Leitartikel

Nichts geht mehr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im deutschen Sozialversicherungssystem steht uns das Wasser bis zum Hals. Das geben selbst Koalitionäre der Bundesregierung inzwischen zu. Doch was tun Menschen, die Gefahr laufen zu ertrinken? Sie werden versuchen, sich zu retten, die Gefahrenzone zu verlassen. Das wäre normal!  

Die Vorgaben der verantwortlichen Bundesministerin lauten anders: Ulla Schmidt macht die Schotten dicht und gibt allen Beteiligten erst einmal den Befehl, kräftig zu trinken. Als Lösungsansatz fast schon komisch, leider aber fataler Irrglaube. Denn die Problemflut wird unweigerlich weiter steigen. Rot-Grün will im Gesundheitswesen 3,5 Milliarden Euro „einsparen“. Schlucken müssen das in erster Linie die Leistungsträger des Systems, damit zwangsläufig – mittelbar oder unmittelbar – die Bevölkerung. Zuerst untergehen werden die „Kleinsten“. Das sind – abgesehen von den Praxen, die der Ausdünnung in der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung zum Opfer fallen – vor allem die Patienten. Weitere Leistungseinschränkungen sind angesichts dieser Pläne unvermeidbar. Geplant ist eine „Nullrunde“ für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser – ein Vorschlag, der schon 1985 von Norbert Blüm eingebracht, aber nicht umgesetzt wurde. Jetzt will Rot-Grün das Budget vollständig einfrieren. Nicht genug, dass schon in den vergangenen Jahren die Budget-Anpassungen unter die Inflationslinie zielten. Man will uns noch weiter in die Knie zwingen. 

Würzen lässt sich das noch durch Vorschläge von Verfassungsrichterin Renate Jaeger: Die Zahnärzte können sich ja im Rahmen des Budgets durch Mischkalkulationen über Wasser halten. Unsere klare Antwort: Zahnheilkunde ist kein Angebots- Markt, Patienten können ihren Befund nicht beliebig wählen. Die roten Zahlen kann man mischen wie man will, sie bleiben rot.  

Aber das Sparmodell schröpft diesmal nicht nur die heilberuflichen Leistungsträger des Systems. Ulla Schmidt will auch die Höchstpreise für zahntechnische Leistungen um zehn Prozent absenken. Wie würde wohl Frau Jaeger reagieren, wenn ihr Salär mal eben um ganze zehn Prozent gekürzt würde? Mischkalkulieren?  

Erstmals werden auch die GKV-Verwaltungen in das Not-Sparmodell einbezogen: Beitragssatzanhebungen sollen „verboten“ werden. Durchaus sinnvoll, wenn man bedenkt, dass die Zahnärzteschaft sich in den letzten drei Jahren mit einer „Anpassung“ ihrer Grundlohnsumme von weniger als fünf Prozent begnügen musste, dagegen die GKV-Verwaltungskosten um maßlos satte 11,4 Prozent stiegen. Inzwischen liegen allein in diesem Bereich die GKV-Ausgaben mit 7,5 Milliarden Euro schon um 100 000 Euro über dem, was die gesamte Zahnärzteschaft an Honoraren erhält. Trotzdem bliebe selbst dieses Vorhaben nur ein Schlag ins steigende Wasser. Zu stoppen ist das weder durch Streichung des Sterbegeldes noch durch (Wieder)-Einführung von Arzneimittelfestbeträgen und -sparpaketen.

Vorab flutend wirkte auch das lange Hin und Her um die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze: Abgesehen vom Übergriff auf das System der privaten Krankenversicherer hat das allenfalls zur Abwanderung derjenigen freiwillig Versicherten geführt, die der nutzlosen Herumschwimmerei der Bundesregierung in der letzten Legislatur nicht länger zuschauen wollten.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Innerhalb des Systems geht nichts mehr. Das hektisch präsentierte Sofort-Paket der Bundesregierung taugt nicht mal als Schwimmring. Ohne grundlegende Schritte Richtung einer wirklichen Reform wird es dabei bleiben: Wer durch Umverteilung oder Kürzung mehr Geld ins System pumpt, macht kurzfristig Wellen, ändert aber nichts an den Ursachen der Probleme.  

Eine grundlegende Reform wird auch für diese Legislaturperiode wieder in Aussicht gestellt. So sie ernst gemeint ist, stehen wir Zahnärzte mit Sachverstand zur Verfügung. 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rolf Jürgen LöfflerVorsitzender der KZBV

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