Das niedrige Zinsniveau lässt sich nutzen

Schnäppchenjagd

Die US-Notenbank ist weltweiter Trendsetter bei der Festsetzung der Leitzinsen. Durch eine ganze Kette aggressiver Zinssenkungen hat sie im vergangenen Jahr das Zinsniveau auf ein Rekordtief gedrückt. Auch Europa kann sich diesem Druck auf die Zinsen nicht entziehen. Alle Kreditnehmer können jubeln.

„Geld zu Schleuderpreisen“, so überschrieb die „Süddeutsche Zeitung“ ihren Bericht über die Dezember-Senkung des US-Leitzinses von zwei auf 1,75 Prozent und präzisierte: „Amerika hat die niedrigsten Zinsen seit 40 Jahren“. Ein maßgeblicher Grund ist der 11. September. Er hat nicht nur weltweit Katastrophenstimmung ausgelöst, sondern auch einen Konjunktureinbruch. Davor schon war die Weltwirtschaft seit Ausbruch einer schweren Börsenbaisse im März des Jahres 2000 allmählich die Lust zum Investieren abhanden gekommen. Nach dem Terroranschlag auf die Weltwirtschaftsmacht USA zeigten sich die gewerbliche Wirtschaft wie auch die privaten Konsumenten in ihrem Order- und Kaufverhalten wie gelähmt.

Ohne zu zögern, verordnete USNotenbankpräsident Alan Greenspan den Amerikanern ein an und für sich hochwirksames Antidepressivum zur Wiederbelebung der Kauf- und Konsumlust. Er senkte massiv die Leitzinsen, zu denen sich die Geschäftsbanken bei der US-Notenbank Geld zum Weiterverleihen borgen können. Innerhalb von nur zwölf Monaten schraubte Greenspan in elf Umdrehungen den Leitzins von 6,5 Prozent auf 1,75 Prozent herunter. Die Europäische Zentralbank (EZB) folgte den Amerikanern nicht nur aus Solidarität. Auch sie injizierte, allerdings auf recht zaghafte Weise, durch Zinssenkungen der erlahmten Wirtschaft ein Kreislaufbelebungsmittel.

Zwar kann die EZB mit Sitz in Frankfurt nicht so gezielt und rigoros handeln wie das Federal Reserve Board (Fed) der USA. Denn in der Europäischen Wirtschaftsunion gibt es zwölf autonome Staaten mit höchst unterschiedlichen Wachstums- und Inflationsraten. Entsprechend vielfältig ist das jeweilige Zinsniveau. Deutschland und Frankreich etwa hätten aufgrund ihrer niedrigen Wachstums- und Inflationsraten gerne weitaus tiefer abgesenkte Leitzinsen gesehen, als die EZB zulassen wollte und konnte. Doch mit Blick auf Irland, Spanien oder die Niederlande, die relativ hohe Inflationsraten aufweisen, musste EZBPräsident Wim Duisenberg erstmals seit langem dem amerikanischen Kollegen die Stafette mit dem niedrigsten Leitzins überlassen. Die EZB kann es sich nicht erlauben, den europäischen Inflations-Vorreitern mit Tiefstzinsen noch mehr Auftrieb zu geben.

Des Sparers Leid

Aber die Deutschen können mit dem erreichten Zinsniveau zufrieden sein. Das gilt freilich nicht für die Sparer, die auf festgeschriebene Zinsen setzen. Sie haben das Nachsehen. Denn Bundesanleihen rentieren sich auf der Grundlage der aktuellen Umlaufrendite (einem Mix aus unterschiedlichen Laufzeiten) nur noch zu rund 4,5 Prozent. Wer auf kursstabile Bundesschatzbriefe und Bundesobligationen setzt, sieht nur noch eine Drei vor dem Komma. Die Käufer von Bundesanleihen müssen in Kauf nehmen, dass die hochbonierten deutschen Staatsanleihen börsennotiert sind und – je nach dem vorherrschenden Zinstrend am Kapitalmarkt – mit Kursschwankungen reagieren. Sollte die Konjunktur – wie gewünscht und erwartet – im Laufe dieses Jahres anziehen, dürften die Zinsen mitziehen. Dann verbucht der Tiefzinssparer neben einer mageren Rendite auch noch Kursverluste bei börsennotierten festverzinslichen Wertpapieren.

Ein wesentlich vielversprechenderes Blatt zum Pokern und zum Auftrumpfen hat der Kreditnehmer. Wer rechnet und die Produktivkraft von geliehenem Geld richtig einzuschätzen weiß, wäre dumm und töricht, wenn er die aktuell gebotene, im Langfristvergleich aber relativ seltene Chance zum Discountzins ungenutzt verstreichen ließe. Gemeint ist in diesem Zusammenhang nicht die Darlehensnachfrage für den privaten Konsum. Bankkredite hierfür sind weiterhin undiskutabel teuer. Es sei denn, Hersteller und Handel locken von sich aus mit schmackhaften Kreditofferten, um im Geschäft zu bleiben. So etwa werden Autos, die auf Lager und nicht auf einer Warteliste stehen, schon für ein paar Zehntel Prozent Zins kreditiert. Ein Tor, wer hier noch bar zahlen würde, es sei denn, mit 20 Prozent Rabatt auf den unverbindlich empfohlenen Preis. Handeln ist ja inzwischen gesetzlich erlaubt.

Die wirklich nennenswerten Beträge, die ein Kreditnehmer heute durch das niedrige Zinsniveau verdienen kann, sind im Umfeld von Immobilien und Wertpapieren angesiedelt. Wem es gelingt, seine preisgünstig disponierten Schulden auch noch dem Finanzamt als Kosten präsentieren zu dürfen, zieht eine Trumpfkarte aus dem Ärmel, an der er womöglich ein ganzes Jahrzehnt (oder noch länger) seine Freude hat.

Des Schuldners Freud

Konkret: Hypothekenzinsen, auf fünf Jahre festgeschrieben, sind effektiv zwischen 4,5 und 4,8 Prozent angesiedelt. Hypothekendarlehen mit zehn Jahren Laufzeit kosten effektiv zwischen fünf und 5,2 Prozent. („Effektiv“ bedeutet Vergleichbarkeit unter allen denkbaren Kreditkonstellationen und unter Einbeziehung aller relevanten Kosten.) Angeboten werden mittlerweile sogar Laufzeiten von 15 Jahren (Effektivzinsen zu 5,2 bis 5,5 Prozent) oder gar von 20 Jahren. Für diese Laufzeit mit garantiertem Festzins zahlen Immobilieninvestoren effektiv nur zwischen 5,5 und 5,7 Prozent Zinsen. Vorausgesetzt ist bei all den genannten Konditionen eine Auszahlung zu 100 Prozent und eine Beleihung bis zu 70 Prozent des Objektpreises. Denkbar ist, dass das erreichte Zinsniveau im Lauf dieses Jahres noch weiter sinkt. Dafür müssen aber die Lohnerhöhungen moderat ausfallen. Und die erwartete Konjunkturerholung muss weiter auf sich warten lassen.

Die beste Startposition für ein profitables Zinsgeschäft hat selbstverständlich derjenige, der heute einen langfristigen Kreditvertrag neu abschließen kann. Das sind in erster Linie Immobilienkäufer oder die Glücklichen, die vor zehn Jahren zu damals relativ hohen Zinsen ein Immobilienengagement eingegangen sind. Sie können heute zu Discount-Konditionen ihre Hypothekendarlehen verlängern. Aber auch bestehende Darlehensverträge lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen zu den derzeit günstigen Konditionen umschulden:

• Das Darlehen hat eine Laufzeit von mehr als zehn Jahren. Zehn Jahre nach der Auszahlung hat nämlich jeder Kreditnehmer das Recht, ein ab 1987 aufgenommenes Darlehen mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen. Die so genannte Vorfälligkeitsentschädigung, mit der sich die Banken den Schaden für entgangene Zinsen üblicherweise ersetzen lassen, entfällt.

• Eine Darlehenskündigung zum Quartal ist möglich, wenn für ein Darlehen ein variabler Zins vereinbart wurde. Theoretisch verhandelbar ist eine vorfristige Darlehenskündigung, wenn das Darlehen nicht über die Eintragung einer Grundschuld abgesichert und nicht über Grundpfandbriefe refinanziert wurde. Fand eine Darlehensabsicherung beispielsweise durch die Abtretung von Wertpapieren oder durch Bürgschaften statt, besteht dann auf Seiten der Bank ein größerer Spielraum für eine Neudisposition.

• Beträgt die Restlaufzeit eines relativ hoch verzinsten Darlehens nur noch zwölf Monate, kann heute schon eine Anschlussfinanzierung zu den aktuell gültigen Konditionen ausgehandelt werden. Das ist allerdings nur sinnvoll, wenn der Kreditnehmer auf eine Zinssteigerung während der kommenden zwölf Monate setzt. Wird das günstige Anschlussdarlehen vor Ablauf seines teureren Vorgängers nicht abgerufen, verlangen die Banken pro Monat so genannte Bereitstellungszinsen von zumeist 0,25 Prozent der Kreditsumme. Doch der Zeitrahmen und der Prozentsatz sind verhandelbar.

Wer bis zum Ablauf eines Hypothekendarlehens noch zwei oder drei Jahre warten müsste, kann ein so genanntes Forward-Darlehen ins Kalkül ziehen. Mit einem solchen Darlehen sichert man sich zwar aktuell günstige Zinskonditionen. Doch sinnvoll ist ein solches Darlehen wiederum nur, wenn der Immobilieninvestor auf Sicht von zwei oder drei Jahren steigende Zinsen sieht und sich langfristig den heutigen Zins sichern will. Aber auch das kostet Geld: Üblich sind Zinsaufschläge von 0,2 bis 0,3 Prozent für jedes Jahr, das bis zum Laufzeitbeginn des neuen Darlehens vergeht.

Vorfristige Kündigung

Bei diesen Summen zur Sicherung heutiger Zinsen für künftige Zeiten stellt sich die Frage nach einer vorfristigen Kündigung. Aufgrund der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfen sich die Banken nicht mehr weigern oder einen Gnadenakt walten lassen, wenn ein Kreditnehmer vorfristig kündigen möchte, weil er sich günstigere Zinsen sichern will. Für die Ablösung eines Altvertrags darf die Bank allerdings eine angemessene Entschädigung verlangen, eben die Vorfälligkeitsentschädigung. Die errechneten die Banken bis vor kurzem noch nach ihren eigenen Methoden und vor allem zu ihren eigenen Gunsten.

Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof durch mehrere Endurteile ziemlich klar definiert, wie zu rechnen ist, wenn etwa der Zinsschaden bei einer Zinsdifferenz von zwei Prozent für eine Restlaufzeit von drei Jahren bestimmt werden soll. Im Groben kann das jeder leicht selber ausrechnen. Doch bei der Feinjustierung (Abzinsung und Wiederanlage des vorfristig zurückbezahlten Betrags zu welchem Zins) scheiden sich (immer noch) die Geister. Wer eine vorfristige Darlehenskündigung durchziehen will, sollte auf jeden Fall von seiner Bank verlangen, dass die Berechnungsgrundlagen des BGH angewandt werden. Sicherheitshalber sollte man die verlangte Entschädigung von einem unabhängigen Fachmann, von einer Verbraucherzentrale oder von der Stiftung Warentest in Berlin (jeweils gegen Gebühr, die aber lohnend sein kann) prüfen lassen.

Wichtig für Vermieter: Eine gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zählt zu den Werbungskosten. Sie kann somit, ähnlich wie eine Zinsvorauszahlung im Rahmen eines Disagios, steuerlich geltend gemacht werden. Denn schließlich dient der Entschädigungsaufwand dazu, sich längerfristig günstigere Geldkosten zu sichern. In einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1990 ist diese Sichtweise höchstrichterlich bestätigt (Aktenzeichen IX R 8/85).

Immobiliendarlehen

Ein Großkredit sollte möglichst nutzbringend eingesetzt werden. Das ist beim Immobilienerwerb zweifelsohne der Fall. Wer 20 oder gar 30 Prozent Eigenkapital aufbringt und ansonsten nicht gerade am Hungertuch nagt, bekommt für einen Immobilienkauf problemlos Kredit. Schließlich dient ja die an die Bank verpfändete Immobilie als solide Sicherheit.

Solvente und gut bonierte Kunden bekommen eine Immobilie bei günstigen Konditionen auch zu 90 oder gar 100 Prozent finanziert. Voraussetzung ist allerdings, dass die beliehene Immobilie am Markt das wert ist, was sie gekostet hat und sich zu einem marktgerechten Preis vermieten lässt. Darum kümmert sich in aller Regel nicht die Bank. Die alles entscheidende Lage einer Immobilie richtig einzuschätzen, ist Sache des Käufers. Und eine gute Lage ist ihr Geld allemal wert. Eine gute und damit teure Lage ist auf jeden Fall einem preiswerten Objekt in zweifelhafter Lage vorzuziehen. Das sollte jeder Immobilieninvestor blind beherzigen und sich ersparen, für diese Erkenntnis erst Lehrgeld zahlen zu müssen.

Nun stellt sich für den Immobilieninteressenten die Frage: Wohneigentum überwiegend auf Kreditbasis erwerben und selber einziehen oder vermieten. Hierzu eine grobe Kalkulation: Die Mietrendite (die Mieteinnahmen bezogen auf den Kaufpreis des Objekts) beträgt im Schnitt rund vier Prozent. Wenn die Zinsen bei effektiv fünf Prozent liegen, zahlt der Selbstnutzer statt Wohnmiete rund 25 Prozent mehr für die „Miete“ des Geldes. Ein schlechtes Geschäft, wenn keine Aussicht besteht, die aufgenommenen Hypothekenschulden so schnell wie möglich zu tilgen.

Wer hingegen das Wohnobjekt seiner Träume zunächst vermietet und frühestens nach Ablauf der degressiven Abschreibung (acht Jahre lang fünf Prozent der Baukosten) selber bezieht, verwirklicht ganz legal das derzeit wohl sicherste und lukrativste Steuersparmodell in deutschen Landen. Hierzu eine modellhafte Kalkulation: Eine 100-Quadratmeter-Wohnung in guter Lage kostet in einer auf Durchschnittsniveau angesiedelten Großstadt wie Essen rund 230 000 Euro (rund 450 000 DM). Bei Neuvermietung sind pro Quadratmeter 7,35 Euro zu erzielen. Somit beträgt die Monatsnettomiete 735 Euro, die Jahresmieteinnahmen belaufen sich auf 8 820 Euro. An Zinsen sind bei effektiv fünf Prozent 11 500 Euro zu zahlen. Der Verlust aus Vermietung und Verpachtung beträgt somit 2 680 Euro.

Doch auch die Abschreibung von jährlich fünf Prozent der reinen Baukosten von rund 170 000 Euro darf steuerlich geltend gemacht werden. Die Abschreibungssumme beläuft sich im Jahr auf 8 500 Euro. Die Steuerrechnung sieht im einzelnen wie folgt aus: Zinsen in Höhe von 11 500 Euro und Abschreibungen in Höhe von 8 500 Euro stehen aufs Jahr bezogen auf der Verlustseite. Die Mieteinnahmen in Höhe von jährlich 8 820 Euro sind als Einnahmen von diesen addierten Verlusten abzuziehen. Es verbleibt ein Verlust (aus Vermietung und Verpachtung) in Höhe von 11 180 Euro. Dieser Betrag darf vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Bei einem Steuersatz von beispielsweise 45 Prozent spart der Immobilieninvestor jährlich gut 5 000 Euro an Steuern. Der jährliche Überschuss nach Abzug der Zinskosten beträgt somit 2 320 Euro.

Unterm Strich

Wird beim Hypothekendarlehen die bei Vermietung sehr sinnvolle Tilgungsaussetzung vereinbart, beteiligt sich der Fiskus auf Sicht von acht Jahren mit rund 40 000 Euro (vormals rund 78 000 DM) an dieser günstig finanzierten Wohnung. Unterm Strich hat Sie den Immobilieninvestor nur 190000 Euro gekostet. Bei einem kalkulierten Wertzuwachs von zwei Prozent hat sie nach acht Jahren einen Wert von rund 270 000 Euro (ehedem knapp 530 000 DM). Der Vermögenszuwachs beträgt somit etwa 80 000 Euro oder 156 800 DM; das sind 42 Prozent.

Üblicherweise freut sich ein Immobilienvermieter bereits, wenn sich seine Rechnung aus Einnahmen und Kosten nicht als Mietsubvention erweist. In diesem Fall bliebe nur die heute lediglich vage Hoffnung auf eine lukrative und (nach zehn Jahren) steuerfreie Wertsteigerung. Bei den Zinsen von heute aber entsteht aus Bauen und Vermieten (an den richtigen Orten) sogar, wie vorgerechnet, ein effektiver Überschuss. Fazit: Vermietete Immobilien sind jetzt wieder ein Steuersparmodell, das sich blendend rechnet.

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