Tutzinger Diskurs zum Gesundheitswesen

Den kompetenten Umgang mit Big Data stärken

pr
Was ist für einen kompetenten Umgang mit Big Data im Gesundheitswesen wichtig? Und wie können solche Kompetenzen vor allem bei jungen Menschen gefördert werden? Dazu hat eine Expertengruppe aus Tutzing Lösungsansätze erarbeitet.

Die Chancen und Herausforderungen von Big Data im Gesundheitswesen untersuchte eine interdisziplinäre Expertengruppe im Rahmen des sogenannten Tutzinger Diskurses. Das Ergebnis: Ein Kompetenzpapier, das sich mit Aspekten rund um den Umgang mit der Technologie beschäftigt, sowie ein Paket von Lehrmaterialien, die für die Jahrgangsstufen 10 bis 13 an Schulen eingesetzt werden können.

Das - an vielen Stellen sehr abstrakt gehaltene - Kompetenzpapier trägt den Titel "Kompetenter Umgang mit Gesundheitsanwendungen am Beispiel vom Selftracking-Apps und Big-Data-Anwendungen". Die Experten weisen darin darauf hin, dass gesundheitsbezogene Daten als besonders sensibel gelten. Datenschutz und Anonymisierung spielen hier eine besonders große Rolle. Zugleich gibt es aber hohe Erwartungen an den Einsatz von Big Data im Gesundheitsbereich, so dass auch vor zu viel Datenschutz und regulatorischen Eingriffen gewarnt wird. Auf der anderen Seite betonen die Experten, dass Daten, die zunächst keinen direkten Gesundheitsbezug haben, durch neue Verknüpfungen gesundheitsrelevant werden können -dass zum Beispiel das Konsumverhalten Aufschluss über Gesundheitsprobleme liefern kann.

Der Einsatz von Big Data im Gesundheitswesen ist groß, wie die Autoren in dem Kompetenzpapier unterstreichen. Er reicht von der Telemedizin und neuen Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Epidemien, Prävention, Diagnose, Behandlung und Nachversorgung von Krankheiten, über das "digitale Krankenhaus", bis hin zur individuellen Selbstvermessung und der Erwartung, die eigene Gesundheit stärker selbst in die Hand zu nehmen. Und für den einzelnen ergeben sich viele Vorteile: Medizinische Daten können aufgrund immer besserer Sensorik minimal-invasiv, eigenständig und vor allem ambulant im Alltag erhoben werden. Risikofaktoren sollen schneller bestimmt, Krankheiten schneller diagnostiziert, Therapien und Nachversorgung besser personalisiert werden.

Das Papier zählt verschiedene Aspekte der Kompetenzentwicklung auf:

  • Gesundheitskompetenz:

Chronische Erkrankungen gehören laut Papier zu den zentralen Handlungsfeldern von Prävention und Gesundheitsförderung, viele dieser Erkrankungen lassen sich durch die Beeinflussung von Umweltbelastungen, Lebensverhältnissen und Lebensgewohnheiten verhindern. Hier kommt Gesundheitskompetenz mit ins Spiel. Aufgrund der großen Menge an frei zugänglichen Gesundheitsinformationen wird es immer schwieriger, gesichertes, evidenzbasiertes Wissen zu erkennen. Daher halten es die Autoren des Papiers für zunehmend wichtig, vertrauenswürdige Quellen zu identifizieren. Die Schaffung individueller Gesundheitskompetenz und gesundheitsförderlicher Lebenswelten halten sie deshalb für eine wichtige Aufgabe.

  • Anwendung und Nutzen von mobilen Anwendungen:

Patienten können eine Vielzahl an medizinisch relevanten Parametern (etwa Vitaldaten, Medikamenteneinnahme, subjektives körperliches und seelisches Empfinden) selbst erfassen. Ärzte können diese nutzen und auswerten. Die Autoren weisen darauf hin, dass es wichtig ist, die mobilen Anwendungen auch auf ihre Zweckmäßigkeit zu untersuchen: Oftmals basieren Apps zur Kontrolle und Verbesserung gesundheitsbezogenen Verhaltens auf wissenschaftlich fragwürdigen Konzepten und werden unabhängig von qualifizierter medizinischer Begleitung genutzt. Praktisch immer aber werden sensible Daten erhoben.

  • Selbstverständnis und Selbstverhältnis der Nutzer:

Laut Kompetenzpapier geht es darum, bei den Nutzern auch die Fähigkeit zu stärken, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem erweiterten datengestützten Körperwissen und der leiblichen und geistigen Selbsterfahrung zu schaffen. So können eigenverantwortlich Gestaltungsmöglichkeiten und Maßnahmen ergriffen werden.

  • Empowerment des Patienten:

Die Strategie des Empowerments zielt darauf ab, die Selbstbestimmung über die eigene Gesundheit zu erhöhen und eine größere Unabhängigkeit von professionellen Gesundheitsexperten zu erreichen. Dabei ist für die Autoren des Papiers wichtig, zu klären, welche Personengruppen welche Ressourcen benötigen, um die gesundheitsbezogene Selbststeuerung auch umsetzen zu können

  • Medienkompetenz:

Der kompetente Umgang mit Big-Data-basierten Systemen im Gesundheitsbereich erfordert aufgrund der technischen und ethischen Komplexität einen bedürfnisorientierten und kritisch reflektierten Umgang mit den digitalen Medien. Deshalb fordern die Autoren des Kompetenzpapiers, dass vor allem Kinder und Jugendliche die Risiken und Potenziale von Big Data einschätzen können. Medienkompetenz sollte hier nicht mit isolierten Fähigkeiten (zum Beispiel Fernseh-, Handy-, Computerspiele-, Big-Data-Kompetenz) gleichgesetzt werden, sondern steht für einen kompetenten Umgang mit verschiedenen (digitalen) Medien insgesamt, heißt es in dem Papier.

Lehrmaterialien für Schulen

Grundsätzlich weisen die Autoren des Kompetenzpapiers darauf hin, dass Big Data auch hohe Anforderungen an Recht und Regulierung stellen. Hier gilt es, verschiedene Interessen in Ausgleich zu bringen - zum Beispiel das Interesse der Datenverwerter an Innovationen mit dem Interesse des Einzelnen auf seine Privatsphäre. Und, so warnen die Autoren: "Durch eine zunehmend individualisierte Gesundheitsverantwortung mittels Big-Data-basierter Angebote zeigen sich Tendenzen der Entsolidarisierung im Gesundheitswesen."

Tutzinger Diskurs

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