückgefahren werden sollte. Als Ziel gab Ernährungsmediziner Riedl eine Menge von 25 bis 50 g/Tag an, was einer Jahresmenge von 9 bis 18 kg pro Person entsprechen würde.

Vor diesem Hintergrund ist aus der Sicht der Wissenschaftler auch die Gesundheitspolitik gefordert. Man müsse neben mehr Patientenaufklärung auch über politische Maßnahmen wie Werbeverbote und Zuckersteuer nachdenken. Auch eine bessere Kennzeichnung der Lebensmittel in Supermärkten sei wichtig, weil sich vor allem in Fertigprodukten viel „versteckter“ Zucker befindet

Die Experten

  • Prof. Dr. Johann WölberUniversitätsklinikum FreiburgDepartment für Zahn-, Mund-, und KieferheilkundeKlinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie

  • Prof. Dr. Roland FrankenbergerPräsident der DGZMKDirektorPoliklinik für ZahnerhaltungPhilipps-Universität Marburg undUniversitätsklinikum Gießen und Marburg

  • Dr. Matthias RiedlDiabetologe, Ernährungsmediziner, Internist, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor medicum Hamburg MVZ GmbH

  • Moderation: Markus Brakel, DGZMK

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