WHO-Symposium zur Prophylaxe

Die Salzfluoridierung in Mittel- und Südamerika auf dem Vormarsch

Nachdem in der Schweiz und seit einigen Jahren auch in Deutschland und Frankreich die Kochsalzfluoridierung große Erfolge in Bezug auf die Kariesprophylaxe erzielt hat, gelangt neuerdings auch in großen Teilen Südamerikas das „goldene“ Salz in die dortige Kochtöpfe.

Die Pan American Health Organization (PAHO) feierte in diesem Jahr als Regionalorganisation der WHO bereits ihr 100-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass veranstaltete sie vom 1. bis 4. Mai 2002 unter dem Motto „Public Health 2002“ im Palaco de las Conventiones von Havanna einen internationalen Kongress mit dem Ziel der weiteren Gesundheitsanhebung in den mittelund südamerikanischen Ländern. Neben anderen Gesundheitsthemen stand auch die Kariesprävention auf dem Programm. Zur Diskussion standen die verschiedenen Methoden der Fluorid (F)-Darreichung und die mit ihnen weltweit erzielten Ergebnisse sowie Fragen des F-Metabolismus, der Fluoridbestimmung in den Fingernägeln sowie des Dentalfluorose-Risikos unter den unterschiedlichen klimatischen und nutritiven Bedingungen.

Kochsalzfluoridierung

Der Schwerpunkt der Diskussion lag allerdings auf der Kochsalzfluoridierung (SF), ihren Vor- und Nachteilen sowie ihrer weiteren Entwicklung und Umsetzung. Die Vorsitzende, Maritza Sosa Rosales, machte die über 50 Teilnehmer des Symposiums mit dem in Kuba etablierten System der zahnärztlichen Betreuung bekannt, insbesondere mit dem strategischen Konzept zur weiteren Anhebung der oralen Gesundheit (Programma de fluoruracion de la sal de consumo humano, Habana 2002). Die Salzfluoridierung wird mit Erfolg seit mehreren Jahren in Jamaika, Mexiko, Belize, Costa Rica, Ekuador, Kolumbien, Venezuela, Bolivien, Peru und Uruguay praktiziert. In der Regel erfolgt die F-Anreicherung des Speisesalzes auf 200 bis 250 mg F/kg, häufig auch mit der Jodierung verbunden, die mitunter integraler Bestandteil der nationalen Gesundheitsprogramme ist. Die Einführung der SF steht darüber hinaus in der Dominikanischen Republik, in Guatemala, El Salvador, Honduras, Nikaragua und Paraguay in Vorbereitung (Trevor Milner), während sich Brasilien (42 Prozent der Population) und Argentinien für die Trinkwasserfluoridierung entschieden haben. Auf jeden Fall überholen die mittel- und südamerikanischen Länder die in Europa mehr oder weniger stagnierende Weiterentwicklung der Salzfluoridierung.

44 Prozent Kariesreduktion

Besonders beeindruckende kariesstatistische Ergebnisse nach Einführung der SF im Jahre 1987 sind aus Jamaika bekannt. Die seinerzeit bei den 12-Jährigen mit 6,7 DMFT besonders hohe Kariesprävalenz konnte im Zeitraum bis 1995 auf 1,1 DMFT zurückgeführt werden, und dies bei gleichzeitigem Anstieg des Anteils kariesfreier Kinder auf 61 Prozent. In Mexiko kam es nach neun Jahren zu einer 44-prozentigen Kariesreduktion.  

In Kuba soll die SF in diesem Jahr anlaufen und bis Ende 2004 75 Prozent der Bevölkerung erreichen. Der Konzipierung des Programms ging die Erstellung eines landesweiten Katasters über die Fluoridkonzentration des Trinkwassers voraus (in über 92 Prozent der Proben deutlich unter 0,7 ppm F), ebenso wie die vergleichende Analyse der Kariesprävalenz und der Schmelzfleckenhäufigkeit im Kindesalter sowie die Produktionsvorbereitung der Fluorid-Anreicherung des Speisesalzes in den drei größeren Salinen des Landes (M. S. Rosales). Auf das Vorkommen unterschiedlich ausgeprägter Dentalfluorosen in den F-reichen Trinkwassergebieten der Provinz Holguin (1,6 bis 3,6 ppm F) wurde bereits in den siebziger Jahren aufmerksam gemacht (Soto Padron und Künzel 1976/77). Das in den Salinen Camaguey, Guantanamo und Tunas produzierte Salz soll mit Kaliumfluorid auf 200 bis 250 mg F/kg angereichert werden. Das Präventionsprogramm bezieht auch die regelmäßige biologische, chemische und zahnärztliche Überwachung der SF ein.

F-Spülungen in den Schulen

Neben dieser werden in den Schulen die bereits seit den siebziger Jahren in 14-tägigem Rhythmus mit NaF-Lösungen durchgeführten Mundspülungen (Sechs- bis 15- Jährige) weitergeführt, ebenso wie die ein bis zweimal jährlich vorgenommenen Applikationen eines F-Lackes bei den drei- bis Fünfjährigen. Die Ergebnisse sind beeindruckend. So ging die Kariesprävalenz der Zwölfjährigen in den Jahren von 1973 bis 2000 landesweit von 6,0 auf 1,6 DMFT zurück. Dies steht im Einklang mit den eigenen kariesstatistischen Erhebungen in Kuba (zm 1999;89:246-248), ebenso wie mit den Ergebnissen der in den Nachkongresstagen in der Provinz Havanna, La Salud, erneut durchgeführten Stichprobenerhebung (Zwölfjährige 1,1 DMFT bei über 50 Prozent Kariesfreiheit). Der nationale Kariesrückgang über die zurückliegenden 25 Jahre dürfte sich mit dem Mundspülprogramm erklären lassen. Andere F-Ressourcen stehen seit 1990 nicht zur Verfügung. Fluorid-Zahnpasten werden auf dem freien Markt ebensowenig angeboten wie Zahnbürsten. Die vom Verein für Zahnhygiene e.V. in Darmstadt kostenlos zur Verfügung gestellten Zahnbürsten lösten deshalb nicht nur wegen ihrer schönen Farbgebung unter den Kindergarten- und Schulkindern helle Begeisterung aus. Es sei deshalb auch auf diesem Wege noch einmal für die Unterstützung der Aktion gedankt.

Erosionen durch Orangenkonsum

Die zeitweiligen Einschränkungen in der Ernährungssituation haben in der jugendlichen Population zu einem bemerkenswerten Habit geführt: Den übermäßigen Orangenkonsum zwecks Überwindung von Vitamin- Mangelzuständen. Die spezielle Form des Orangenkonsums in Kuba (Einbeißen und Aussaugen der geteilten Zitrusfrüchte) erhöht das Risiko dentaler Erosionen an den oberen mittleren Schneidezähnen, die mit der Zeit V-förmig abgetragen werden. Bei den Zwölfjährigen in La Salud fanden sich fast 50 Prozent der Kinder mit unterschiedlich ausgeprägten Erosionen. Ihre Befragung ergab, dass sie täglich zwei bis vier Orangen konsumieren. Man wird deshalb nicht nur der Kariesprävention Aufmerksamkeit widmen müssen, sondern auch der Vermeidung dieses Hartsubstanzverlustes durch konstruktive Aufklärung der Bevölkerung.

Insgesamt darf man gespannt sein wie sich die Kariesprävention im Nachgang des PAHO-Kongresses und in ihrem Ergebnis die orale Gesundheitssituation über die kommenden Jahre in Mittel- und Südamerika entwickeln wird.  

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Walter Künzel

WHO-Kollaborationszentrum

„Prävention oraler Erkrankungen“

Nordhäuser Straße 78,

99089 Erfurt

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.