Oberlandesgericht Naumburg

10.000 Euro Schmerzensgeld nach tiefer Exzision ohne Einwilligung

Martin Wortmann
Recht
Bei Eingriffen sollten immer auch mögliche Erweiterungen mitgedacht, mit den Patienten besprochen und gegebenenfalls durch ein Röntgenbild abgesichert werden. Das zeigt ein neues Urteil.

Wegen einer Verletzung des Nervus lingualis verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Sachsen-Anhalt in Naumburg einen Zahnarzt zu einer Schmerzensgeldzahlung von 10.000 Euro. Im Streitfall sollte eine Zahnfleischkapuze an einem Weisheitszahn abgetragen werden. Ohne dass dies vorab besprochen war, entschied sich der Zahnarzt während der Behandlung zu einer tiefen Exzision der Schleimhautwucherung. Dabei wurde der Nervus lingualis verletzt.

Wie schon das Landgericht Stendal verurteilte nun auch das OLG den Zahnarzt zu einer Schmerzensgeldzahlung von 10.000 Euro. Er habe die Behandlung „nennenswert erweitert, ohne hierzu die notwendige Einwilligung der Klägerin eingeholt zu haben“.

Laut Gutachten wäre eine Röntgenaufnahme zwingend gewesen

Dazu betonten die Naumburger Richter, dass das Abtragen einer Zahnfleischkapuze von der Kaufläche des Zahns 48 eine wenig invasive Routinebehandlung sei. Dagegen müsse bei einer tiefen Exzision der Weisheitszahn teils freigelegt werden, was auf lingualer Seite das Risiko einer Verletzung des Nervus lingualis mit sich bringe. Zudem sei nach den üblichen Standards vorab eine Röntgenaufnahme erforderlich, weil bei einem Engstand der Zahn ohnehin gezogen werden müsse.

Im Streitfall habe der Zahnarzt keine Röntgenaufnahme gemacht und bei der Patientin habe ein Engstand vorgelegen. „Der Beklagte hat damit ,blind' eine überflüssige und nicht erfolgversprechende tiefe Exzision durchgeführt“, rügte das OLG. Laut Sachverständigengutachten sei es dann „zweifelsfrei auf Grund der tiefen Exzision zu einer dauerhaften Verletzung des Nervus lingualis“ gekommen.

Gericht geht von einer dauerhaften Schädigung aus

Dabei habe ein „grobes Verschulden“ des beklagten Zahnarztes vorgelegen. „Das Vorgehen des Beklagten beeinträchtigte vorsätzlich die körperliche Integrität der Klägerin und nahm die medizinische Sinnlosigkeit dieser Maßnahme zumindest billigend in Kauf“, heißt es in dem Urteil.

Zur Höhe des Schmerzensgeldes führte das Gericht zudem an, dass die Beeinträchtigung auch nach zwei Jahren noch fortbestanden habe, so dass von einer dauerhaften Schädigung auszugehen sei. Der Gutachter habe „massive Beschwerden“ festgestellt. Ein Sensibilitätsausfall der rechten Zungenseite habe zu „einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität“ geführt.

Danach befand das OLG Naumburg „den Betrag von 10.000 Euro für eine notwendige billige Entschädigung der Klägerin“ als angemessen.

Oberlandesgericht Naumburg
Az.: 1 U 86/23
Urteil vom 24. September 2024

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