Eine strategische Allianz gegen die EU-Pläne
Experten und Vertreter der Freien Berufe und des Handwerks kommentierten am 1.Oktober im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments den Richtlinienentwurf über die Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Das geplante Regelwerk, das einen europäischen Anbietermarkt von mehr als fünf Millionen Freiberuflern schaffen soll, sieht eine für alle Berufe durchgängige Regelung vor (horizontale Richtlinie). Ob es sich um eine gewerbliche oder freiberufliche, handwerkliche, kaufmännische, industrielle oder medizinische Ausbildung handelt: Künftig gilt eine einzige Richtlinie. Die bislang bestehenden sektoralen EU-Richtlinien für Zahnärzte, Ärzte, Apotheker, Krankenschwestern, Hebammen, Tierärzte sowie für Architekten sollen aufgehoben werden.
Den Freien Berufen nicht gerecht
Auf Zustimmung stieß während der Anhörung das Prinzip des Gesetzesvorhabens, den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zu vereinfachen. Doch der neue horizontale Ansatz werde den Besonderheiten der Freien Berufe nicht gerecht, so argumentierten viele, weil er den Schutz der Verbraucher mindere. Ein Beispiel: Nach der geplanten Regelung dürfte ein in Osteuropa ausgebildeter Zahnarzt seine Dienste in Deutschland gleichberechtigt mit deutschen Kollegen anbieten, auch wenn seine Ausbildung im Heimatland möglicherweise kürzer war.
Wenn der bisherige – sektorale – Ansatz nicht weiterentwickelt werden könne, sagte Dr. Gordon Watkins, britischer Repräsentant des Zahnärztlichen Verbindungsausschusses bei der EU (ZÄV), vor den Europaabgeordneten, so sei der Richtlinienentwurf zumindest in folgenden Punkten verbesserungsbedürftig:
• Berufstätigkeiten im EU-Ausland sollten bis zu einer Dauer von 16 Wochen als grenzüberschreitende Dienstleistung erlaubt und nicht dem Berufsrecht des Aufnahmelandes unterliegen. Das sei problematisch, weil in einigen Mitgliedstaaten die Ausübung der Heilkunde teilweise durch nicht speziell hierfür ausgebildete Berufsangehörige zugelassen ist.
• Im Rahmen der Niederlassungsfreiheit könnten Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Berufsqualifikationen anzuerkennen, die unmittelbar unter den festgelegten Niveaus liegen. Das verstoße gegen das Prinzip einheitlicher, höchstmöglicher Qualitätsstandards.
• Qualifikationsanerkennungen für unterschiedlichste Berufe würden künftig in einem einzigen Beratenden Ausschuss geregelt. Die Fachausschüsse für die so genannten sektoralen Berufe sollten aufgehoben werden. Nach Meinung der Zahnärzte der EU-Mitgliedstaaten sollten sie beibehalten werden.
Die Position des ZÄV zum Richtlinienvorschlag wurde vom Brüsseler Büro der Bundeszahnärztekammer auf Basis von deren im Mai dieses Jahres an die Bundesregierung übermittelter Stellungnahme redigiert. Dr. Watkins wurde dazu vom Brüsseler Büro intensiv „gebrieft“.
Seit Beginn des Vorhabens der Kommission hat die Bundeszahnärztekammer national wie europäisch, allein, gemeinsam mit den deutschen Vertretern der medizinischen Berufe wie auch des Zahnärztlichen Verbindungsausschusses und zuletzt in einer strategischen Allianz mit allen europäischen Repräsentanten der Heilberufe und der Architekten ihre Bedenken dargelegt.
Als nächstes wird das Brüsseler Büro beim Europäischen Parlament Änderungsanträge zum Richtlinienvorschlag einreichen. Erläutert werden diese unter anderem während eines gemeinsam mit der deutschen Ärzte- und Apothekerschaft am 2. Dezember in Brüssel für Europaabgeordnete veranstalteten parlamentarischen Abends.
Dr. Wolfgang SprekelsVizepräsident der BundeszahnärztekammerChausseestr. 13, 10115 Berlin