Gastkommentar

Wettbewerb macht fit

Die Ärzteschaft warnt vor der „Ökonomisierung des Gesundheitswesens“. Doch mehr Marktwirtschaft bedeutet keine Gefahr, sondern eine große Chance für die GKV.

Dr. Dorothea Siems Wirtschaftskorrespondentin
im Parlamentsbüro der „Welt“, Berlin

Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst der „gnadenlosen Ökonomisierung des Gesundheitswesens“. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe warnte auf dem diesjährigen Ärztetag eindringlich vor diesem Trend. In der Politik sei nur noch von mehr Wettbewerb zur Effizienzsteigerung die Rede. Für die Versorgung der Patienten hätte es fatale Folgen, wenn das Hauptinteresse nur noch darin läge, die Kosten möglichst gering zu halten.

Es ist sicher richtig, dass eine alternde Gesellschaft mehr Geld für die medizinische Versorgung in die Hand nehmen muss. Eine rigide Politik der Kostendämpfung kann deshalb kein Ausweg sein. Doch ist die Verteufelung des Wettbewerbs falsch. Vielmehr kann nur die Marktwirtschaft das System für die kommenden Herausforderungen fit machen. Gewiss ist das Gesundheitswesen kein Markt wie jeder andere. Zustände wie in den USA, wo ein großer Teil der Bevölkerung über keinerlei Versicherungsschutz verfügt, sind inakzeptabel. Doch auch das andere Extrem – das des überregulierten Gesundheitswesens –, dem wir uns annähern, verspricht keine rosige Zukunft. Einsparpotenziale bleiben ungenutzt, weil die Kassen per Gesetz zum einheitlichen Handeln gezwungen sind, statt im Konkurrenzkampf jede für sich Neues auszuprobieren. Als Folge der Budgetierung wird zudem die Versorgung immer mittelmäßiger. Wer angesichts der Finanzmisere der Kassen jedoch zuerst daran denkt, neue Finanzquellen zu erschließen, überschätzt die finanzielle Belastbarkeit der Versicherten. Das Gebot, die Beitragssätze stabil zu halten, ergibt sich zudem aus den Folgen steigenden Lohnnebenkosten für die Wirtschaft.

Der derzeit oft gehörte Vorschlag, Zins- und Mieteinnahmen beitragspflichtig zu machen, hat auf den ersten Blick denn auch viel Charme. Die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt entfielen. Doch gibt es andere Nebenwirkungen. Kapital ist ein scheues Reh. So löste die Einführung der Zinsabschlagsteuer Mitte der neunziger Jahre eine Kapitalflucht ins Ausland aus. Würden bei Dividenden- oder Zinszahlung nun auch Sozialabgaben fällig, gäbe es wohl eine neue Fluchtbewegung. Ein weiteres Problem: Eine Beitragspflicht für Zusatzeinkommen bedeutet im Umkehrschluss, dass auch negative Einkünfte, etwa aus Immobilieninvestitionen, zu berücksichtigen wären. Versicherte könnten ihren Kassenbeitrag auf diese Weise bis auf Null drücken. Eine Subventionierung der Krankenversicherung mit Steuermitteln birgt gleichfalls Risiken. Denn in Zeiten knapper Kassen dürfte wohl jeder Finanzminister auch bei den Gesundheitsausgaben sparen. Bei einem stärker marktwirtschaftlich ausgerichteten Versicherungssystem, das Mitgliedern, Kassen und Leistungserbringern mehr Freiheit lässt, werden solche Nebenwirkungen vermieden. Das Gros der Bevölkerung ist bereit, für die medizinische Versorgung einen angemessen Preis zu zahlen – jedoch nicht im Rahmen eines Zwangssystems, das nicht wirtschaftlich ist und nur noch mittelmäßige Leistungen bereithält. Die Menschen wollen selbst entscheiden, für welche Leistungen sie wieviel Geld bezahlen. Der eine wünscht alternative Therapien und akzeptiert dafür einen teuren Versicherungstarif, während der andere einen Selbstbehalt vereinbart und dafür einen Beitragsrabatt erhält. Für die Leistungserbringer bedeutet mehr Wettbewerb verschärften Konkurrenzdruck – aber dafür lohnt sich Leistung wieder.

Eine Ökonomisierung des Gesundheitswesens ist somit kein Schreckgespenst, sondern vielmehr eine große Chance für Patienten und die Gesundheitsberufe.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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