Der Weg zum schrumpfungsfreien, selbsthaftenden, naturidentischen Komposit
So war es auch kürzlich in München, als die Organisatoren 3M Espe Forschern aus aller Welt mehrere „Lösungsaufgaben“ gaben, die da hießen: Wird es bald die biotechnische oder immunologische Kariestherapie geben? Ist Karies eine klassische Infektionskrankheit? Lässt sich Karies vermeiden? Gibt es neue Ansätze in der Kariesdiagnostik? Wie ist der Stand der Technik in der unterstützenden Parodontitis-Therapie? Sind Komposite biokompatibel?
Kariesrisiko: Frühdiagnose
Ein bekannter Präventionsexperte brachte es auf den Punkt: „Es ist ein guter Ansatz, nicht wie bei Speicheltest die gesamte Mundhöhle auf Karieskeime zu testen, sondern gezielt nach Stellen mit hoher Kariesaktivität zu suchen“. Dies scheint mit einem neuen, noch in der Entwicklung befindlichen Test zur Bestimmung des Kariesrisikos ohne Anzucht einer Bakterienkultur erstmals möglich zu sein.
Kampf den Bakterien
Als möglichen Weg, hohe Kariesaktivität in den Griff zu bekommen, untersucht Professor Page W. Caufield (B.S., D.D.S, Ph.D., New York) zurzeit die Reduzierung von Nischen durch die Versiegelung retentiver Bereiche. Dafür werden auch Approximalräume mit speziellen Ringen hermetisch vom Mundmilieu abgeschirmt. In Verbindung mit chemotherapeutischen und restaurativen Maßnahmen soll so das „Rückzugsgebiet“ für kariöse Keime minimiert werden. Biotechnologische Eingriffe, die zum Beispiel das Einschleusen von Genen zur Veränderung der Enzymaktivität betreffen könnten, hält Caufield für psychologisch fragwürdig und wegen der großen Anzahl von Bakterien-Phylotypen für nicht praktikabel. Zudem könne ein Kampf gegen Bakterien, der nicht das Gesamtsystem berücksichtigt, nur verloren werden: „Etwa 90 Prozent der Zellen des menschlichen Körpers sind Bakterien, wir sollten also lernen, mit ihnen zu leben.“
Parodontale Nachsorge
Handinstrumente oder Ultraschall-Verfahren können nach Aussage von Professor Dr. Thomas Flemmig, Münster, die Wurzeloberfläche auf Dauer stark schädigen. In Zusammenarbeit mit der Universität Münster entwickelte 3M ESPE daher ein minimal abrasives Pulver auf Aminosäurebasis (Clinpro ™ Prophy Powder), das den Biofilm bis zu fünf Millimeter subgingival wirksam und schonend von der Zahnoberfläche entfernt. Die Methode wird laut Flemmig von Patienten als vergleichsweise angenehm empfunden und ist zudem zeitsparend einsetzbar. Zahnstein wird mit der Methode nicht abgetragen und muss separat entfernt werden. Der Einsatz des Puders in tieferen Taschen wird zurzeit noch klinisch geprüft.
Biokompatibilität von Kompositen
Über Komposit-Allergien, die Häufigkeit postoperativer Überempfindlichkeit und Schmerzen berichtete Professor Dr. Gottfried Schmalz, Regensburg. Systemische
Wirkungen von Komposit-Inhaltsstoffen, die vollständig metabolisiert und ausgeschieden werden, sind laut Schmalz nicht bekannt. Auch in Bezug auf Mutagenität und Karzinogenität gibt es keine Bedenken. Nur für TEGDMA (Triethylenglykoldimethacrylat) und HEMA (Hydroxyethyl methacrylat) wurde in manchen Tests eine leichte mutagene Wirkung festgestellt, deren klinische Bedeutung aber fraglich sei. Wünschenswert ist laut Schmalz eine vollständige qualitative Deklaration der Inhaltsstoffe, die im Falle einer Allergie Zahnärzten und Patienten sehr helfen würde.
Seitenzahnkomposite heute
Das ideale Komposit sollte nach Aussage von Professor Jack Ferracane (B.S., Ph.D., Oregon), Biologe und Inhaber des Lehrstuhls für Biomaterialien und Biomechanik an der Universität Portland, USA, zum Ausgleich der Quellung zwischen 0,5 und einem Prozent schrumpfen und weiter verbesserte mechanische Festigkeitswerte aufweisen. Die mechanische Festigkeit und Überlebensdauer von Amalgamfüllungen sei laut Praxisstudien noch immer deutlich höher als von Kompositfüllungen. Für große, vor allem höckertragende Seitenzahnfüllungen empfiehlt Ferracane daher weiterhin Amalgam oder Gold.
Selbstätzende Adhäsive
Bis auf Weiteres ist die Adhäsivtechnik ein wichtiger Bestandteil der direkten Füllungstherapie mit Kompositen. Professor Yoichiro Nara, Tokio, stellte daher in München Ergebnisse eines aufwändigen Simulationstests zur Messung der Haftfestigkeit und Randdichtigkeit verschiedener Adhäsive vor, die sowohl in vitro, teilweise aber auch in vivo durchgeführt werden können. Während die Haftfestigkeitswerte im Schmelz und Dentin generell auf sehr hohem Niveau liegen, zeigen die okklusalen Randdichtigkeiten noch eine deutliche Streuung.
Silorane, ein Weg zum Ziel
Nanokomposite scheinen ein guter Schritt nach vorn zu sein, doch liegt ihre Volumenschrumpfung noch im Bereich klassischer Hybridcomposite. Die Entwicklung geht deshalb weiter. Bereits in den Vorträgen von Schmalz und Ferracane waren erste Ergebnisse zu einem Komposit mit so genannten ringöffnenden Monomeren vorgestellt worden. Schmalz testete die für dieses Komposit verwendeten Silorane als nicht mutagen und weniger toxisch als konventionelle Monomere. Schrumpfungswerte und Haftungsvermögen scheinen viel versprechend.
Resümee
Diese und noch mehr Themen gaben Zunder zu heißen Diskussionen zwischen Hochschullehrern aus aller Welt. Zum Teil mussten sie ihre eigenen Studienansätze in Frage stellen oder modifizieren, und sie erhielten Inspiration von Außen zu Veränderungen.
Ein für alle nachvollziehbares Ergebnis des Symposiums wurde erzielt: Die Zukunft scheint der biologisch orientierten Prävention zu gehören – aber auch der Entwicklung neuer Füllungsmaterialien, die weiter verbesserte Eigenschaften haben und deutlich einfacher anzuwenden sind.