Der Weg führt nach Osten
Die Visionen von gestern sind heute schon handfeste Projekte für morgen: Ein ungarischer Zahnarzt lässt sich in Regensburg nieder, ein polnischer Kollege eröffnet eine Praxis in Cottbus und deutsche Patienten lassen sich in Prag oder Bratislava ihre Zähne behandeln. Das Europa des freien Dienstleistungsverkehrs führt voraussichtlich ab 2004 zu einer Öffnung der Märkte im großen Stil.
Dann nämlich treten zehn mittel- und osteuropäische Länder der Europäischen Union bei: Es sind Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Zu einem späteren Zeitpunkt ist der Beitritt Bulgariens und Rumäniens geplant. Die Türkei erfüllt die erforderlichen Kriterien noch nicht.
Eine Frage der Zeit
Seit dem Europäischen Gipfel in Kopenhagen 1993 steht die Ost-Erweiterung auf dem Fahrplan und es war eine Frage der Zeit, wann die einzelnen Länder die Kriterien von Kopenhagen erfüllen, die zum einen die Garantie für eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung und zum anderen die Voraussetzungen zur Wirtschaftsund Währungsunion geben sollten. Auch wenn bis 2004 noch etliche Fragen ungeklärt sind, so machte der Europäische Rat von Laeken am 14. und 15. Dezember 2001 den Weg für die EU-Erweiterung ab diesem Zeitpunkt frei. Und seitens der Bundesrepublik wird der Einigungsprozess politisch stark forciert.
Eine Sonderrolle im Erweiterungsprozess kommt Deutschland zu. Es ist nicht nur unmittelbarer Nachbar Polens, Ungarns und Tschechiens, sondern ist auch auf Grund der kulturellen Nähe zu diesen Ländern – mit Österreich zusammen – stärker betroffen. Dr. Wolfgang Sprekels, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer und zuständig für internationale Angelegenheiten, macht deutlich, dass der Einigungsprozess im zahnärztlichen Bereich etliche Veränderungen mit sich bringen wird. Ange sichts der wirtschaftlichen Bedingungen sei mit möglichen Migrationsbewegungen zu rechnen, denn bei der Öffnung der Grenzen böten gerade Deutschland und auch Österreich attraktive Perspektiven für Zahnärzte aus Mittel- und Osteuropa. Das gelte besonders für die direkten Nachbarländer.
Mittelfristig mehr Chancen als Risiken
Politisch gesehen, aber auch aus der ökonomischen und sozialpolitischen Perspektive heraus, bietet die Ost-Erweiterung mittelund langfristig mehr Chancen als Risiken. Das sieht auch die verfasste Zahnärzte schaft so, die den Einigungsprozess von Anfang an begrüßt hat. Sie spricht sich in diesem Zusammenhang gegen eine Abschottung der Märkte mit planwirtschaftlicher Budgetierung und staatlicher Kontrolle aus und unterstreicht den Gedanken von Liberalität und Erweiterung des Leistungswettbewerbs. So hatte der Vorstand der Bundeszahnärztekammer dazu 1998 Eckpunkte aufgestellt, um die Freizügigkeit der Patienten und die Dienstleistungsfreiheit der Zahnärzte im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu unterstützen. Die BZÄK empfiehlt eine koordinierte Weiterentwicklung der nationalen Gesundheitssysteme nach dem Versicherungsprinzip mit Kostenerstattung und Festzuschüssen im Rahmen einer Grundversorgung.
Das Kernanliegen der Bundeszahnärztekammer bei der EU-Ost-Erweiterung formuliert BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp so: „Unser wichtigstes Ziel ist es, alle Standards für Ausbildung, Fortbildung und Praxisführung in den EU-Ländern konsequent und ohne Verlust an Qualität auch für die neu hinzukommenden Kollegen geltend zu machen.“
Zahnärzterichtlinie – Pläne mit vielen Konsequenzen
Doch will der Präsident auch nicht die Probleme verschweigen, die sich durch den Beitritt für den Berufsstand ergeben. Vor allem gehe es um Aspekte der Qualitätssicherung und des Patientenschutzes. Die hohe Leistung der Kollegen sei unbedingt anzuerkennen. Man müsse jedoch beachten, dass auf Grund der unter anderen politischen Voraussetzungen installierten Ausbildung und Ausübung der Zahn-, Mundund Kieferheilkunde Anpassungsschwierigkeiten vorprogrammiert seien.
Damit weist der BZÄK-Präsident auf einen Prozess hin, der erhebliche Auswirkungen für die zahnärztliche Berufsausübung haben wird und der im Hinblick auf die EU-Ost-Erweiterung noch an Brisanz gewinnen wird. Es geht um den neuen Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie um die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Die Generaldirektion (GD) Markt sieht vor, die bestehenden Richtlinien zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen zu einer einzigen Richtlinie zusammenzufassen. Das klingt zunächst nach einem puren bürokratischen Akt. Dahinter verbirgt sich jedoch ein komplizierter Vorgang mit weitreichenden Konsequenzen für die Zahnärzte.
Zum Verständnis: Nach dem derzeitigen Stand ist die Anerkennung beruflicher Qualifikationen für einzelne freie Berufe in gesonderten sektoralen Richtlinien geregelt. Für den zahnärztlichen Bereich gilt die so genannte Zahnärzterichtlinie 78/686 und 78/687. Sie stammt aus dem Jahr 1987 und wurde mehrfach aktualisiert, zuletzt im Mai 2001, und entspricht damit dem aktuellen Stand. Die Zahnärzterichtlinie geht von dem Ansatz aus, einmalig ein gemeinsames Qualifikationsniveau für die Erlangung eines Diploms vorzuschreiben und anschließend eine automatische Anerkennung der Diplome vorzusehen. Konkret heißt das, dass das Diplom eines deutschen Zahnarztes mit seiner Approbation automatisch in jedem EU-Mitgliedsstaat anerkannt wird. Umgekehrt wird das Diplom eines Zahnarztes aus einem EU-Land automatisch in Deutschland anerkannt. Die Weiterentwicklung der Richtlinie folgt nach Beratung in den so genannten Beratenden Ausschüssen. Diese setzen sich zusammen aus je einem Vertreter des Berufsstandes (BZÄK), der Wissenschaft und des zuständigen Ministeriums.
Beratende Ausschüsse sollen wegfallen
Der neue Vorschlag der Kommission weicht von diesem bewährten Vorgehen ab. Sämtliche Berufe, einerlei, ob es sich um gewerbliche, kaufmännische oder freie Berufe handelt, sollen in einer einzigen horizontalen Richtlinie zusammengefasst werden. Die Beratenden Ausschüsse sollen wegfallen, stattdessen ist nur noch ein Vertreter eines Ministeriums aus jedem Land als Berater vorgesehen. Der Grund sind Bestrebungen zur Verschlankung und Vereinfachung der Verfahren, auch aus Effektivitäts- und Kostengründen.
Auch die Anerkennung von sonstigen Diplomen soll sich künftig ändern. Vorgesehen ist eine Differenzierung nach fünf Berufsqualifikationsniveaus. Dabei entspricht die höchste Stufe fünf einer mindestens vierjährigen Hochschulausbildung. Liegt das Niveau eine Stufe niedriger (Stufe vier sieht eine mindestens dreijährige Hochschulausbildung vor), soll es Regelungen geben, die einem Bewerber die Anerkennung unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem ermöglichen.
Negative Entwicklungen daraus zeichnen sich ab. Dazu gehört unter anderem:
• Eine zentrale Entwicklung der Richtlinien, und damit der Berufsbilder, wird nicht mehr stattfinden
• Die Anerkennung der Diplome muss möglicherweise verstärkt durch Einzelfallprüfungen erreicht werden
• Das Niveau der Ausbildungsqualifikation und der Qualitätsstandard werden sinken
• Die Migration wird massiv behindert
• Die grenzüberschreitende Dienstleistung wird unter einem gesteigerten Verwaltungsaufwand leiden
• Die Entwicklungsarbeit wird unkoordiniert in den Mitgliedsstaaten verlaufen
• Es werden unübersehbare Mehrkosten bei den nationalen und regionalen Behörden bei vergleichsweise geringen Einsparungen auf europäischer Ebene entstehen.
BZÄK Vizepräsident Dr. Wolfgang Sprekels spricht sich vehement gegen die Pläne der EU-Kommission aus. Er erklärt, dass die bestehenden sektoralen Richtlinien ein einfaches Verfahren ermöglichten, um die Gleichwertigkeit von Diplomen festzustellen. Die geplante horizontale Richtlinie stelle keine Verbesserung dar, sondern vielmehr eine Verschlechterung des derzeitigen Modus: „Es erfolgt eine Entlastung Brüssels zu Lasten der einzelnen Länder.“
Fallen die Beratenden Ausschüsse weg, würde der Einfluss des Berufsstandes auf die Anerkennung von Diplomen zurückgedrängt. Es ist damit zu rechnen, dass als nationaler Beamter ein Vertreter des Arbeits-, Bildungs- oder Wirtschaftsministeriums eingebunden ist, statt aus dem Gesundheitsministerium, da es sich um die Anerkennung von Qualifikationen aus allen Bereichen handelt. Eine Einbeziehung zahnärztlichen Sachverstandes dürfte bei der Fortschreibung der Richtlinie kaum noch möglich sein.
Zu rechnen ist auch damit, dass die Sonderstellung der Freien Berufe weiter eingeschränkt wird, da sie vom Ansatz her gewerblichen Berufen gleichgestellt sind.
Auch die Besonderheiten der zahnärztlichen Ausbildung werden in den neuen EU-Plänen nur noch in einem kurzen Abschnitt berücksichtigt. Es wird zwar wie bisher auf eine fünfjährige Ausbildung und einen Fächerkanon Bezug genommen, damit ist auch ein höheres Qualifikationsniveau als bei anderen Berufen eingeräumt. Für die Gebietsbezeichnungen Kieferorthopädie und Oralchirurgie wird der bestehende Anhang zur Zahnärzterichtlinie übernommen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass im Rahmen der Vereinfachung diese Sonderregelungen nicht weiter aktualisiert und möglicherweise aufgehoben würden.
BZÄK setzt alle Hebel in Bewegung
Die Bundeszahnärztekammer hat von Anfang an hier massive Auswirkungen für die Zahnärzteschaft gesehen und alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt, um Schaden vom Berufsstand abzuwehren. Dank ihres Brüsseler Büros war es möglich, diese Entwicklungen von Anfang an sehr genau zu verfolgen und auf allen Ebenen einzuwirken. Dr. Weitkamp fordert energisch: „Der Bürger und der Patient haben ein Recht darauf, dass eine objektive und neutrale Bewertung der Diplome stattfindet. Bei Defiziten in den Standards müssen Übergangsfristen greifen.“
In einer ausführlichen Stellungnahme an das Bundeswirtschaftsministerium weist Dr. Sprekels im Namen der Bundeszahnärztekammer noch einmal auf ihre massiven Bedenken und die Vielzahl von Vorbehalten gegen den Richtlinienvorschlag hin. Das Papier, das in Abstimmung mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung ergeht, fordert erneut und mit Nachdruck, dass der Richtlinienvorschlag zurückgezogen und die Beratenden Ausschüsse beibehalten werden. „Ohne die Beratenden Ausschüsse ist eine Fortentwicklung des zahnärztlichen Berufsbildes nicht möglich“, heißt es. Und im Hinblick auf die EU-Ost-Erweiterung: „Gerade bei der Frage der Anerkennung der Berufsqualifikationen in den künftigen Beitrittsländern hat es sich gezeigt, wie wichtig die sektoralen Richtlinien und die Hinzuziehung der Stellungnahmen der Beratenden Ausschüsse sind.“ Gerade in diesen Staaten habe sich herausgestellt, dass eine Konformität mit der sektoralen Richtlinie nicht gegeben sei.
Mit vereinten Kräften dagegen
Mit allen Verbänden und auf allen Ebenen werden die Aktivitäten gebündelt, berichtet Dr. Sprekels, und zwar sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene. So arbeitet man eng mit den übrigen Heilberuflern zusammen.
In persönlichen Gesprächen mit Vertretern der EU-Kommission haben Weitkamp und Sprekels immer wieder ihre Bedenken gegen den Richtlinienvorschlag vorgetragen. In einem Schreiben haben sie die deutschen Kommissare Michaele Schreyer und Günter Verheugen angesprochen: „Die Formulierung von Ausbildungsstandards ist nicht nur ein Problem der Diplom-Anerkennung. Ausbildungsstandards bilden die wesentliche Grundlage für die Qualität unserer Berufsausübung und sind gleichzeitig Maßstab für die das gesamte Berufsleben begleitende Fortbildung“, betonten die beiden Präsidenten.
Ebenso sind alle deutschen Europa-Abgeordneten und die Mitglieder des parlamentarischen Ausschusses für Umweltfragen, Gesundheit und Verbraucherschutz sensibilisiert worden. Bedenken hat die Bundeszahnärztekammer auch gegenüber dem Zahnärztlichen Verbindungsausschuss zur EU (ZÄV) deutlich gemacht, der seinerseits Initiativen ergriffen hat.
Terminiert sind weitere Gespräche, unter anderem mit dem zuständigen Referenten der Kommission, Jonathan Stoodley, mit den Brüsseler Repräsentanten der medizinischen Freien Berufe und dem deutschen Botschafter in Brüssel, Dr. Wilhelm Schönfelder.
Brisant: Die Anerkennung von Diplomen
Die Kommission hat als weitere Maßnahme zur Vorbereitung der Erweiterung Reisen in die potentiellen Beitrittsländer mit entsprechenden Expertengesprächen organisiert. Ziel der Reisen ist es, festzustellen, ob in den Ländern die Voraussetzungen nach der EUZahnärzterichtlinie erfüllt sind. Bei einer Expertenanhörung im Dezember letzten Jahres wurde deutlich, dass der Kommission aus Gründen der Vereinfachung daran gelegen ist, möglichst nur einen formellen Abgleich vorzunehmen. Als Leitfaden für einen späteren Bericht hat sie deshalb einen ausführlichen Fragebogen vorgelegt.
Falls die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, muss festgestellt werden, welche Schritte noch unternommen werden müssen. Die Berichte aller Reisen sind Grundlagen für die Frage, ob die zahnärztlichen Diplome mit dem Beitritt automatisch anerkannt werden, oder ob Übergangsfristen beziehungsweise ergänzende Berufserfahrung oder weitere Tests für die Zulassung notwendig sind.
Vizepräsident Sprekels formuliert die Bestrebungen der BZÄK: „Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Kollegen aus den Beitrittsländern, die in unser Land kommen, auch die entsprechenden Voraussetzungen für die Berufsausübung mitbringen.“ Die Qualifikation müsse dem EUStandard entsprechen. Dazu sei eine sachgemäße Überprüfung der Qualifikation erforderlich. Soweit die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, plädiere die BZÄK auch ganz stark für angemessene Übergangsfristen, um einerseits die Qualität der zahnmedizinischen Versorgung EUweit zu garantieren und andererseits den Kollegen aus den Beitrittsländern genügend Zeit zu geben, entsprechende Qualifikationen zu erwerben.
Eine entscheidende Rolle
Dank des Einflusses des Brüsseler Büros und persönlicher Kontakte zur EUKommission ist es gelungen, dass die Bundeszahnärztekammer bei den Expertengesprächen eine entscheidende Rolle spielt. Es war möglich, den Justitiar der BZÄK, Dr. Peter Kurz, als nationalen Experten für die EUKommission zu benennen und zu den Reisen in die beiden wichtigsten Beitrittsländer Polen und Tschechien zu entsenden.
Das Fazit der Reisen war aufschlussreich. Die Situation der zahnmedizinischen Ausbildung in Polen und Tschechien erweist sich als sehr ähnlich. In Polen geht man von einem medizinischen Ansatz aus, der Zahnarzt wird als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gesehen. Entsprechend besteht das Curriculum zu über 60 Prozent aus medizinischen und zu unter 40 Prozent aus zahnmedizinischen Inhalten. Die Zahl der Stunden liegt erheblich unter dem EUDurchschnitt. Es besteht keine der Approbationsordnung vergleichbare Prüfungsordnung.
In Tschechien werden die Zahnärzte nach einem zahnmedizinischen Studium als Doktoren der Medizin bezeichnet, sie haben eine Spezialisierung auf zahnärztlichem Gebiet. Auch hier zeigen sich Defizite bezüglich des Anteils der zahnmedizinischen wie praktischen Ausbildung. Einer der Approbationsordnung vergleichbare gesetzliche Regelung existiert nicht. All dies ist mit der EUZahnärzterichtlinie nicht vereinbar.
Die Expertengespräche für die übrigen Beitrittsländer sind noch nicht abgeschlossen und es liegen noch nicht alle Fakten auf dem Tisch. Es zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass die Situation in den meisten Ländern vergleichbar ist. Es wird deutlich, dass die Konformität mit den EU-Richtlinien nicht gegeben ist.
Die Bundeszahnärztekammer kann einen weiteren großen Erfolg für sich verbuchen: Sie ist von der Kommission beauftragt worden, nicht nur einen Bericht über die Reisen nach Polen und Tschechien zu verfassen, sondern darüber hinaus den Gesamtbericht für alle zwölf Beitrittsländer zu fertigen. Auf diese Weise besteht jetzt die Möglichkeit, zahnärztlichen Sachverstand in den Bericht massiv einzubringen. Der BZÄK-Bericht wird Grundlage für die Stellungnahme der Kommission sein. Auf diese Weise können die Belange der Kollegen in den EU-Ländern wie in den Beitrittsländern verstärkt mit einfließen. Für Dr. Sprekels ist dies ein klarer Beweis, dass professioneller Lobbyismus vor Ort auch entsprechende Früchte trägt. Sein Fazit: „Besser geht´s nicht!“
Konferenz der Kammern Mitteleuropas
Seitens der Europäischen Regionalorganisation ERO im Weltzahnärzteverband FDI ist die EU-Ost-Erweiterung ein zentrales Thema. Fünfmal hat bereits eine Konferenz der mitteleuropäischen Zahnärztekammern stattgefunden, die von der Bundeszahnärztekammer initiiert und ausgerichtet wurden. Dabei ging es um einen intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch beim Aufbau eines freiberuflichen Gesundheitswesens und demokratischer Selbstverwaltungsorganisationen.
Auf der letzten ERO-Sitzung in Dubrovnik Ende April 2002, in der auch mittel- und osteuropäische Kammern vertreten sind, hat man beschlossen, dass das ERO-Sekretariat künftig über das Brüsseler Büro der BZÄK geführt werden soll. Eine ERO-Arbeitsgruppe hat sich formiert, die sich mit dem Thema der Erweiterung beschäftigt (die zm werden gesondert berichten).
Auch wissenschaftlich wird die EU-Ost-Erweiterung seitens der Zahnärzteschaft untermauert. So hat das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ), Köln, zusammen mit der GVG eine Untersuchung über die Perspektiven der Gesundheitssysteme Mittel- und Osteuropas vor dem Hintergrund des Beitritts in Vorbereitung. Hierbei werden Aspekte der zahnmedizinischen Versorgung besonders berücksichtigt.
Ein Prozess mit vielen offenen Fragen
Der Stellenwert von Gesundheitspolitik im europäisch Einigungsprozess ist in den letzten Jahren deutlich größer geworden. Es besteht eine Vielzahl von noch offenen und ungeklärten Fragen. Das betrifft langfristig auch den Beitritt der Länder Mittel- und Osteuropas. Zu nennen ist immer wieder der Aspekt der Harmonisierung oder Konvergenz der Systeme. Dazu erklärte zum Beispiel Dr. Hans Stein vom Bundesgesundheitsministerium auf der Euroforum-Konferenz Ende Februar in Köln: „Nach wie vor ist der Erhalt der nationalen Kompetenz für die Ausgestaltung der Gesundheitssysteme unerlässlich. Pluralität und Vielfalt der nationalen Gesundheitssysteme müssen und werden erhalten bleiben.“
Die Europäische Union hat im letzten Sommer für Politikbereiche, die nicht harmonisiert sind, eine Methode der offenen Koordinierung vorgeschlagen. Dieser Aspekt wird derzeit in Brüssel intensiv diskutiert. Für Furore hat in diesem Zusammenhang die Forderung der spanischen Ratsvorsitzenden José Maria Aznar gesorgt, eine Harmonisierung der Sozialsysteme herbeizuführen. Der Bundesrat hat vor kurzem in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass es eine schrittweise Harmonisierung durch die offene Koordinierung nicht geben darf.
Auf dem informellen erstmaligen Treffen aller EU-Gesundheitsminister Anfang Februar in Malaga wurde eine Analyse des Ist-Zustandes der Gesundheitsversorgung in Europa initiiert. Das Treffen hat einen Stein ins Rollen gebracht. Die BZÄK wird dazu am 5. Juni 2002 einen Europatag in Berlin zum Thema grenzüberschreitende Leistungen veranstalten.
Fakt ist inzwischen auch, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) immer mehr die Gesundheitspolitik bestimmt und damit Versäumnisse der nationalen Politiker sozusagen durch die Hintertür der Rechtsprechung aufholt. Das betrifft die wegweisenden Urteile zum Thema grenzüberschreitende Leistungen.
Auf der Ratstagung in Barcelona im März 2002 wurde beschlossen, dass die EU-Kommission innerhalb eines Jahres Pläne für eine EU-einheitliche Krankenversicherungskarte ausarbeiten soll. Gebilligt wurde ein Bericht der Kommission über das Gesundheitswesen und die Altenpflege in der EU. Darin sind erste Ansätze für die Methode der offenen Koordinierung enthalten.
Die Entwicklung geht weiter. Im Grenzgebiet der Niederlande, Deutschland und Belgien trägt das Euregio-Projekt der grenzüberschreitenden Leistungen bereits gute Früchte. Es dürfte aber noch lange dauern, bis sich ein solches Projekt auch im Rahmen der EU-Ost-Erweiterung realisieren lässt.
Für die Belange der Zahnärzte und ihrer Patienten setzt sich die Bundeszahnärztekammer in Brüssel und vor Ort ein und begleitet alle Prozesse mit zahnärztlichem Sachverstand. Zu den nächsten Schritten gehört eine Schwerpunkt- Vorstandssitzung in Brüssel.