Gewinn durch Verzicht
Die Staatskassen sind leer. Der Bund ist überschuldet, er muss womöglich doch noch mit einem Blauen Brief aus Brüssel rechnen. Die Bundesländer jammern. Und ehedem so steinreiche Krösus- Kommunen wie Frankfurt, Sindelfingen (mit Zebrastreifen aus weißem Marmor und Betriebsstätten von DaimlerChrysler und IBM) oder gar das High-Tech-Dorado München befinden sich in Pleitestimmung. Da klingt es wie blanker Hohn, wenn die derzeit umherziehenden Wahlkämpfer „keine Steuererhöhungen“ versprechen, ja sogar „massive Steuersenkungen“ vorgaukeln.
Die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, bleibt auf dem Boden der Tatsachen. Sie fordert, was der frühzeitig im Zorn abgedankte Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine schon längst durchgesetzt hätte: eine spürbare Erhöhung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist hier zu Lande die Abschöpfungssteuer auf vererbtes Sach-, Grund- und Geldvermögen noch relativ moderat. Wenn diese Steuer angehoben wird, trifft es nicht gerade die Armen im Lande. Und das hält, politisch gewünscht, die Medienschelte in Grenzen.
Wer indessen unverblendet in die Zukunft blickt, baut jetzt vor und nutzt die noch geltenden steuergünstigen Konditionen, um Schenkungs- und Erbschaftssteuern zu vermeiden. Beide Steuerarten werden zu den gleichen Konditionen berechnet. Folgende Fakten sprechen für eine baldige Umverteilung von Vermögenswerten und Kapitalerträgen: Immobilien gehen immer noch mit nur rund 50 Prozent des ihres Marktwertes in die Steuerrechnung ein. Das könnte sich in absehbarer Zeit ändern, wenn demnächst der Bundesfinanzhof ein entsprechendes Verfahren an das Bundesverfassungsgericht weiterleiten wird. Bereits 1995 hatte dieses Gericht die steuerliche Gleichbehandlung aller Vermögensarten angemahnt.
Steuerstrategie
Ein anderer Grund, gerade jetzt seine Steuerstrategie beim Tradieren von Geldvermögen zu überdenken: Die meisten Wertpapierdepots befinden sich, vor allem wenn sie mit Aktien oder Aktienfonds bestückt sind, auf Tiefständen, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten. Bewertungsmaßstab bei einer steuertechnischen Transaktion ist jedoch der (heute recht niedrige) Tageswert.
Die vorausgreifende Steuerentlastung von Vermögen beruht auf drei Koordinaten, mit denen man im Hinblick auf den gewünschten Steuervorteil flexibel jonglieren kann: Schenkung statt Vererbung, Ausnutzung der (noch) lukrativen, sich im Turnus von zehn Jahren erneuernden Freibeträge (Eltern: 307 000 Euro pro Kind und Elternteil; Kinder: 205 000 Euro; Enkel: 51 200 Euro) sowie den viel zu wenig beachteten „Nießbrauch“. Mit dem Nießbrauch behält ein Schenker bis an sein Lebensende beispielsweise die Verfügungsgewalt über und den geldwerten Nutzen am verschenkten Vermögen. Damit bleibt ihm eine Schenkung praktisch erhalten. Er ist nur nicht mehr in rein rechtlicher Hinsicht der Eigentümer.
Ohne dass eine Schenkung im Spiel sein muss, lassen sich mit Hilfe eines so genannten Zuwendungsnießbrauchs Kapitalerträge steuergünstig an andere verteilen, etwa an die eigenen Kinder. Dem Eigentümer bleiben dabei alle Besitzrechte ungeschmälert erhalten.
• DenZuwendungsnießbrauchkönnte und sollte jeder praktizieren, der möglichst noch junge Kinder, zugleich aber auch nennenswerte Mieteinkünfte und/ oder Kapitalerträge hat. Der Steuertrick basiert auf der Tatsache, dass auch unmündige Kinder den Grundfreibetrag (zur steuerbefreiten Existenzgrundlage) in Höhe von jährlich 7 235 Euro in Anspruch nehmen können. Hinzu kommt noch der Sparerfreibetrag in Höhe von 1 550 Euro sowie die Werbekostenpauschale und die Sonderausgabenpauschale in Höhe von insgesamt 87 Euro. Macht zusammen 8 872 Euro.
So viel darf ein Kind jährlich „verdienen“, ohne Steuern zahlen zu müssen. Hat ein Ehepaar zwei noch schulpflichtige Kinder, könnten diesen per Nießbrauch jährliche Einnahmen in Höhe von rund 17 000 Euro übertragen und damit steuerunschädlich gemacht werden. Die Eltern blieben rein rechtlich Eigentümer der Vermögenswerte, aus denen sie ihren Kindern einen Nießbrauch zugewendet haben. Doch Vorsicht, wenn die Kinder als Volljährige Nebeneinkünfte haben. Liegen dann die Jahreseinkünfte des Kindes über 7 188 Euro, entfällt das Kindergeld, auch dann, wenn das betreffende Kind studiert. Werden Kinder an Mieteinkünften beteiligt, muss dieser Zuwendungsnießbrauch ins Grundbuch eingetragen werden. Damit diese Art der Steuervermeidung wasserdicht ist, sollte man auf jeden Fall einen Steuerberater einschalten.
• Auch in Verbindung mitSchenkungen anstelle einer Vererbunggibt es vielfältige Möglichkeiten, steuergünstig einen Nießbrauch zu gestalten. Hier drei Beispiele.
1. Schenken statt Vererben: Die Eltern eines erwachsenen Sohnes, der bereits gut verdient, schenken ihrem einzigen Erben zu ihren Lebzeiten das hochwertige und bezahlte Eigenheim im Wert von rund 400 000 Euro. Sein steuerlicher Wert beträgt 210 000 Euro. Da beide Eltern als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind und beide gemeinsam über ein Wertpapierdepot verfügen, können Sie zugleich aus dem Depot auch Aktien im Wert von 200 000 Euro steuerfrei verschenken. Damit schöpfen sie den alle zehn Jahre gewährten Schenkungsfreibetrag in Höhe von zwei Mal 205 000 Euro voll aus.
Den Rest des Wertpapiervermögens, so ist es geplant, verschenken sie ebenfalls schenkungssteuerfrei in zehn Jahren. Mit der Verschenkung der Immobilie ist der im Grundbuch eingetragene Nießbrauch verbunden, dass beide Eltern bis an ihr Lebensende in ihrem Haus ein unentgeltliches Wohnrecht behalten. Bei einem eventuellen Verkauf der Immobilie gilt dieses Nießbrauchrecht auch für den Käufer. Auch die Dividendenerträge aus den verschenkten Standardaktien gehen per Nießbrauch an die Schenker. Diese haben als Pensionäre im Rahmen ihrer Freibeträge so viel Spielraum, dass keine oder kaum Steuern anfallen – während der Sohn die Kapitalerträge aus den geschenkten Aktien voll versteuern müsste.
Damit sind die Steuersparmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Um sich erkenntlich zu zeigen, zahlt der Sohn seinen Eltern eine monatliche Rente in Höhe von 1 000 Euro – steuertechnisch eine absetzbare Sonderausgabe in Höhe von jährlich um die 12 000 Euro. Die Höhe der Rente darf nicht festgeschrieben sein. Sie sollte jährlich um die Inflationsrate steigen, damit die regelmäßige Zahlung als Sonderausgabe vom Fiskus anerkannt wird. Der Sohn spart so um die 6 000 Euro an Steuern. Das Geld bleibt in der Familie. Die Rente als Dank für die Schenkung muss von den Eltern versteuert werden. Doch im Status des Ruhestands fallen keine oder nur geringe Steuern an.
2. Eine Eigentumswohnung verschenken: Die Eltern einer bereits studierenden Tochter kaufen in bester Lage eine gut zu vermietende, neu erbaute Eigentumswohnung. Gleich nach Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrags schenken sie diese Immobilie ihrer Tochter. Der Kaufpreis der Immobilie war von vornherein so bemessen, dass keine Schenkungssteuer anfällt. Er durfte daher 400 000 Euro nicht überschreiten. Die Eltern als Käufer behalten sich aber den Nießbrauch vor. Das heißt: Die Mieteinnahmen fließen an die Eltern. Die Schuldzinsen für den Immobilienkauf gehen ebenfalls zu ihren Lasten. Sie können jedoch als Werbungskosten mit den Mieteinnahmen verrechnet werden. Hinzu kommt die Steuern sparende Abschreibung in Höhe von fünf Prozent der reinen Baukosten. Diese degressive Abschreibung wird (noch) acht Jahre lang gewährt. Alle mit dem Immobilienkauf verbundenen „Verluste“ können die Käufer von ihrem Einkommen abziehen und sparen dadurch ganz erheblich Steuern.
Zehn Jahre später
Nach zehn Jahren wird das Hypothekendarlehen mit einem Sparplan in einem konservativen, aber mit 14 Prozent Jahresrendite gut rentierlichen Aktienfonds getilgt. Denn das Hypothekendarlehen war klugerweise tilgungsfrei gestellt, damit die steuermindernden Zinsen während der Laufzeit gleich hoch blieben. Die Tochter zieht nach zehn Jahren in das geschenkte, im Wert nicht unwesentlich gestiegene und mittlerweile schuldenfreie Objekt ein. Eltern und Tochter sind noch jung genug, um womöglich noch zwei Mal den alle zehn Jahre gewährten Schenkungsfreibetrag von 205 000 Euro auszunutzen.
3. Die Erbfolge regeln: Ein Großelternpaar schenkt seinem Lieblingsenkel ein Mietshaus im Wert von rund 50 000 Euro. Die Eltern des Enkels, die eigentlich als Erben in Frage kämen, erhalten einen lebenslangen Nießbrauch. Das heißt: Sie kassieren die Mieten, tragen die (nicht unerheblichen) Renovierungskosten und verrechnen beides für sie steuergünstig. Außerdem haben die Eltern des großelterlichen Enkels bis an ihr Lebensende ein komfortables, sicheres und inflationsgeschütztes Zusatzeinkommen. Der Enkel hat zwar nur einen Schenkungsfreibetrag von 51 200 Euro, den er – je nach Alter – womöglich in zwei Tranchen in Anspruch nehmen könnte. Aber der Kapitalwert des Nießbrauchs wird vom Wert der Schenkung abgezogen. Dadurch vermeidet er womöglich die Schenkungssteuer oder mindert sie auf ein Minimum.
Außerdem lässt sich über den Umweg des Nießbrauchs die Erbfolge steuergünstig gestalten. Im Normalfall wäre, bis der Enkel die Miete für ein gut gepflegtes Mietshaus kassieren kann, zweimal eine Erbschaftsteuer fällig geworden. Doch im Rahmen einer klugen und vor allem frühen Schenkung, die in Verbindung mit einem Nießbrauch stand, erhält der intendierte Erbe womöglich völlig steuerfrei das wertvolle Renditeobjekt, ohne dass die natürlichen Vorerben auf die Segnungen dieser Erbschaft verzichten mussten. Ein kaum bedachter Nebeneffekt kommt auch noch zur Wirkung: Die wahrscheinlich nicht unerhebliche Wertsteigerung innerhalb von 20 oder 30 Jahren wird nicht steuerrelevant.
Der langjährige Autor unserer Rubrik „Finanzen“ ist gerne bereit, unter der Telefon-Nr. 089/64 28 91 50Fragen zu seinen Berichten zu beantworten.Dr. Joachim KirchmannHarthauser Straße 2581545 München