Erfindergeist im Berufsstand

Berliner Zahnarzt entwickelt "Luftvorhang" zum Infektionsschutz

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Praxis
Der Berliner Zahnarzt Klaus-Peter Jurkat behandelt seit Kurzem mit einem selbstgebauten „Luftvorhang“. Das Material kommt weitestgehend aus dem Baumarkt; Ziel ist, das Team von der Atemluft des Patienten abzuschirmen.

„Krisen sind immer auch Herausforderungen“ sagt Jurkat, Zahnarzt im Berliner Bezirk Spandau. Bereits zu Beginn der Corona-Krise prognostizierte Jurkat, der vor seinem Zahnmedizinstudium auch sechs Semester Mathematik und Physik studierte, dass die Luftreinhaltung an der Behandlungseinheit ein Thema werden würde und machte sich Gedanken über eine intelligente Lösung für seine Praxis.

Jurkat hat bereits langjährige Erfahrungen mit der Konstruktion technischer Geräte sammeln können – neben seinem Praxisbetrieb entwickelte er vor gut zehn Jahren das mono-okulare Mikroskop dentaZOOM – ein im Vergleich zum OP-Mikroskop preisgünstiges Gerät, das dem zahnärztlichen Generalisten bei der Wurzelkanalbehandlung helfen soll. 2011 bekam er dafür den Dental Innovation Award der Stiftung Innovative Zahnheilkunde.

"Eine Sauglösung würde Höllenlärm machen"

Für sein neues Projekt hat sich Jurkat mit zwei Professoren für Strömungsmechanik zusammengetan und die konkreten Verhältnisse an der Behandlungseinheit analysiert. „Der Goldstandard wäre zweifelsfrei eine Sauglösung, die die aus Patientenmund und -nase kommende Luft absaugt und reinigt.“

Dazu würde man jedoch Hochleistungssauger mit 10 Zentimeter dicken Saugrohren benötigen, deren Enden noch dazu sehr dicht am Patienten positioniert werden müssten, so rechneten es Jurkat und die Strömungsmechaniker aus. „Das Ganze macht zudem einen Höllenlärm“, sagt Jurkat. „Man stelle sich vor, der Patient macht nur für eine 01 den Mund auf und der Sauger legt los. Da ist keine normale Kommunikation mehr möglich.“

Der Versuch mit dem Dummy zeigt im Video die Wirkungsweise des Luftvorhangs:

Wenn das Absaugen unpraktikabel ist, bleibt noch die Möglichkeit, die Atemluft des Patienten einfach wegzupusten. Etwaige mit Viren kontaminierte Aerosole würden zwar im Raum verbleiben, ließen sich aber auf unkritische Konzentrationen verdünnen – vermutete Jurkat.

Das Material kommt weitestgehend aus dem Baumarkt

Er experimentierte mit verschiedenen Lüftern und baute schließlich – weitgehend mit Material aus dem Baumarkt – ein filigranes Gerät, das am Kopfende des Patienten platziert einen konstanten Luftstrom über das Gesicht des Patienten strömen lässt. So entsteht ein regelrechter „Luftvorhang“ zwischen Behandler und Patient.

Anders als zunächst geplant arbeitet das Gerät nicht mit Lüftern, sondern mit Druckluft – zur Versorgung damit wird der an allen zahnärztlichen Behandlungseinheiten verfügbare Kompressor genutzt. Das über der Stirn des Patienten platzierte Rohr besitzt winzige, 0,1 Millimeter dünne Löcher, durch die die Druckluft austritt. Der Luftstrom bläst mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei bis drei Metern pro Sekunde über das Gesicht des Patienten und wird Jurkat zufolge von jenen überwiegend als angenehm empfunden. Auch die Geräuschbelastung soll „gut erträglich“ sein.

Im nächsten Schritt soll der Luftvorhang "abgedichtet" werden

Jurkat und sein Team von dentaZOOM haben das System bereits im praktischen Einsatz, experimentieren aber noch mit verschiedenen Kombinationen aus Lochgrößen, Lochanordnungen und Drücken. Ziel ist, den Luftvorhang soweit abzudichten, dass auch „Störeinflüsse“ wie beispielsweise die Hand des Behandlers optimal vom Luftstrom umschlossen werden.

Jurkat hat seinem Luftvorhang-Projekt den Namen „SuperSonic“ gegeben und wünscht sich einen industriellen Partner, der das System weiterentwickelt und schließlich an den Markt bringt – hierfür kämen beispielsweise die Hersteller von Behandlungseinheiten infrage. Der „SuperSonic“ sei jedoch ein Open-Source-Projekt. Wenn Kollegen Interesse an dem System hätten, sei er gern mit Rat und Tat beim Selbstbau behilflich.

Kontaktdaten und weitere Informationen gibt es auf der Website von Dentazoom .

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