Bei chronischer Gesichtsschwellung an den Morbus Morbihan denken
Erstmals wurde im Jahr 1957 von Degos ein Patient mit persistierender Rötung und ödematöser Schwellung der oberen Gesichtspartien beschrieben. Degos nannte die Erkrankung in Bezug auf die Landschaft in Südfrankreich, in der diese Beobachtung erfolgte, Morbus Morbihan.
Die typischen Merkmale des Mb. Morbihan sind sein chronischer Verlauf, fehlende laborchemische Kriterien, nahezu frustrane Therapiemöglichkeiten und besonders unspezifische histopathologische Veränderungen, wie granulomatöse Entzündungen beziehungsweise angiofibromatöse Entzündungsreaktionen mit Lymphozyten und epitheloidzelligen Histiozyten im Bereich der Dermis. Klinisch findet man bei diesen Patienten ein persistierendes Erythem und als typisches Kriterium ödematöse Schwellungen des Gesichts. Auf dieses eher seltene Krankheitsbild wird in der Literatur noch nicht so häufig hingewiesen. Es soll daher ein junger Soldat mit Morbus Morbihan beschrieben werden. Vergleichend wird ein älterer Soldat mit einem ausgeprägteren Hautbefund vorgestellt.
Anamnese
Es stellte sich ein 22-jähriger Soldat vor, der seit etwa vier Jahren über eine Rötung im Bereich der Stirn, der seitlichen Nasenpartien und der Wangen klagte. Nach Genuss von Alkoholika oder scharf gewürzten Speisen habe er eine Zunahme der Erytheme bemerkt. Einige Zeit vor der dermatologischen Vorstellung seien zusätzlich zu der Erythembildung Papeln und Pusteln aufgetreten. Eine Einnahme von Anabolika oder Vitaminpräparaten wurde verneint. In der Familienanamnese konnten keine dermatologisch relevanten Erkrankungen erfragt werden.
Befragt zu anderen Erkrankungen, insbesondere zu internistischen Besonderheiten, konnten zunächst keine Angaben gemacht werden.
Aufnahmebefund
Bei der stationären Aufnahme des Patienten konnten abgesehen von der Hauterkrankung des Gesichts keine pathologischen internen oder neurologischen Veränderungen festgestellt werden.
Hautbefund
Der Patient war bei der stationären Aufnahme bereits extern mit antibiotikahaltigen Cremes anbehandelt worden, so dass sich nach seinen Angaben bereits die pustulösen und papulösen Effloreszenzen des Gesichtes gebessert hatten. Dennoch konnten im Bereich der Stirn, der Wangen und paranasal vermehrt Pustelbildungen festgestellt werden. Komedonen konnten nicht gesehen werden. Besonders auffällig waren die Erytheme der Stirn und Wangen mit vermehrten Teleangiektasiebildungen. Bei genauer Inspektion der Gesichtshaut ließen sich auch Talgdrüsenhyperplasien objektivieren.
Das übrige Integument und die Schleimhäute waren unauffällig.
Erst nach der Behandlung der zunächst augenfälligen Gesichtseffloreszenzen bemerkte man eine teigige Schwellung der Stirn- und weniger der Wangenpartien.
Labor und Untersuchungsbefunde
Im Routinelabor waren pathologisch: Harnsäure 7,09mg/dl (Norm bis 7); GPT 28,1U/l (Norm bis 22); Alk. Phosphatase 183 U/l (Norm bis 175); Bilirubin ges. 2,32 mg/dl (Norm bis 1,10).
Immunologie
Keine Auto-Antikörper der ANA/ENA oder ANCA-Gruppe, keine Autoantikörper gegen Leber, Magen oder Darm nachweisbar. Keine spezifischen IgE-Antikörper gegen inhalative Allergene, Nahrungsmittel, Penicilline. Das Gesamt-IgE war in der Norm.
Infektionsserologie
Pathologisch waren: Helicobakter pylori-ELISA-IgG, Borrelia burgdorferi-ELISA-IgM (Verdacht auf frühe Borrelieninfektion), Hepatitis-C-Virus (anti-HCV) – Mittels PCR wurde HCV-RNA nachgewiesen. Serologisch handelte es sich um eine aktive (frische oder chronische) Hepatitis-C-Virus-Infektion.
Keine Immunreaktionen gegen Hepatitis-Aund -B-Virus.
Sonographie des Abdomen
Mit Ausnahme der Milz (vergrößert 13x6 cm) war in der Norm.
Weiterhin unauffällig
Sonographie der Schilddrüse, Ruhe-EKG, Röntgen-Thorax, Augenarzt-Konsil.
Zahnärztliches Konsil
Zahn 16 kariös
Leberbiopsie
Morphologisch unverdächtiges Lebergewebe mit geringfügigen reaktiven Veränderungen. Die verifizierte Hepatitis-C hat am vorliegenden Material keine relevanten Leber-Parenchymschäden bewirkt.
Histologie der Haut
Histologisch in verschiedenen Schnittpräparaten und Spezialfärbungen Gewebe aus dem Bereich der Haut, an der Oberfläche von einem etwas plump aufgebauten, sonst regelrecht geschichteten verhornenden Plattenepithel bedeckt. Das Korium verbreitert und zum Teil narbig fibrosiert. Hier herdförmig betont entzündliche Infiltrate aus Lymphozyten und Plasmazellen. Die Entzündung peripher akzentuiert. Eine Eosinophilie liegt dabei nicht vor. Im Bereich eines Haarfollikels ein fraglicher Rest von Demodex. In der Tiefe einzelne Mastzellen. Keine granulomatösen Veränderungen.
Begutachtung: Chronisch-rezidivierte Dermatitis und Dermatofollikulitis mit narbenartiger korialer Fibrose. Kein Anhalt für Malignität. Keine Hinweise auf einen Lupus erythematodes. Es findet sich eine etwas ungewöhnliche narbenartige Fibrose des Koriums.
Therapie
Aufgrund des anfangs massiveren Befalls des Gesichtes mit Papeln und Pusteln entschlossen wir uns zu einer Behandlung mit systemischen Retinoiden (Isotretinoin 50mg/die) und lokal einem erythromycinhaltigen Externums. Hierunter stabilisierte sich der Hautbefund sehr schnell. Die papulösen und pustulösen Effloreszenzen bildeten sich zurück. Die Gesichtsröte persistierte jedoch. Auffällig wurde nach Abheilen der akniformen beziehungsweise rosaceaartigen Herde eine teigige Verdickung der Dermis, besonders im Stirnbereich, weniger der Wangen.
Unter der Therapie mit Isotretinoin erfolgte die serologische Untersuchung beziehungsweise Kontrolle der Leber- und Nierenparameter sowie der Triglyceride und Cholesterine. Es fielen erhöhte Werte für GPT, alkalische Phophatase und Bilirubin auf. Im Rahmen der weiteren Diagnostik konnte serologisch eine Hepatitis-C-Infektion (Genotyp 1b) objektiviert werden.
Anamnestisch kommt hierfür als Infektionsmöglichkeit ein „Blutaustausch” im Kleinkindesalter in Polen in Betracht.
Unter konsiliarischer Mitbetreuung und anschließender Verlegung des Patienten auf die Innere Abteilung wurde die tägliche Dosis von 50 mg Isotretinoin auf 30 mg reduziert. Hierunter stabilisierte sich der Hautbefund weiter. Die Laborparameter blieben konstant, es konnte kein Anstieg der pathologischen Werte festgestellt werden.
Die teigige Verdickung der Gesichtshaut insbesondere der Stirn ließ keine Veränderung erkennen. Da zwischenzeitlich sämtliche Papeln und Pusteln abgeheilt waren und der Patient mit dem Hautbefund zufrieden war, entschlossen wir uns auf Grund der verifizierten Hepatitis C, die interne Behandlung mit Retinoiden auszusetzen und nur eine externe Therapie mit erythromycin- oder metronidazolhaltigen Cremes durchzuführen. Der weitere Verlauf der Rosacea beziehungsweise des hieraus resultierten Mb. Morbihan bleibt abzuwarten.
Diskussion
Wie bereits eingangs gesagt, beschrieb Degos 1957 in Anlehnung an die Landschaft in Südfrankreich, aus der die erste Patientenbeobachtung stammt, erstmals das Krankheitsbild des Morbus Morbihan mit seiner chronischen Schwellung des Gesichtes, insbesondere der Stirn, der Glabella, der Augenoberlider oder der Wangen. Häufig findet sich auch ein lange persistierendes Gesichtserythem, wie etwa bei dem jungen Soldaten. Der ältere Patient, der schon seit Jahren von uns dermatologisch betreut wird und bei dem die Erkrankung ausgeprägter in Erscheinung tritt, klagt heute nicht mehr über eine derartige Erythembildung des Gesichts. Dafür lässt sich eine stärkere Ödematisierung beziehungsweise Fibrosierung feststellen. Jansen und Plewig schreiben, es handele sich eigentlich nicht um ein Ödem, sondern um eine Bindegewebsvermehrung. Sie sind der Ansicht, dass dieses persistierende Gesichtsödem, der Mb. Morbihan, eine seltene Komplikation der Rosacea darstellt und sich auf dem Boden einer chronischen Entzündung entwickelt. Unsere beiden Patienten klagten ursprünglich über rosaceaartige Effloreszenzen, wie Papeln, Pusteln und vereinzelt Teleangiektasien.
Hölzle schreibt, die Ätiologie des Mb. Morbihan sei nicht bekannt, es wären jedoch Mikrozirkulationsstörungen und Mechanismen, wie sie der Rosacea angeschuldigt werden, zu diskutieren. Inwieweit die Demodex folliculorum-Milbe ursächlich noch in Frage kommt, bleibt zu erwägen. Auch bei unserem Patienten konnten histologisch Reste dieser Milbe gefunden werden.
Ähnlich dem rezidivierenden Erysipel könnte es durch das chronische, persistierende Erythem der Rosacea zu degenerativen Veränderungen des perivaskulären Bindegewebes kommen und somit zu einer Schädigung des Lymphgefäßsystems, in dessen Folge dann eine weitere vermehrte Fibrosierung entstehen kann.
Zusammenfassend entwickelt sich der Mb. Morbihan meist aus einer Rosazea. Seine typische Klinik sind Schwellungen und Erytheme der Stirn, Glabella, Augenlider, Nase und Wangen. Ein anfangs teils ausgeprägtes Gesichtsödem mit rötlich-violettem Kolorit geht später in eine derbe Fibrose über.
Die Therapie gestaltet sich oft schwierig beziehungsweise ist vielfach frustran. Neben einer internen und externen Behandlung der Rosacea mit erythromycin- oder metronidazolhaltigen Cremes und oralen Retinoiden (Isotretinoin – 13-cis-Retinsäure) werden Massagen der ödematösen Schwellungen vorgeschlagen. Es sollen morgens und abends durch kreisende Fingerbewegungen über Stirn, Nase und Wangen zweiminütige Lymphdrainagen durchgeführt werden. Diese Massage ist zwar wegen ihrer hyperämisierenden Wirkung umstritten. Sie soll aber das Ödem der entzündeten Haut beseitigen. Wir haben auf diese Lymphdrainagen des Gesichtes wegen des noch ausgeprägten Erythems bei dem jungen Soldaten zunächst verzichtet. Dem älteren Patienten wurde die Behandlung angeraten. Es konnte jedoch nur ein mäßiger Erfolg festgestellt werden.
Da histologisch vielfach – wie auch bei unseren Morbihan-Erkrankten – Mastzellen gefunden werden, wird eine Therapie mit Mastzellblocker, zum Beispiel Ketotifen, in Kombination mit Isotretinoin für vier bis fünf Monate vorgeschlagen.
Bei unseren beiden Patienten haben wir von einer langfristigen internen Behandlung des Mb. Morbihan abgesehen, weil bei dem jungen Patienten nebenbefundlich eine Hepatitis-C-Infektion bekannt ist und dem älteren Soldaten, einem Piloten, aus flugmedizinischen Gründen diese Medikamente verwehrt sind.
Die oben genannte Karies der Zähne dürfte keinen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen haben.
Zusammenfassung
Da häufig auch der Zahnarzt auf nicht fachbezogene Fragen seiner Patienten, zum Beispiel auf Fragen des dermatologischen Formenkreises, die das Gesicht beziehungsweise die Mundregion betreffen, antworten muss, soll wegen der doch weniger bekannten Variante der Rosacea, dem Mb. Morbihan, dieses Krankheitsbild näher betrachtet werden.
Es stellte sich im Bundeswehrzentralkrankenhaus ein junger Soldat vor, der seit Jahren über eine Rötung, Papelbildung und besonders eine Pustulation des Gesichtes klagte. Während der Therapie konnte eine Verdickung der Stirnhaut festgestellt werden. Das Korium der Stirn war histologisch verbreitert und narbig fibrosiert. Eine Therapie mit intern Retinoiden und extern antibiotikahaltigen Cremes führte zwar zur Abheilung der Papeln und Pusteln, hatte aber keinen Einfluss auf das pathologisch veränderte Korium (Lederhaut).
Abteilung III Dermatologie,
Venerologie und Allergologie
Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz
Sebastian Kneipp Strasse 1a
56072 Koblenz
Anschrift des Verfassers:
OFA Dr. B. Sorhage
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz,
Abt. III
Rübenacherstr. 170
56072 Koblenz