Klinkenputzern wird's heimgezahlt
Ein Rechtsstreit zwischen dem deutschen Ehepaar Heininger und der Münchener Hypovereinsbank landete unter dem Aktienzeichen C-481/99 vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Der Sachverhalt: Eine auf Kapitalanlagen spezialisierte Vertriebsorganisation hatte die Heinigers in ihrer Wohnung aufgesucht, ihnen den Erwerb einer Immobilie schmackhaft gemacht und ihnen von der Hypovereinsbank die Hypotheken gleich mitvermittelt. Die mit der Bayerischen Vereinsbank fusionierte Bayerische Hypothekenund Wechselbank war bekannt dafür, dass sie von so genannten Strukturvertrieben ihr Hypothekengeschäft ankurbeln ließ. Dabei nahm die Bank in vielen Fällen wohl bewusst in Kauf, dass die provisionsgierigen „Strukkies“ weit überteuerte und am freien Markt nur schwer verkäufliche Objekte gleichsam nach Hausierermethoden an den Mann brachten.
Der für den Käufer bequeme Immobilienerwerb samt Finanzierung aus einer Hand, zumeist ohne Ortsbesichtigung rein nach Prospekt im heimischen Wohnzimmer, wurde zu einem Massengeschäft. Der Haustürvertrieb kam so richtig in Schwung, als auf Grund gigantischer Steuervergünstigungen (50 Prozent Abschreibung auf die Baukosten gleich im Jahr der Anschaffung) die Bauindustrie den Markt mit Ostimmobilien überschwemmte. Im Zuge dieses Kaufrausches sitzen heute nach einer Schätzung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen einige hunderttausend Investoren auf Objekten, die gar keine oder nur verlustträchtige Magermieten erwirtschaften und im Wert nicht selten auf den halben Kaufpreis gesunken sind.
Den entstandenen Schaden durch den Verkauf von Häusern, Wohnungen oder auch geschlossenen Anteilen an gewerblich ausgerichteten Immobilienfonds veranschlagt die oberste Verbraucherzentrale auf rund neun Milliarden Euro. Allein bei der Hypovereinsbank gelten knapp über 100000 Kreditverträge zum Erwerb von Immobilien als fremdvermittelt. Deren Volumen soll bei knapp 14 Milliarden Euro liegen.
Unter bestimmten Bedingungen, so entschied nun der Europäische Gerichtshof am 13. Dezember 2001, können Immobilieninvestoren, die sich in ihrer Wohnung von einem Objektkauf samt der Finanzierung aus einer Hand überzeugen ließen, das in aller Regel verlustträchtige Geschäft wieder rückabwickeln. Nach der EU-Richtlinie 85/577 EWG hat nämlich jedermann, der „an der Haustüre“ ein mit Krediten finanziertes Geschäft abschließt, ein Widerrufsrecht.
Wurde er über dieses Recht nicht auf schriftlicher Basis aufgeklärt, wurde das Recht auf Widerruf nicht separat unterschrieben, ist laut EU-Recht ein solches Geschäft widerrechtlich oder nur „schwebend wirksam“ gewesen. Es kann, so entschied das höchste europäische Gericht, ohne Zeitbegrenzung wieder rückgängig gemacht werden.
Widerrufsrecht
Das Ehepaar Heininger hatte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen wollen, ob das Widerrufsrecht bei kreditfinanzierten Haustürgeschäften auch für Immobilien gilt. Philippe Léger, Generalanwalt beim EuGH, hatte dafür plädiert. Die Hohen Richter waren seinem Plädoyer gefolgt. Die deutschen Gerichte, die zuvor in diesem Fall geurteilt hatten, waren der Meinung gewesen, dass nach dem deutschen Verbraucherkreditgesetz kein Widerrufsrecht besteht.
Selbst wenn es nach dem Haustürwiderrufsgesetz bestehen würde, wäre es auf ein Jahr nach Abschluss des Kreditvertrags befristet. Diese Rechtsauffassung, so urteilte Luxemburg, gehe mit dem EU-Recht nicht konform und sei erst recht nicht auf kre ditrelevante Haustürgeschäfte anwendbar. Damit stehen jetzt alle Kreditverträge zum Immobilienkauf zur Disposition, sofern sie als Haustürgeschäft gelten und keine Belehrung über das Widerrufsrecht enthalten. Nach Einschätzung der Verbraucherverbände dürfte die fehlende Rechtsbelehrung die Regel gewesen sein. Aus diesem Versäumnis folgt: Die per Haustürgeschäft abgeschlossenen Immobilien-Kaufverträge können für unwirksam erklärt werden. Das bedeutet im Klartext: Ein verlustreiches Immobiliengeschäft lässt sich rückgängig machen, ohne dass der Käufer einen finanziellen Schaden zu erleiden hat.
Wer nun die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in diesem Sinne nutzen möchte, muss nachweisen können, dass tatsächlich ein Haustürgeschäft stattgefunden hat und dass im Kreditvertrag die Belehrung über einen Widerruf fehlt. Die Kredit gebenden Banken, die sich freier Vertriebsorganisationen bedient haben, werden sich wohl nur in ganz seltenen Fällen freiwillig aus einem Kreditvertrag zurückziehen und Schadenersatz leisten. Sie werden in der Regel den geschuldeten Beweis nur auf Grund eines erneuten Richterspruchs akzeptieren. Wer also erfolgreich um die Rückabwicklung eines verlustreichen Immobiliengeschäfts klagen will, sollte überzeugende Beweise und einen kompetenten Anwalt in der Hinterhand haben.
Ein Haustürgeschäft liegt klar auf der Hand, wenn ein Immobilienverkäufer den Interessenten auf Grund einer Terminvereinbarung in seiner Wohnung aufgesucht hat und hier das entscheidende Verkaufsgespräch, zumeist in Verbindung mit der Kreditvermittlung, stattgefunden hat. Auch wenn der Erstkontakt am Arbeitsplatz oder bei einer Freizeitveranstaltung zu Stande gekommen war, der formelle Abschluss aber im Büro des Anbieters besiegelt wurde, besteht nach Meinung des Münchner Anwalts Dr. Rudolf Meindl „eine gute Chance, ein Haustürgeschäft mit den daraus resultierenden Folgen geltend zu machen“.
Unwirksamkeit
Sind beide Tatbestände erfüllt, Haustürgeschäft und unterlassene Belehrung über das Widerrufsrecht, kann ein Kreditvertrag, der an eine Immobilie gekoppelt ist, auch im Nachhinein (und zwar für unbegrenzte Zeit) widerrufen werden. Ein solcher nachträglicher Widerruf macht nicht nur den Kreditvertrag hinfällig. Er bewirkt letztlich auch die Unwirksamkeit des Kaufvertrags über die kreditierte Immobilie.
Das bedeutet in der Praxis gemäß dem deutschen Verbraucherkreditgesetz: Der Kreditgeber, also die Bank, tritt in die Rechte und Pflichten des Immobilienkäufers ein. Sie muss das Objekt gleichsam als nicht verkauft an den Bauträger weiterreichen und versuchen, sich bei diesem schadlos zu halten.
Im Rahmen der Rückabwicklung bekommt der Kreditnehmer und Immobilienkäufer zwar die gezahlten Zinsen und Tilgungsraten erstattet. Aber im Gegenzug muss er die eingenommenen Mieten an die Bank zurückzahlen. Auch das Finanzamt kommt ins Spiel.
Es verlangt bei einem rückabgewickelten Immobilienerwerb selbstverständlich alle Steuervorteile, die der getäuschte Käufer in Anspruch genommen hat, wieder zurück.
Der langjährige Autor unserer Rubrik „Finanzen“ ist gerne bereit, unter der Telefon-Nr.089/64 28 91 50 Fragen zu seinen Berichten zu beantworten.Dr. Joachim KirchmannHarthauser Straße 2581545 München
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