Volkskrankheit auf dem Vormarsch
Es fängt an mit Durst. Großem, übermäßigem Durst. Man fühlt sich matt, wird häufig krank. Dies sind die Frühsymptome des Diabetes mellitus, Typ 2. 90 Prozent der Zuckerkranken leiden an dieser Diabetes-Variante. Oft werden die Symptome im Frühstadium nicht ernst genommen – erst Spätkomplikationen führen den Patienten zum Arzt: Sehprobleme, Taubheitsgefühl in den Füßen, schlecht heilende Wunden. „Wegen der schleichenden Symptome ist es keine Seltenheit, dass ein Diabetes Typ 2 per Zufall erkannt wird“, weiß Peter Bottermann, Sprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Wird die Krankheit nicht oder zu spät behandelt, drohen Erblindung, Amputationen und Nierenversagen. Oft sind die - Patienten bei Diagnosestellung bereits mehrere Jahre erkrankt und die Folgeerkrankungen manifest.
Die Typ 2 Variante der Zuckerkrankheit tritt erstmals überwiegend im mittleren und höheren Erwachsenenalter auf (Alterszucker). Erbliche Veranlagung in Kombination mit Adipositas und zu geringer körperlicher Aktivität führt zu einer Insulinresistenz. Zwar produziert der Körper noch eigenes Insulin, jedoch nicht in ausreichender Menge. Ist die Insulinproduktion gestört, nehmen die Körperzellen nicht mehr ausreichend Glucose zur Energieversorgung auf – der Patient fühlt sich schlapp und ausgezehrt. „Zur Behandlung sollte zunächst eine Normalisierung des Körpergewichts angestrebt werden. Wichtig ist zudem regelmäßige körperliche Betätigung zur Verbesserung der Insulinverwertung“, betont Prof. Dr. Werner Scherbaum von der Universität Leipzig. Außerdem sollten Risikofaktoren, wie Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörung, konsequent behandelt werden. Diabetes Typ 2 gehört zu den wenigen Krankheiten, bei denen sich der Patient selbst behandeln kann.
Ganz anders sieht es hingegen beim Diabetes Typ 1 aus. Hier bilden die Patienten kein eigenes Insulin mehr und sind auf externe Zufuhr angewiesen. Dieser Diabetes beginnt meist im Kindes-, Jugend- oder frühen Erwachsenenalter. Beim Typ 1 Diabetiker bilden sich Autoantikörper, die gegen die Insulin bildenden körpereigenen Inselzellen gerichtet sind. Ist der Autoimmunmechanismus gegen die Inselzellen getriggert, kommt es zur Dekompensation des Stoffwechsels und damit zur Insulinpflicht.
Unbehandelt entwickelt der Diabetes Typ 1 schwere Akutkomplikationen: Der Blutzuckeranstieg und die Übersäuerung des Blutes können einen hypoglykämischen Schock und damit das diabetische Koma auslösen – teils mit tödlichem Ausgang. Bei schlechter Einstellung drohen trotz Insulinbehandlung Spätfolgen, wie Schädigung der Blutgefäße, Schlaganfall, Herzinfarkt sowie Erblindung und Amputationen. Die Behandlung mittels Insulintherapie muss individuell auf den Patienten abgestimmt werden und den täglichen Erfordernissen angepasst werden. Während man früher in der konventionellen Therapie Insulin nur ein- bis zweimal täglich injizierte, ist man nun dazu übergegangen, die Insulingaben mehrfach über den Tag verteilt zu geben. Diese intensivierte Insulintherapie orientiert sich an der Kohlenhydratzufuhr und der jeweiligen körperlichen Aktivität. So werden natürliche Verhältnisse nachgeahmt und eine möglichst normnahe Blutzuckereinstellung erreicht.
Bei der Insulintherapie kann heute auf die früher übliche Spritze weitgehend verzichtet werden. Diskret und mit exakter Dosierung wird das Insulin mit einer Injektionshilfe, dem so genannten Pen, per Knopfdruck in die Haut injiziert. Bei manchen Patienten ist eine Behandlung mit Insulinpumpe erforderlich. „Dabei wird das Hormon über eine kontinuierliche Insulininfusion unter die Haut gespritzt“, erklärt Prof. Scherbaum. Über ein Gerät, dass der Patient am Gürtel trägt, wird die Insulinabgabe reguliert. Der Patient kann so sehr flexibel – abhängig von der jeweiligen Nahrungsaufnahme – Insulin per Knopfdruck zuführen. Damit sei bei geschulten Patienten eine optimale Stoffwechselführung möglich. Die Zahl der Diabeteskranken wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren verdoppeln, schätzen Experten. Der Diabetes Typ 2 ist eine Wohlstandserkrankung – weltweit ist mit einem großen Anstieg zu rechnen. om