Weltkongress der Arbeitsgemeinschaften Zahnärztlicher Behindertenbehandlung
In dem sommerlich warmen, zeitweise auch sintflutartig regnerischen Athen fand Anfang September 2002 eine Tagung der höchsten Wissenschaftlichkeit, aber auch der bestechend praxisnahen Kompetenz statt. Entsprechend waren auch die Themen, die das „Scientific Committee“ unter der Leitung des Tagungspräsidenten Prof. Kouvalas, Athen, ausgewählt hatte.
Insgesamt waren 27 Nationen gemeldet mit zirka 300 Teilnehmern. Stärkste Nation war naturgemäß das gastgebende Griechenland, gefolgt von den traditionell starken Skandinaviern. Deutschland war mit immerhin elf Teilnehmern und sechs Vorträgen präsent.
Chronische Erkrankungen in der Mundhöhle
Unter den zu diesem Themenkomplex gehaltenen Vorträgen war der Beitrag von Dr. Carlos Salinas, USA, „Über die oralen Manifestationen bei genetisch bedingten Krankheiten“ von großem Interesse. Klinische Genetik wird immer wichtiger für das Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Die Häufigkeit und Verbreitung von genetisch bestimmten Krankheiten, die kraniofazialen Strukturen mitbetreffen, verlangen ein grundsätzliches profundes Wissen der behandelnden Zahnärzte.
Andere Vorträge erläuterten die Zusammenhänge von chronisch fortschreitenden Veränderungen rheumatischer, stoffwechselbedingter oder genetischer Art, der Parodontien und der Zahnhartgewebe, wobei insbesondere die Arbeiten der Kollegen aus den Entwicklungsländern naturgemäß einen breiten Rahmen einnahmen.
Interdisziplinärer Ansatz: orofaziale Themen
Wie auf jeder dieser Tagungen nahm die Therapie der orafazialen Dysfunktionen einen breiten Raum ein. Die weiterhin gültigen Behandlungsansätze von Castillo-Morales, Garliner und Pardovan wurden aktualisiert und intensiv diskutiert.
Der Vortrag von Dr. Roger Hall, Australien, „Interdisziplinäre Behandlung von komplexen Kinderkrankheiten“ hob die Wichtigkeit der Früherkennung, der Spezialisierung der Therapeuten und des gesamten medizinischen Teams hervor. Ein Leiter und Koordinator in dem Team sind Vorausetzung für eine erfolgreiche multidisziplinäre Zusammenarbeit.
Behandlungsstrategien bei Erkrankungen Behinderter
Die Prinzipien in der konservierenden, chirurgischen, prothetischen und auch prophylaktischen Zahnheilkunde zielen auf die Sicherung des Langzeiterfolges ab. Die deutschen Referenten Cichon, Witten, Holthaus, Bad Segeberg, und Kaschke, Berlin, wiesen in ihren Referaten darauf hin. Unter Berücksichtigung einer eventuell notwendigen Behandlung in Intubationsnarkose oder in Sedierung sind Therapiemaßnahmen anzuwenden, die einfach und sicher durchzuführen sind. Dies gilt sowohl für die prothetische Versorgung, die auf komplizierte Verbindungselemente verzichten muss, als auch für die chirurgische und konservierende Behandlung, die möglichst zahnerhaltend sein soll.
Ein wichtiger Aspekt ist die Einbeziehung der Prophylaxe (Zahnputztechniken). Die Intensivierung der Mitarbeit des zahnärztlichen Hilfspersonals, wie DH und ZMF, ist eingefordert worden.
Ethische Zahnheilkunde
„Sorge um die Patienten und Sorge um die Finanzierung – ein ethisches Dilemma“. So formulierte Dr. Emmanouil Dimitris seinen Beitrag und fasste damit ein Thema an, das in der gesamten Welt Aktualität besitzt. Die Abwägung zwischen Kosten und Nutzen der medizinischen Versorgung unter Beachtung einer annehmbaren Lebensqualität kann Gewissenskonflikte unter dem Druck der steigenden finanziellen Engpässe hervorrufen. Ein Thema, was uns sicher noch in der Zukunft verschärft begleiten wird.
Workshops und Seminare
Workshops und Seminare ergänzten die Veranstaltung. Hier wurde in kleinen Gruppen die praktische Arbeit an den behinderten Patienten thematisiert. Zur Verbesserung der Instruktionen des Betreuungspersonals fanden die Kurse „Train the Trainer“, zur Intensivierung der Sedationssicherheit und der ambulanten Behandlung die Kurse „Out of Office Care“ und „Sedation 2002“ statt. Nicht nur Wissenschaft und Praxis der Behindertenbehandlung, sondern auch gesundheitspolitische Visionen sind Ziele der IADH.
Der IADH-Council als geschäftsführendes Organ der Weltorganisation tagte ebenfalls am Rande des Kongresses. Deutschland ist in diesem Council mit zwei Sitzen durch den Vorstand der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft für zahnärztliche Behindertenbehandlung“, Dr. Holthaus und Dr. Gerstenberger, vertreten. Auf den Weg gebracht wurden mehrere nationenübergreifende Arbeitsgruppen, die sich mit der Einbindung der Entwicklungsländer in die IADH, die Erstellung einer für die Mitglieder zugänglichen Website, der Weiterführung eines gemeinsamen Journals sowie der strukturierten Ausbildung der zahnärztlichen Behandler beschäftigen.
Insbesondere der letzte Aspekt ist wichtig für die zukünftige Arbeit. Eine in den USA durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass lediglich drei bis fünf Prozent des Unterrichts an zahnärztlichen Einrichtungen für „special care“ aufgewendet wird. Die über 80 Prozent der Behandler arbeiten in der Praxis, sind aber gemessen an der Gesamtzahl der Zahnärzte nur etwa fünf Prozent. Diese erschreckenden Zahlen sind – so glaubt der Autor – auf Deutschland sicher ohne wenn und aber zu übertragen. Dies zeigt die Miesere der zahnärztlichen Behindertenbehandlung auch bei uns – der Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Und unsere eigenen Organisationen bremsen uns noch aus!!
Der Council rief die Mitglieder auf, sich für ein verstärktes Engagement der Zahnärzteschaft auf nationaler Ebene einzusetzen.
Dem möchte ich zum Schluss an dieser Stelle nachkommen. Bitte helfen Sie, die zahnärztliche Behandlung unserer behinderten Patienten zu verbessern. Treten sie der deutschen Arbeitsgemeinschaft für zahnärztliche Behindertenbehandlung innerhalb der IADH bei. Nur eine hohe Anzahl von Kollegen, eine starke Lobby findet Gehör, sowohl bei den Kostenträgern als auch bei den Körperschaften.
Korrespondenzadresse:
Dr. Volker Holthaus
Vors. Arbeitsgemeinschaft Zahnärztliche
Behindertenbehandlung
Kurhausstraße 5, 23795 Bad Segeberg
Tel: 04551-91288, Fax:04551-2761,
E-Mail;