"Ein Schlag ins Gesicht!"
Von einer "beispiellosen Diskriminierung einer Berufsgruppe" und "einem völligen Politikversagen" war beim Freien Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) die Rede. Für den Bundesvorsitzenden Harald Schrader besteht kein Zweifel: "Parteipolitische Interessen werden augenscheinlich höher angesiedelt als tatsächliche Hilfeleistungen in der Krise", sagte er. Das sei "ein Schlag ins Gesicht" all jener, die seit vielen Jahren "mit hohem persönlichem Einsatz das ambulante Versorgungssystem aufrechterhalten". Mit dem "Krisen-Kredit" vertage man lediglich die wirtschaftlich katastrophalen Auswirkungen für Niedergelassene auf die Folgejahre.
Der Porsche fahrende Zahnarzt - in Politikerköpfen offenbar unausrottbar
Die Karikatur des "Porsche fahrenden Zahnarztes" scheine in Politikerköpfen unausrottbar, bedauerte Schrader und stellte klar, dass trotz ausbleibender Patienten weiterhin Kredite zu tilgen sowie Miete, Nebenkosten und Gehälter zu zahlen seien. Ohne ausreichende Liquidität könnten zahlreiche Niedergelassene während und nach der Krise in die Insolvenz geraten. Damit drohe der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte ein schwerer Schlag.
Tiefe Betroffenheit auch beim Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI). VDZI-Präsident Dominik Kruchen hat Sorge, dass die Verordnung die Existenzbedrohung der Zahntechniker weiter verschärfen würde. Die Zahntechniker seien von dem Corona-bedingten drastischen Rückgang der Patientenbesuche in ihrer Existenz indirekt genauso stark bedroht wie die Zahnärzteschaft, erklärte er. Er appellierte daher erneut an die Bundesregierung, die bei den Krankenkassen für 2020 eingeplanten Finanzmittel für Zahnersatz zur Liquiditätssicherung und damit zur Sicherung leistungsfähiger Versorgungsstrukturen für Zahntechniker und Zahnärzte einzusetzen.
90 Prozent der zahntechnischen Labore machen Kurzarbeit
Kuchen: "Eine Umfrage zeigt, dass in 90 Prozent der zahntechnischen Labore umfangreiche Kurzarbeit besteht. 80 Prozent der Betriebe haben bereits Soforthilfe beantragt. Der Auftragseingang im April kommt einem Arbeitsstillstand gleich. Für das zweite Quartal rechnen die Betriebe nicht mit einer Änderung der Lage und auch für das Restjahr erwartet die überwältigende Mehrheit keine wesentliche Änderung. Kein zahntechnisches Meisterlabor wird über mehrere Monate ohne Zahlungseingänge überleben und ihre qualifizierten Fachkräfte halten können, die für die sichere und gute Versorgung mit Zahnersatz wieder dringend gebraucht werden."
Auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) befürchtet Entlassungen sowie Praxissterben. Da die Patientenzahlen in den meisten Praxen massiv zurückgegangen seien, die Fixkosten aber weiterliefen, könnten viele Praxen schon bald in eine finanzielle Schieflage geraten und Entlassungen vornehmen oder schließen müssen. Dies könnte die Patientenversorgung gerade im Flächenstaat Bayern spürbar verschlechtern.
In Bayern droht ein Praxissterben
Christian Berger, Vorsitzender der KZVB: "Wir haben schon vor der Corona-Pandemie einen Konzentrationsprozess in der Zahnmedizin erlebt. In München gibt es über 2.000 Zahnärzte, gleichzeitig wird die Versorgungslandschaft im ländlichen Raum immer mehr ausgedünnt. Die Corona-Krise dürfte diese Entwicklung beschleunigen. Viele der rund 50.000 Arbeitsplätze in den bayerischen Praxen, darunter ca. 8.000 Auszubildende, werden wegfallen, und es droht ein Praxissterben. Berger warnte: "Die Folge könnten weite Wege und lange Wartezeiten für viele Patienten außerhalb der städtischen Ballungsräume sein". Der von Jens Spahn ursprünglich angekündigte Rettungsschirm für die Zahnärzte wäre aus Sicht der KZVB das richtige Signal zur richtigen Zeit gewesen.
Die KZVB kritisiert auch, dass die Barmer Ersatzkasse im Hintergrund gegen den Rettungsschirm opponierte und das Kurzarbeitergeld für Zahnarztpraxen infrage stellte. "Die Barmer hat wie andere Krankenkassen kaum Einnahmerückgänge zu verzeichnen", erläuterte Vorstandsmitglied Dr. Manfred Kinner. "Außerdem werden die für die zahnmedizinische Versorgung eingeplanten Mittel in diesem Jahr bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Barmer gefährdet durch ihr Vorgehen die wirtschaftliche Existenz vieler Praxen und die über Jahrzehnte gewachsene Versorgungslandschaft in Bayern."
Viele Zahnarztpraxen in Sachsen-Anhalt in existenzieller Not
Große Enttäuschung bei der KZV und die Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt: Hohe monatliche Fixkosten, immense Einnahmeausfälle und horrende Preise für Schutzausrüstung - die Corona-Pandemie habe viele Zahnarztpraxen in Sachsen-Anhalt in existenzielle Not gebracht. Die Zahnärzte und ihre Teams hätten mit großem persönlichen Einsatz von Beginn an und trotz der Angst vor möglichen Infektionen die zahnärztliche Versorgung im Land aufrechterhalten und ein Netz von Schwerpunktpraxen für Corona-Infizierte aufgebaut. In vielen Praxen seien infolge der Pandemie die Patientenzahlen zwischenzeitlich jedoch um die Hälfte und mehr zurückgegangen.
"Die Verordnung des BMI empfinden wir als Schlag ins Gesicht", machte Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt deutlich. Man habe den Eindruck, dass die Leistungen der Zahnärzte und ihrer Mitarbeiter in dieser Krise nicht als systemrelevant angesehen werden.
"Wir haben berechtigte Sorge, dass es nun zu einer deutlichen Verschlechterung der flächendeckenden zahnärztlichen Versorgung in Sachsen-Anhalt kommt, wobei vor allem Praxen in ländlichen Regionen gefährdet sind", warnte Dr. Jochen Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt. Bereits jede vierte der 1.266 Vertragszahnarztpraxen im Land sehe sich perspektivisch von Insolvenz bedroht, wie eine aktuelle Umfrage der Körperschaften ergeben habe.
ZFA: Arbeits- und Ausbildungsplätze gefährdet
Dass sich die Kürzung des ursprünglichen Sozialschutzpakets für Zahnarztpraxen auf einen reinen Kredit unmittelbar auf die Arbeits- und Ausbildungsplätze der mehr als 200.000 Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) auswirken wird, darauf wies der Verband medizinischer Fachberufe (VmF) hin.
"Viele der mehr als 200.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten ZFA werden ihren Job verlieren, viele der mehr als 30.000 Auszubildenden ihren Ausbildungsbetrieb", erklärt Sylvia Gabel, Referatsleiterin ZFA im VmF.
"Bis zum Pandemie-Beginn war die Nachfrage nach gut aus- und weitergebildeten ZFA groß", berichtete sie. "In diesem Beruf wie auch im nachgelagerten Zahntechnikhandwerk gab es mehr freie Stellen als Arbeitslose." Doch wenn jetzt Zahnarztpraxen ihre Mitarbeiterinnen kündigen, dann versuche ein großer Teil der ZFA, in anderen Branchen unterzukommen und steht nicht mehr für die ambulante wohnortnahe zahnärztliche Versorgung zur Verfügung.
Gabel rügt: "Es kann nicht sein, dass die Beschäftigten in Zahnarztpraxen anders behandelt werden als unserer Kolleginnen und Kollegen in Facharztpraxen, die ebenfalls weniger Patientinnen und Patienten betreuen konnten. Die Politik muss nun ihren Anteil dazu beitragen, diese Fachkräfte im ambulanten Gesundheitswesen zu halten und sie als systemrelevante Berufe zu fördern."