Neuausrichtung bei jameda

Der Anfang vom Ende der Arztbewertung?

Die andauernden juristischen Auseinandersetzungen über die Ungleichbehandlung von zahlenden und nicht-zahlenden Kunden auf dem Arztbewertungsportal jameda hinterlassen ihre Spuren. Die Betreiber haben nun eine Neuausrichtung ihrer Online-Plattform bekanntgegeben, die eine komplette Kehrtwende beim Geschäftsmodell einleiten könnte.

Um ein ärztliches Bewertungsportal zu betreiben, braucht man zwei Dinge: erstens eine vollständige Liste aller Ärzte und zweitens Patienten, die diese Ärzte bewerten. Beides hat jameda und beides wäre – wenn puristisch umgesetzt – auch vollkommen gesetzeskonform. Allein damit jedoch ließe sich ein solches Portal nicht finanzieren und Geld verdienen erst recht nicht. Wer also soll das bezahlen? jamedas Lösung hieß, den Heilberuflern gegen ein Entgelt sogenannte Premiumpakete anzubieten, mit denen diese – je nach Kategorie – ihre Präsenz auf der Plattform verbessern können. Die Geschäftsidee florierte – viele Heilberufler schienen dabei zu hoffen, der Betreiber würde sie als Kunden nebenher auch vor schlechten Bewertungen schützen. Und in der Tat gab es zwischenzeitlich Hinweise, dass diese Kalkulation aufgehen könnte.

Auf der anderen Seite wuchs der Unmut bei den Ärzten und Zahnärzten, die nicht bereit waren, Selbstmarketing über jameda zu betreiben und deshalb auch nicht in der Arztliste des Unternehmens geführt werden wollten. Nach etlichen erfolglosen Anläufen gelang es im Februar 2018 einer Kölner Hautärztin erstmalig, die Löschung ihrer Adressdaten höchstrichterlich durchzusetzen. Entscheidendes Argument war die Ungleichbehandlung zahlender und nicht-zahlender Kunden. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass jameda seine Rolle als „neutraler Informationsmittler“ verlassen hatte, was zu einem „Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin“ führte.

Obwohl die Karlsruher Richter in der Hauptsache „nur“ eine Werbeeinblendung eines zahlenden Kunden im Profil einer nicht-zahlenden Ärztin moniert hatten und jameda diese Praxis umgehend einstellte, war danach klar, dass der im Urteil enthaltene Anspruch, jameda müsse sich als „neutraler“ Informationsmittler verhalten, um die vollständige Arztlistung aufrechterhalten zu dürfen, mit dem Verkauf von Premiumpaketen kaum noch zu vereinbaren ist. Wofür soll der Kunde dann zahlen, wenn er keine Vorteile gegenüber Nichtzahlern hat?

Im März 2019 schließlich konnten sich zwei Zahnärzte und eine Heilpraktikerin vor den Landgerichten Bonn und Wuppertal mit ihrem Anspruch auf Löschung aus der jameda-Arztliste durchsetzen. Das letztlich entscheidende Argument zugunsten der Kläger: die mangelnde Neutralität des Portals.

jameda hat nun offenbar die Konsequenzen aus der sich verdichtenden Rechtsprechung gezogen und eine „Neuausrichtung“ verkündet. Die entsprechende Pressemitteilung titelt: „Vom Arztbewertungsportal zum größten digitalen Mittler zwischen Arzt und Patient“. Der bisherige Claim „Deutschlands größte Arztempfehlung“ unter dem jameda-Logo werde ersetzt durch den Text „einfach zum passenden Arzt“. Patienten können nun im Suchfeld auf der Startseite nicht nur Namen oder Facharztgruppen, sondern auch Erkrankungen, Behandlungen oder Diagnosen eingeben und werden zu den entsprechenden Ärzten geführt. jameda versicherte auf Nachfrage der zm, dass bei dieser Suche zahlende und nicht-zahlende Ärzte gleich behandelt würden. Statt der Arztbewertung durch Patienten steht jetzt das Finden passender Ärzte im Fokus.

Mit der Neuausrichtung verbunden ist eine Hinwendung zu den Heilberuflern, mit denen man künftig partnerschaftlich zusammenarbeiten wolle. Ihnen bietet jameda nun eine „Alles-Aus-Einer-Hand-Lösung für optimierte Prozesse und erfolgreiche Patientengewinnung“ an. Darunter versteht die Firma das Paket aus neu gestalteter Arztsuche, Online-Terminvergabe und Videosprechstunde, wobei die Optionen Terminvergabe und Videosprechstunde mit mindestens 99 Euro pro Monat (ab Premiumpaket Gold pro mit jährlicher Zahlung) zu Buche schlagen. Damit geht das Portal einen großen Schritt in Richtung Patientenmarketing für Heilberufler. Mittelfristig wird mit dieser Entwicklung die Möglichkeit geschaffen, die Plattform notfalls auch ohne Arztbewertungen durch Patienten weiterführen zu können – dann nämlich, wenn sich durch die Rechtsprechung ermuntert immer mehr Heilberufler für eine Löschung ihrer Daten aus der jameda-Arztliste entscheiden.

Momentan profitiert jameda in der öffentlichen Wahrnehmung noch von einer mehr oder weniger vollständigen Auflistung von Ärzten und Zahnärzten in Deutschland. Doch das kann sich ändern, wenn die laufenden Verfahren eines Tages höchstrichterlich zum Abschluss gebracht werden und der Anspruch der Heilberufler auf Löschung ihrer Adressdaten aus der Plattform bestätigt wird.

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