Stellungnahme zum Gebrauch von Botulinumtoxin Typ A in der zahnärztlichen PraxisHepatitis C
Die Autoren dieser Studie konnten nach der Behandlung mit Botulinumtoxin A eine deutliche Verminderung der Spastik demonstrieren, die bei diesen Patienten auch mit einer Verbesserung der Lebensqualität assoziiert war. In den USA, wo Botulinumtoxin auch zur kosmetischen Behandlung von Glabellafalten zugelassen ist, erfährt die Substanz insbesondere auch in der Schönheitschirurgie zur Anti-Faltentherapie eine Renaissance [2, 3]. Die Food and Drug Administration (FDA) hat Anfang 2002 die Anwendung von Botulinumtoxin in den USA zur Bekämpfung von vertikalen Furchen zwischen den Augenbrauen und Falten rund ums Auge zugelassen. Bei der Anti-Faltentherapie wird das Toxin in kleinen Mengen in die Stirn, zwischen die Augen und in die Mundpartie gespritzt. Die umliegenden Muskeln werden auf diese Art und Weise stillgelegt, Falten sind nicht mehr sichtbar. Diese Behandlung ist wissenschaftlich umstritten und in Deutschland gibt es für die kosmetische Anwendung von Botulinumtoxin noch keine Zulassung.
Als weiteres viel versprechendes Indikationsgebiet wird der Einsatz von Botulinumtoxin A zur Behandlung der fokalen Hyperhidrosis in der Literatur beschrieben [3, 4]. Diese öffentliche Diskussion über den Einsatz von Botulinumtoxin A nehmen wir zum Anlass, kurz zum Gebrauch dieser Substanz in der zahnärztlichen Praxis Stellung zu nehmen.
Botulinumtoxine sind Exotoxine des grampositiven anaeroben Sporenbildners Clostridium Botulinum. Immunologisch können acht verschiedene Subtypen unterschieden werden. Zur Behandlung von Bewegungserkrankungen wird Botulinumtoxin Typ A verwendet. Botulinumtoxin ist der Auslöser für die selten gewordene, schwere Lebensmittelvergiftung Botulismus, die zur Muskellähmung führt und tödlich enden kann. Seit einiger Zeit wird Botulinumtoxin A auch therapeutisch in verdünnter Form bei bestimmten Indikationen eingesetzt. In Deutschland sind vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) folgende Indikationen zur Behandlung mit Botulinumtoxin Typ A zugelassen:
• Idiopathischer Blepharospasmus
• Spasmus hemifacialis
• Rotierender Torticollis spasmodicus (zervikale Dystonie).
Das Gift wirkt auf periphere cholinerge Synapsen und bewirkt dort eine selektive Proteolyse des Vesikelproteins SNAP (synaptomal-associated protein). Dies verhindert eine Freisetzung von Acetylcholin in den neuromuskulären synaptischen Spalt.
Durch die Botulinumtoxininjektion können die Symptome muskulärer Dystonie und Spastik wie Verkrampfungen, Schmerzen und Fehlstellungen gebessert werden. Die Wirkung des Toxins ist nach drei bis sechs Monaten reversibel, so dass Wiederholungsinjektionen erforderlich sind.
Für den Zahnarzt kommen hauptsächlich folgende Indikationsgebiete für den Einsatz von Botulinumtoxin A in Frage:
• schmerzhafte Hyperaktivität der Kaumuskulatur
• muskulär bedingte Kieferklemme (Trismus)
• oromandibuläre Dystonie (OMD)
Es handelt sich hierbei um komplexe, klinisch variable kraniale Dystonien mit Beteiligung von Gesichtsmuskeln der unteren Gesichtshälfte, der Zungen- und der Kaumuskulatur. Die klinische Symptomatik reicht von perioraler Unruhe, Grimassieren, Fältelungen der Nase bis zur Kiefersperre. Beim so genannten fazialen Typ der oromandibulären Dystonie stellen anhaltende Kontraktionen der oberflächlichen, vom VII. Hirnnerven versorgten mimischen Muskulatur häufig ein überwiegend kosmetisches Problem dar. Funktionell beeinträchtigender sind Dystonien vom Kieferschlusstyp (betreffen die vom V. Hirnnerven versorgten Muskeln: M. masseter, M. pterygoideus medialis, M. temporalis) und vom Kieferöffnungstyp (M. pterygoideus lateralis, M. digastricus). Diese Kieferdystonien können durch Sprechen oder Kauen ausgelöst werden und sind meist idiopathisch. Zahnverschleiß, Kiefersperre oder orale Ulzerationen führen die betroffenen Patienten dann meist zum Zahnarzt.
Die etablierte konservative Therapie der muskulären Hyperaktivität basiert hauptsächlich auf physiotherapeutischen (Einschleif- und Aufbissschienentherapie) und medikamentösen Therapiemaßnahmen (Muskelrelaxantien). Damit können 80 Prozent der Patienten primär erfolgreich behandelt werden. Bei 20 Prozent von ihnen bleibt die Beschwerdesymptomatik trotz konservativer Therapie weiterhin bestehen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zur Behandlung muskulärer Hyperaktivität der Kaumuskulatur mit Botulinumtoxin A [5] konnte bei bis zu 80 Prozent der Studienpatienten mit schmerzhafter Hyperaktivität der Kaumuskulatur eine Verbesserung der lokalen Schmerzsymptomatik zeigen. Bei muskulär bedingter Kieferklemme und fokaler Dystonie wurden im Beobachtungszeitraum von sechs Monaten in allen Fällen Verbesserungen der Mundöffnung bis zu Normwerten gefunden. Zusätzlich resultierte eine Abschwächung dystoner Bewegungsabläufe. Die Autoren dieser Studie schlussfolgern, dass die Behandlung mit Botulinumtoxin A in Zukunft bei Therapieresistenz eine wichtige Ergänzung konservativer Maßnahmen bei der Behandlung muskulärer Hyperaktivität darstellen wird.
Botulinumtoxin A scheint bei Versagen konservativer Behandlungsmaßnahmen bei oromandibulären Dystonien beziehungsweise bei hyperaktiver Kaumuskulatur eine mögliche alternative Therapieform zu sein. Es muss jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Injektion der tiefen Kaumuskulatur sehr gute anatomische Kenntnisse erfordert und nur unter EMG-Kontrolle von einem erfahrenen Untersucher an einem entsprechenden Zentrum durchgeführt werden sollte. Darüber hinaus dokumentieren die bereits vorliegenden Studien, dass Botulinumtoxin A auch bei fachgerechter lokaler Anwendung nicht frei von Nebenwirkungen ist. Am häufigsten sind Kopfschmerzen, grippeähnliche Symptome und Nausea. Seltener kommen Blepharoptosis (Herunterhängen des Oberlides), Schmerzen im Gesicht, Rötung der Injektionsstelle und Muskelschwäche vor. Die Applikation von Botulinumtoxin A durch den niedergelassenen Zahnarzt kann daher aus unserer Sicht nicht empfohlen werden.
Dr. Christoph SchindlerDr. Helmut PfefferProf. Dr. Dr. W. KirchArzneimittelkommission der BundeszahnärztekammerInstitut für Klinische PharmakologieMed. Fakultät der TU DresdenFiedlerstraße 2701307 Dresden