Betriebskrankenkassen 2002

Von der Oase zur

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Vor nunmehr sechs Jahren sollte der Wettbewerb im Gesundheitswesen beginnen – mit der Einführung der Wahlfreiheit innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ein Gerangel um Kassenbeiträge und Risikostrukturausgleich war die Folge. Für viele Versicherte wurden die geöffneten Betriebskrankenkassen (BKKn) mit ihren niedrigen Beitragssätzen zu echten Oasen in der GKV-Wüste. Ganze Karawanen von Beitragszahlern setzten sich in Bewegung und verließen ihre Orts- und Ersatzkassen. Aber die Anziehungskraft der BKKn schwindet, seit auch dort die Beiträge steigen. Einige Oasen entpuppen sich als Fata Morganas.

Die Öffnung der BKKn und die Wahlfreiheit für die GKV-Versicherten haben beeindruckende Spuren im Sand der deutschen Krankenversicherungs-Wüste hinterlassen. Von 1996 bis 2001 legten die BKKn um rund 66 Prozent an Mitgliedern zu; im gleichen Zeitraum verloren beispielsweise die AOKn rund 13 Prozent ihrer Versicherten.

Mit einem Marktanteil von 18,1 Prozent und rund 13,1 Millionen Versicherten sind die BKKn nach wie vor die drittgrößte Kassenart der GKV – direkt hinter den Ortskrankenkassen und den Ersatzkassen. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren haben die BKKn 2001 in Sachen Mitgliederwachstum allerdings stark nachgelassen. Waren es 1999 noch 970 000 Wechsler und 2000 sogar 1,2 Millionen, so kamen im vergangenen Jahr nur 490 000 Versicherte aus anderen Kassen hinzu.

In Hessen wanderten in diesem Jahr bislang rund 48 000 Versicherte von den Orts- und Ersatzkassen in die BKKn – eine Wechselquote von 5,9 Prozent. In Nordrhein-Westfalen waren es 107 000 GKV-Nomaden; fast 60 000 weniger als 2000. Den größten Zuwachs konnten die BKKn in Thüringen verzeichnen; hier gab es einen Versicherten- Anstieg von fast 40 Prozent.

Auch wenn die BKK-Versicherten noch immer mehr werden – die BKKn selbst werden immer weniger. Vor zwei Jahren gab es noch 324 ihrer Art, heute sind es noch 278, davon 156 geöffnete BKKn. Grund für die BKK-Schmelze ist eine allgemein um sich greifende Fusionitis.

Dass die vermeintliche GKV-Oase mehr und mehr zur Fata Morgana wird, lässt sich an einigen Beispielen sehen. So haben finanzielle Nöte die Berliner BKK in Fusionspläne getrieben. Zurzeit sitzt die Kasse auf rund 70 Millionen Euro Schulden – mit einem Beitragssatz von 14,4 Prozent ist sie eine der teuersten Kassen vor Ort. Abhilfe leisten soll nach dem Willen des Vorstandsvorsitzenden der BKK Berlin, Jochem Schulz, eine Fusion mit der BKK Verkehrsbau-Union (BKK VBU). Die ist nach Experten-Ansicht eine „typische Billigkasse“ mit jungen, gesunden Mitgliedern und entsprechend niedrigem Beitragssatz. Nach dem Zusammenschluss würde die bundesweit sechstgrößte BKK mit rund 340 000 Mitgliedern entstehen. Doch Anfang dieses Monats wurden die Fusionspläne vorerst gestoppt – angeblich auf Grund von Problemen bei der paritätischen Besetzung des gemeinsamen Vorstandes. Vielleicht lag’s aber auch daran, dass eine Fusion zwangsläufig auch eine Beitragsanpassung für die ehemaligen BKK-VBU-Versicherten mit sich bringen würden. Statt wie bislang 12,7 Prozent, würden sie dann wohl mehr als 13 Prozent zahlen müssen. Zumindest hatte die BKKVBU- Vorsitzende Andrea Galle Erhöhungen für ihre Mitglieder nicht ausgeschlossen.

Der allgemeine Fusions-Trend bei den BKKn sorgt, ganz klar, auch für das eine oder andere Gerücht auf dem GKV-Basar. So wurde kürzlich gemunkelt, die BKK Mobil Oil – mit 11,2 Prozent die Günstigste und mit 450 000 Versicherten eine der Größten – plane die Fusion mit der Volkswagen BKK. Demzufolge würden auch die Beitragssätze kräftig angezogen, auf ungefähr 13,8 Prozent. Das schrieb zumindest die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ – erntete aber prompt ein Dementi und die Androhung rechtlicher Schritte. „Nichts davon ist wahr“, erklärt Jan Bollhorn, Vorstandsmitglied der BKK Mobil Oil. Einen Zusammenschluss mit einer anderen Kasse werde es nicht geben.

Allgemeine Fusionitis

Unter Dach und Fach ist hingegen die Fusion der sancura BKK – größte ihrer Art in Hessen – mit der BKK des Landeswohlfahrtsverbandes und der Nassauischen Sparkassen. Gleiches gilt für den Zusammenschluss von BKK Verkehr und Dienstleistungen mit der BKK der Gothaer Versicherungen. Ziel beider Fusionen: Mehr Mitglieder, niedrigere Beiträge.

Ähnlich beliebt wie Fusionen und Übernahmen sind bald womöglich Umbenennungen bei den BKKn. Jüngstes Beispiel ist die BKK Philipp Holzmann AG. Aus aktuellem Anlass – nämlich der Pleite des einstigen Trägers, dem Baukonzern Holzmann – taufte sich die Kasse vor wenigen Wochen auf Salus BKK. Soll den Versicherten da etwa Wüstensand in die Augen gestreut werden? Angeblich trägt der Namenswechsel lediglich der veränderten Mitgliederstruktrur Rechnung: Von den rund 95 000 Versicherten seien nur noch 2 200 bei Holzmann beschäftigt.

Aber es gibt auch Neulinge in der Szene. Die Essanelle Hair Group etwa hat zum Anfang dieses Monats ihre eigene, bundesweit geöffnete BKK gestartet. Mit einem Beitragssatz von 11,9 Prozent liegt sie zurzeit wohl im oberen Drittel der preisgünstigsten Krankenkassen.

Dass die Beiträge niedriger seien als die der Mitbewerber, liege an den geringeren Verwaltungskosten, so ein bekanntes und gerne genanntes Argument der BKKn. Nur eine Zentrale, wenige (oder keine) Außenstellen und entsprechend wenige Mitarbeiter, Mitglieder-Service per Telefon oder Internet – dass sei das Erfolgsrezept. Tatsächlich steigen die Netto-Verwaltungskosten aber selbst innerhalb der BKK – wenn auch nicht in dem Maße wie bei den Ortskrankenkassen. Im Vergleich zum Jahr 2000 lag der Anstieg der GKV-Verwaltungskosten im vergangenen Jahr bei insgesamt 4,6 Prozent. Die AOK gab 6,6 Prozent mehr aus, bei der BKK waren es immerhin 3,6 Prozent. Nach Angaben der BKKn erfordert der „Zustrom neuer Mitglieder“ mehr Personal. Die fliegenden Händler von einst mausern sich mehr und mehr zu gestandenen Scheichs. Gleichzeitig nahmen die Leistungsausgaben der BKK um 1,7 Prozent ab; bei der AOK stiegen sie um 5,2 Prozent. Um den gleichen Teil stiegen auch die AOK-Aufwendungen für Zahnersatz; bei der BKK wurden hier 2,1 Prozent weniger ausgegeben als im Jahr 2000. In Sachen GKV-Defizit sind sowohl AOK als auch BKK an vorderster Stelle dabei. Die Ortskrankenkassen verbuchten im zurückliegenden Jahr ein Minus von 827 Millionen Euro; bei den BKKn waren es 454 Millionen Euro.

BKK teurer als AOK

Trotz des drei-Milliarden-Euro-Defizits hatte sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vor einigen Wochen optimistisch gezeigt, dass die GKV im Jahr 2002 wieder schwarze Zahlen schreiben wird. „Selbst bei vorsichtigen Annahmen zur konjunkturellen Entwicklung“ könne „mindestens mit einem ausgeglichenen Ergebnis“ gerechnet werden. Was der BKK-Bundesverband anders sieht: „Für Schmidts Beitrags-Prognose würden wir unsere Hand nicht ins Feuer legen.“

Dass auch die vermeintlich günstigen BKKn nicht vor hohen Beiträgen sicher sind, zeigt ein Blick auf die aktuelle Vergleichstabelle der Central Krankenversicherung AG. Mit einem Beitragssatz von 14,8 Prozent reicht die BKK aktiv fast an das Niveau der AOKn in Bayern, Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern heran, wo aktuell 14,9 Prozent fällig werden. Die AOK Schleswig-Holstein (14,5 Prozent) und die AOK Bremen/Bremerhaven (13,9 Prozent) sind für ihre Versicherten sogar günstiger als manche bundesweit geöffnete BKK. Klingt beinahe wie ein Märchen aus 1001 Nacht, ist aber keins.

Im Durchschnitt mussten die BKKn ihre Beitragssätze im zurückliegenden Jahr um einen halben Prozentpunkt auf rund 13 Prozent erhöhen. Zwar liegen sie damit noch immer rund einen Prozentpunkt unter dem GKV-Durchschnitt. Dennoch, so der Verband der Angestellten-Ersatzkassen, stünden die BKKn mittlerweile vor den gleichen finanziellen Problemen wie ihre großen Mitbewerber. „Zahlreiche Versicherte, die am Krankenkassen-Beitrag unbedingt sparen wollten, konnten nun ihr blaues Wunder erleben“, kommentiert VdAK-Vorsitzender Herbert Rebscher die aktuelle Entwicklung.

In Nordrhein-Westfalen hat beispielsweise jede fünfte BKK ihre Beiträge zum Jahreswechsel angehoben, in Baden-Württemberg sogar jede dritte. Als Grund werden die „immens gestiegenen Kosten für Arzneimittel sowie die steigenden Belastungen durch den Risikostrukturausgleich“ genannt. Mit rund zwölf Milliarden Mark seien die BKKn bundesweit der größte Einzahler in diesen Transfer-Fonds. Und zusätzliche Belastungen seien programmiert – durch die aktuell anlaufenden Disease Management Programme (DMPs). Im Grunde genommen geht es beim Wettbewerb zwischen den Kassen vornehmlich um eines: Wie lassen sich junge und gesunde Beitragszahler gewinnen und alte, kranke Versicherte möglichst fernhalten? Eine Strategie, die den BKKn bislang offensichtlich gelungen ist. Während in den AOKn fast ein Drittel aller Versicherten älter ist als 60 Jahre, macht diese Gruppe in den BKKn nur gute 20 Prozent aus.

Für die Ersatzkassenverbände sind die derzeitigen Bedingungen im Kassen-Wettbewerb ungerecht und missglückt. Margret Mönig-Raane, Vorsitzende des VdAK, verlangt „gleiche Startbedingungen für alle Kassen“. Die „einseitigen Gründungsrechte“ und die Öffnungsoption für BKKn „gehören abgeschafft“. Diese Sonderrechte würden den BKKn „wettbewerbliches Handeln nur allzu leicht machen“ und Risikoselektion fördern.

„Schlechte Risiken lohnen sich wieder“, sagen hingegen die Experten und meinen damit, dass nach der RSA-Novellierung die preiswerten, geöffneten BKKn noch mehr Geld in den Topf – und damit an die großen und teuren Kassen – zahlen müssen. Für den VdAK stellt sich das indes ein wenig anders dar. Die Verbandsvorsitzende Margret Mönig-Raane forderte kürzlich eine erneute RSA-Reform, „die den Schein-Betriebskrankenkassen nicht länger mehr RSA-Gelder zugesteht, als sie zur Versorgung ihrer Versicherten benötigen“. Schon jetzt bewegt der RSA gewaltige Geldmengen zwischen BKKn, Ersatzkassen und AOKn. Rund 14 Milliarden Euro werden jährlich umverteilt – Tendenz steigend.

Dramatische Rückstände

Für Wolfgang Schmeinck, Vorsitzender des BKK-Bundesverbandes, bedeutet der Ausbau des Risikostrukturausgleichs einen weiteren „Schritt in Richtung Einheitskasse“. Mit immer neuen Manipulationen am RSAMechanismus würde versucht, den Ersatzund Ortskrankenkassen Geld zuzuschanzen. Schmeinck: „Der Wettbewerb wird nur noch als Floskel auf den Lippen getragen.“ Wobei der Wettbewerb nicht immer positiv für die BKKn ausgehen muss. Die BKK Hamburg etwa trägt seit Jahren eine gewaltige Schuldenlast mit sich herum. Schon als sie sich 1996 für alle Versicherten öffnete, lagen die Außenstände bei mehr als zwölf Millionen Euro. Mittlerweile sind die Zahlungsrückstände so dramatisch, dass der Hamburger Senat beschlossen hat, einzugreifen. Sollte es der BKK Hamburg bis März 2003 gelingen, „einen leistungsstarken Partner“ – sprich: eine weitere, fusionswillige BKK – zu finden, werden rund 13 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt in die leere Kasse fließen.

Geradezu harmlos erscheint da der Clinch zwischen der BKK exklusiv und dem Städtischen Klinikum Braunschweig. In 20 Fällen hat das Klinikum die BKK verklagt. Streitwert: 75 000 Euro. Carsten Schröter, Vorstandschef der BKK exklusiv, sieht das Ganze gelassen: „Fünf Verfahren gegen uns sind bislang vor Gericht rechtskräftig abgeschlossen worden – wir haben alle gewonnen.“

Auch die BKK Zollern-Alb hat ärztlichen Ärger auf sich gezogen. Genau einen Tag vor In-Kraft-Treten des Gesetzes über das Wohnortprinzip hatte die schwäbische Kasse ihren Sitz von Balingen nach Dresden verlegt. Begründung: Die Mehrheit ihrer Versicherten lebe in den neuen Bundesländern. Nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg werden hierdurch jährlich fünf Millionen Euro für die ambulante Versorgung fehlen – die Vertragsärzte müssten künftig die gleiche Leistung für eine wesentlich geringere Vergütung erbringen.

Ohne eigene Leistung

Wenn die BKKn nicht ihre Attraktivität für die Karawanen der Versicherten verlieren wollen, müssen sie auf lange Sicht mehr bieten als niedrige Beiträge. Nur – was könnte das sein? Tatsächlich ist eine Ausweitung der eigenen Leistungskataloge für gesetzliche Krankenkassen nur innerhalb eines engen Rahmens möglich. Sie haben sich daran zu halten, was das SGB V an Kernleistungen definiert. Nur im Bereich der so genannten Satzungsleistungen sind den Kassen gewisse Gestaltungsmöglichkeiten gegeben. Nach jüngster Ansicht des Kasseler Bundessozialgerichtes fallen hierunter etwa Schutzimpfungen oder andere Vorsorgemaßnahmen.

Die Securitas BKK hatte damit geworben, auch für naturheilkundliche Verfahren aufzukommen. In ihrer Satzung – seit 1997 vom Bundesversicherungsamt genehmigt – wurde Naturheilkunde als „anerkannte besondere Therapierichtung“ aufgelistet. Außerdem stellte die Securitas BKK „Leistungen außerhalb des Vertragssystems“ in Aussicht, falls es keine Alternativen geben sollte. Im April dieses Jahres machten die Bundessozialrichter der Securitas einen Strich durch diese Pläne.

Auch die BKK Hamburg hat sich Gedanken über zusätzliche Angebote für ihre Beitragszahler gemacht. Wer seinen Zahnersatz aus einem der drei ausländischen BKK-Vertragspartner- Labore bezieht, soll künftig eine fünfjährige Gewährleistung erhalten – drei Jahre mehr, als in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben sind. Nach Ansicht der Kasse hat dieses Vorgehen keinerlei negativen Effekt auf die Qualität; denn die Anforderungen seien die gleichen wie bei Zahnersatz, der in Deutschland gefertigt wird. Den Zorn der deutschen Apothekerverbände haben die bayerischen BKKn auf sich gezogen. Im März dieses Jahres hatten sie angekündigt, in den verbotenen Arzneimittelversand einsteigen zu wollen. Mit der holländischen Internetapotheke „DocMorris“ war bereits ein entsprechender Vertrag abgeschlossen worden. Preisvorteile von bis zu neun Prozent sollten so möglich werden. „Das Europarecht garantiert innerhalb der EU einen freien Warenverkehr“, hatte der bayerische BKK-Vorstandsvorsitzende Gerhard Schulte damals das Vorgehen erklärt. Das Bayerische Sozialministerium sah das allerdings anders und stoppte die BKKPläne bereits wenige Wochen später. „Im Versandhandel mit Arzneimitteln liegen derzeit noch unkalkulierbare Gesundheitsrisiken für die Patienten“, erklärte Sozialministerin Christa Stewens – deshalb könne der Vertrag zwischen BKK und „DocMorris“ nicht toleriert werden. Außerdem, so Stewens, sei ein einheitliches Verfahren beim Bezug von Medikamenten notwendig, „um zwischen den Kassen im Freistaat einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten“.

PKV-Basar

Was aber machen die GKV-Nomaden, wenn es ihnen in einer BKK nicht mehr gefällt? Sie ziehen weiter – und zwar immer häufiger auf den Basar der Privaten Krankenversicherung (PKV). Rund zehn Prozent aller Bundesbürger – 7,7 Millionen Menschen – sind heute PKV-Versicherte. Und ähnlich wie bei den BKKn gab es auch bei den Privaten einen starken Zuwachs. Waren es im Jahr 2000 noch rund 166000 Versicherte, die in die PKV eintraten, so waren es 2001 bereits rund 216 000. Ein Wachstum, welches sich der Kölner PKV-Verband damit erklärt, dass im vergangenen Jahr die Diskussion über die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze aufkam. Sowohl Vollversicherung als auch Zusatzversicherung hätten von den Neuzugängen profitiert; wobei letztere allerdings an Bedeutung verlieren und nur noch 13,6 Prozent aller Beitragseinnahmen ausmachen. Die Abwanderung aus der GKV bereitet Ulla Schmidt Kopfschmerzen. In den Jahren 1995 bis 2001 hätten rund 800 000 Versicherte die Lager – sprich: die Kassen-Systeme – gewechselt. Der Exodus in Richtung PKV koste die GKV jährlich rund eine Milliarde Euro. Für Wolfgang Schmeinck, BKK-Vorstandschef, ist klar, dass die Wanderung von GKV zu PKV noch größer und dramatischer ausfiele, wenn es nicht die BKKn gäbe – ihre „kostengünstige Versicherungsmöglichkeit“ sei die einzige Möglichkeit, den Exodus zu bremsen. „Ohne die Betriebskrankenkassen wäre der Verlust für die Solidargemeinschaft noch viel schlimmer.“ Ein Punkt, dem Norbert Klusen, Vorstandschef der Techniker Krankenkassen, im Prinzip zustimmen wird. Allerdings hält er die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze für kein geeignetes Mittel, um die Abwanderung von Versicherten – und damit von Geld – aus der GKV zu stoppen. Sein alternativer Vorschlag: eine Neuregelung beim Übergang von gesetzlich zu privat. „Bevor sich jemand privat versichert, hat er im gesetzlichen System über viele Jahre als Familienangehöriger keinen oder als Student nur einen geringen Beitrag bezahlt“, so Klusen. „Es wäre nur konsequent, wenn der private Versicherer eine Abfindung an die GKV zahlt.“ Neue Verkehrsregeln für die alte GKV-Wüste? Halten sich Beduinen denn an so was? Oder suchen sie nach langer Durststrecke einfach nur das nächste Wasserloch? Einen echten Wettbewerb innerhalb der GKV könnte es möglicherweise ab dem Jahr 2007 geben, meinen Experten. Dann nämlich sollen Krankenkassen nicht mehr nach „reich“ und „arm“ unterschieden, sondern anhand der tatsächlichen Krankheitshäufigkeit ihrer Versicherten verglichen werden. Bis dahin zieht die Karawane wohl weiter. 

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