Per Score abgestempelt
Würde es die Schufa nicht schon seit 75 Jahren geben, man müsste sie neu erfinden. Denn diese Schutzgemeinschaft auf Gegenseitigkeit hilft der Geschäftswelt, sich zumindest ein grobes Bild von der Kreditwürdigkeit der zumeist unbekannten Geschäftspartner zu machen. Weiß etwa ein Lieferant von einem Kunden, dass dieser schon mehrfach Waren auf Rechnung bestellt, aber nicht bezahlt hat, kann er gut und gerne auf Lieferung verzichten und sich womöglich vor einem Verlust schützen. So ist durchaus verständlich, dass sich Banken bei der Kontoeröffnung, Telefonfirmen vor der Freischaltung eines Anschlusses, Kreditkartenorganisationen und gelegentlich auch Vermieter beim Vertragsabschluss die so genannte „Schufa-Klausel“ mit unterschreiben lassen. Denn wer in Vorleistung tritt, möchte gerne wissen, ob er einem neu gewonnenen Kunden, Mieter oder Leasingnehmer trauen darf.
Damit die Schufa halbwegs verlässliche Auskünfte über die Bonität eines Bundesbürgers oder einer Firma geben kann, benötigt sie Informationen. Die bekommt sie in erster Linie von ihren Mitgliedern aus der Geschäftswelt. So melden Banken jeden Darlehensvertrag. Sie informieren die Schufa über jeden Not leidenden Kredit, Darlehen also, die trotz Mahnung nicht mehr mit Zinsen bedient oder nicht getilgt wurden. Jeder geplatzte Scheck wird gleichsam an die Schufa weitergereicht. Jeder von der Bank vorfristig fällig gestellte Kredit wird ihr gemeldet. Werden angemahnte Rechnungen nicht bezahlt, vor allem die des Versandhandels, kennt die Schufa alsbald diesen Fall. Das gleiche gilt für offen gebliebene Telefon-, Strom- oder Gasrechnungen wie auch Leasingraten oder unbeglichene Forderungen aus Kreditkartenzahlungen.
Glücksrad
Doch die von der Schufa attestierte Bonität ist mehr oder minder ein Resultat vom Glücksrad. Die Schufa sammelt nämlich primär nur negative Finanzinformationen. Vor allem diese bekommt sie von ihren Mitgliedern prompt geliefert. Sie weiß nichts über das Einkommen oder das Vermögen der gespeicherten Personen. Sie erfährt auch nicht, ob ein Verbraucher eine bestellte Ware reklamiert hat und sich deshalb weigert, die Rechnung zu bezahlen.
Sie weiß nicht, ob eine Rechnung unbezahlt blieb, weil sie unberechtigt oder irrtümlicherweise überhöht war, was im Telekommunikationsgeschäft nicht selten vorkommt. Selbst wenn gerichtlich geklärt ist, dass eine Ware oder Dienstleistung wegen Fehlerhaftigkeit oder unzumutbarer Mängel nicht bezahlt werden muss, erfährt die Schufa in aller Regel davon nichts. Obwohl von seiner Zahlungsverpflichtung freigesprochen, bleibt der Delinquent bei der Schufa angeschwärzt.
Plus und Minus
Doch die Schufa ist auch ehrgeizig. Sie will nicht nur allein auf der Grundlage von Negativinformationen arbeiten. Sie möchte vielmehr ihrer Klientel im Hinblick auf die gespeicherten Personen eine realistische Einschätzung ihrer Kreditwürdigkeit bieten und hat deshalb eine so genannte Score-Bewertung entwickelt. Nach einem Punktesystem (zwischen Null und 1000) soll auf einen Blick die Bonität des Bewerteten einzuschätzen sein. Pluspunkte gibt es beispielsweise, wenn jemand pünktlich und problemlos Kredite bedient und getilgt, Leasingverträge erfüllt hat oder in einer noblen Wohngegend zu Hause ist. Wer hingegen seine Wohnadresse in einem öffentlich bekannten Vergnügungsviertel oder in einem schlecht angesehen Stadtteil hat (für Köln etwa Chorweiler oder für München Hasenbergel), bekommt indessen Strafpunkte.
Die Score-Bewertung kann aber auch richtig gemein und sogar ungerecht sein. Wer beispielsweise in einer Gegend wohnt, wo viele Kleinkredite für den Konsum aufgenommen, aber nicht ordnungsgemäß bedient und getilgt werden, wird geradezu in Sippenhaft genommen und bekommt als vermeintlich unsolides Gruppenmitglied Strafpunkte zugeteilt. Das Gleiche gilt für den Fall, dass jemand in jüngerer Zeit häufig umgezogen ist, mehrere Girokonten eröffnet oder auch mehrere Handyverträge abgeschlossen hat. Für die wahren Gründe interessiert sich die Schufa nicht. Der Score-Wert soll sich sogar verschlechtern, wenn ein Schufa-Gespeicherter eine Eigenauskunft über seine Daten verlangt hat.
Doch die Schufa ist gesetzlich verpflichtet, auf Verlangen eines Gespeicherten im Rahmen einer Eigenauskunft alle vorhandenen Informationen offen zu legen. Gegen Vorlage des Personalausweises erfolgt diese Auskunft bei den bundesweit 20 Schufa-Geschäftsstellen mündlich und kostenfrei. Eine schriftliche Eigenauskunft gibt es bei der jeweils zuständigen Geschäftsstelle nach Einzahlung von 7,60 Euro. Falsche und veraltete Einträge muss die Schufa auf Antrag des Gespeicherten sofort löschen, es sei denn, die Schufa kann das Gegenteil beweisen. Doch Auskünfte über den persönlichen Score-Wert werden nicht erteilt. Allerdings kann man der Schufa mit einem Verweis auf ein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Hamburg (Aktenzeichen 9C 168/01) untersagen, Score-Werte weiter zu geben.
Jürgen Kirchmann