Repetitorium

Hormonsubstitution im Klimakterium

Rund jede dritte Frau in den Wechseljahren wird in Deutschland mit Hormonen behandelt. Die Hormonersatztherapie im Klimakterium ist jedoch in jüngster Zeit in die Schlagzeilen geraten, nachdem eine große amerikanische Studie wegen offenbar zusätzlicher Risiken der Hormonsubstitution vorzeitig abgebrochen werden musste.

Eine kritische Phase im Leben der Frau sind die Wechseljahre. Es ist die Zeit, in der die Östrogenproduktion in den Eierstöcken nachlässt, was meist um das 50. Lebensjahr herum der Fall ist. Die hormonellen Veränderungen verursachen den meisten Frauen Beschwerden, wobei vor allem Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen zu nennen sind. Es liegt folglich nahe, diese Beschwerden durch einen Ersatz der fehlenden Hormone zu behandeln und zumindest für die Zeit der Umstellung Östrogene einzunehmen, bis der Körper sich schließlich an die nachlassende Hormonproduktion gewöhnt hat. Prinzipiell sind zwei Formen der Behandlung denkbar, die so genannte ERT für „Estrogen Replacement Therapy“, bei der nur das fehlende Östrogen ersetzt wird, sowie die HRT für „Hormon Replacement Therapy“, bei der kombiniert mit Östrogenen und Gestagenen behandelt wird.

Eine Hormonsubstitution im Klimakterium wurde in Deutschland, aber auch international, viele Jahre von führenden Gynäkologen propagiert. Es wurde davon ausgegangen, dass eine Östrogenbehandlung nach der Menopause vielen Veränderungen, die sich ansonsten im Organismus der Frau in dieser Zeit vollziehen, entgegenzuwirken vermag. Vor allem den Folgen des Östrogendefizits sollte so vorgebeugt werden.

So haben die Östrogene direkte Wirkungen auf die Haut wie auch auf die Schleimhaut. Sie fördern die Kollagenbildung und wirken somit der Faltenbildung entgegen, ein Effekt, der bei sinkenden Östrogenspiegeln wegfällt. Dann verengen sich außerdem die Blutgefäße in der Haut und in der Schleimhaut, es kommt zur Minderdurchblutung und zum Teil auch zu Schleimhautatrophien und das sowohl im Mundbereich als auch im Vaginalbereich. Beschwerden beim Geschlechtsverkehr können die Folge sein aber auch Entzündungen der Harnwege und schließlich auch eine Harninkontinenz. Es ist gut dokumentiert, dass solche Veränderungen durch eine gezielte Östrogenbehandlung zu bessern sind. Die Hormone steigern nachweislich den Kollagen- und Feuchtigkeitsgehalt der Haut und auch die Beschwerden durch eine vaginale Schleimhautatrophie lassen sich durch systemische wie auch lokale Östrogenbehandlungen gut lindern.

Psychovegetative Symptome lindern

Auch die typischen psychovegetativen Beschwerden sind in aller Regel gut durch die Gabe von Hormonen zu bessern. So leiden viele Frauen unter Hitzewallungen und Schweißausbrüchen, etwa jede dritte Frau findet diese massiv beeinträchtigend. Schlafstörungen und Stimmungstiefs kommen oft hinzu.

Solche Beschwerden aber sprechen gut auf die Hormonbehandlung an und hier liegt somit eine wesentliche Domäne der HRT.

Unklare Folgen für Herz und Gefäße

Allerdings wurde der Östrogenmangel davon abgesehen in der Vergangenheit immer wieder auch mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall in Zusammenhang gebracht. Der Hormonersatztherapie wurde schon fast zwangsläufig eine Schutzwirkung gegenüber dem zu beobachtenden massiven Anstieg von Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen jenseits der Menopause zugesprochen. Diese konnte jedoch in speziellen Studien bislang nicht gesichert werden. Zwar ist gut dokumentiert, dass Östrogene die Blutfette günstig beeinflussen, ob aber langfristig der Anstieg der Rate an Herz-Kreislaufkomplikationen durch Hormone gebremst werden kann, ist nicht nach klaren schulmedizinischen Kriterien bewiesen.

Untersuchungen bei Frauen mit bestehender Koronarer Herzerkrankung (KHK) zeigten zudem ein enttäuschendes Resultat, da auch bei mehrjähriger Hormonbehandlung keine Reduktion sondern tendenziell sogar eine Steigerung der Rate an kardiovaskulären Ereignissen feststellbar war. So zeigte die so genannte HERS-Studie (Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study), die bereits vor vier Jahren publiziert wurde, insgesamt keinen Unterschied der Infarktrate zwischen Frauen mit KHK, die Östrogene und solchen, die Placebo erhiel-ten. Allerdings war die Zahl der Infarkte im ersten Studienjahr unter der Hormontherapie doch etwas höher als in der Kontrollgruppe. Erst ab dem vierten Jahr kehrte sich dieser Trend zu Gunsten der HRT um. Ursprüngliche Vermutungen, bei längerfristiger Therapie würden die Frauen mehr profitieren, konnten in der anschließenden Beobachtungsphase (HERS II) dann aber nicht bestätigt werden.

Auch die ursprüngliche Vermutung, durch die Hormonsubstitution könne dem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit im Alter entgegengewirkt oder sogar einer Alzheimerschen Krankheit vorgebeugt werden, bestätigte sich bislang nicht.

Noch unklar ist, ob eine frühzeitige Hormonsubstitution bei Frauen, die noch gesunde Blutgefäße ohne erkennbare arteriosklerotische Veränderungen aufweisen, auf lange Sicht Herz-Kreislaufkomplikationen verhindern kann. Es gibt Hinweise hierfür aus Fall-Kontroll-sowie Kohortenstudien, wobei jedoch wahrscheinlich eine niedrige Östrogendosis ausreichend ist. Entsprechende kontrollierte Studien laufen in den USA, wobei eine groß angelegte Studie, die WHI-Studie (Womens Health Initiative), vor wenigen Monaten vorzeitig beendet wurde. An der Studie hatten mehr als 16 600 gesunde Frauen zwischen 50 und 79 Jahren teilgenommen, wobei die Hälfte von ihnen täglich ein Hormonpräparat (konjugiertes Östrogen und Medroxyprogesteronacetat) einnahm. Primäre Endpunkte der Studie waren KHK-Ereignisse sowie das Mammakarzinom und es zeigte sich nach fünf Jahren, dass die Rate kardiovaskulärer Ereignisse in der HRT-Gruppe sogar 29 Prozent höher war als unter Placebo. Auch die Brustkrebsrate war erhöht, so dass die Studie aus ethischen Erwägungen abgebrochen wurde.

Häufiger Thrombosen

Dem fraglichen Nutzen für Herz und Kreislauf steht aber ein gesichertes erhöhtes Thromboserisiko gegenüber. Bei anamnestisch erhöhtem Thromboserisiko oder bekannter Familienanamnese ist deshalb die Indikation zur HRT kritisch zu stellen. Im Zweifelsfall empfehlen die Experten die Untersuchung der Gerinnungsparameter, ehe mit der Hormontherapie begonnen wird.

Knochenschwund: Weniger Frakturen?

Etwas konkreter als bei der Gesundheit von Herz und Gefäßen sind die Daten bei der Knochengesundheit. So ist bekannt, dass das menopausale Östrogendefizit den Knochenabbau anregt und damit eine Abnahme der Knochendichte bewirkt. Damit steigt die Gefahr einer Osteoporose, was erklärt, warum rund jede dritte Frau im Alter an Knochenschwund leidet und mit einem massiv erhöhten Frakturrisiko zu kämpfen hat.

Dokumentiert ist dabei auch eine Zunahme der Knochendichte unter einer Östrogengabe und das sogar bei älteren und alten Frauen. Ob dem aber tatsächlich eine Reduktion der Frakturrate folgt, ist bislang nicht klar bewiesen. Eine große Fallkontrollstudie und auch dänische Untersuchungen deuten eine Reduktion der Frakturinzidenz um 25 bis 75 Prozent bei mehr als fünfjähriger Hormoneinnahme an, Studien zur Primärprävention , die den eindeutigen Beweis liefern würden, stehen jedoch noch aus. Sie sind nicht einfach zu realisieren, nicht zuletzt weil sich die Osteoporose meist erst rund 20 Jahre nach der Menopause manifestiert. Die Knochengesundheit alleine ist damit sicher keine hinreichende Indikation für eine Hormonersatztherapie. Hilfreich zur Bewertung der Situation kann eine Risikoabschätzung für die Entwicklung einer Osteoporose sein, wobei neben der Erfassung der individuellen Risikofaktoren auch das familiäre Risiko zu bedenken ist.

Erhöhtes Krebsrisiko – ein hoher Preis

Der Preis, der für solch vermeintliche und zumindest noch nicht zweifelsfrei bewiesenen Schutzwirkungen zu zahlen ist, könnte allerdings hoch sein, wie jüngste Studien andeuten. Bereits vor Jahren haben epidemiologische Analysen angezeigt, dass sich unter der Östrogentherapie die Häufigkeit eines Mammakarzinoms steigert, wenn auch nur geringfügig. Bei fünfjähriger Hormonbehandlung wurden pro 1 000 Frauen zwei Fälle an Brustkrebs mehr und bei zehnjähriger Therapie pro 1000 Frauen sechs zusätzliche Fälle registriert. Es wurde aber keine Erhöhung der Brustkrebssterblichkeit gesehen.

Das Ergebnis wurde so gedeutet, dass die Östrogengabe zwar nicht die Entwicklung des Brustkrebs provoziert, wohl aber das Wachstum eines vorbestehenden Tumors fördert. Allerdings kann der Befund auch darin begründet sein, das Frauen unter der HRT engmaschiger betreut und Brusttumore somit früher erkannt werden.

WHI-Studie – wegen Risiko vorzeitig abgebrochen

Dass offenbar nicht ungestraft unkritisch in den weiblichen Hormonhaushalt eingegriffen werden darf, hat die WHI-Studie eindrucksvoll demonstriert. Bei dieser weltweit größten Studie zur Hormontherapie nach der Menopause, die eigentlich bis zum Jahre 2005 laufen sollte, wurden die beteiligten Frauen nunmehr aufgefordert, die Hormoneinnahme einzustellen, da gesundheitliche Risiken nicht auszuschließen seien. Denn die ersten Analysen ergaben eine relative Zunahme der Brustkrebsfälle im Hormonkollektiv um 26 Prozent und zudem auch eine höhere Rate an Herzinfarkten, Schlaganfällen und Thrombosen. Dem gegenüber stand eine Reduktion des Darmkrebsrisikos um 57 Prozent sowie der Oberschenkelhalsfrakturen, wie sie für eine Osteoporose typisch sind, um 25 Prozent.

Insgesamt betrachtet ist das Risiko, durch die Hormonbehandlung geschädigt zu werden, nach Angaben der Studienleiter zwar gering, doch ist davon auszugehen, dass eine von 100 Frauen, die fünf Jahre lang ein Hormonpräparat einnimmt, eine schwere Nebenwirkungen dieser Behandlung erleidet.

Allerdings sollte dies nicht dazu führen, dass den Frauen deshalb die Vorteile der HRT vorenthalten werden und es ist zudem nicht sicher, ob die unter der Behandlung in den USA registrierten Beobachtungen bei anderer Hormonzusammensetzung ebenso gelten. So wurden nach dem Abbruch der Studie in Deutschland rasch Stimmen laut, dass möglicherweise das gewählte Östrogen und das Gestagen für diese Indikation ungeeignet seien.

Panik ist nicht gerechtfertigt

Gegen panikartige Reaktionen, aber für eine neue Bewertung der Nutzen-Risiko-Abwägung der HRT plädiert indes der Berufsverband der Frauenärzte. Rund fünf Millionen Frauen in Deutschland nehmen nach den Schätzungen des Verbandes Hormonpräparate gegen Beschwerden der Wechseljahre und auch mit dem Ziel, typischen Alterserkrankungen vorzubeugen. Trotz der nunmehr sich breit machenden verständlichen Bedenken gegen diese Therapie bleibt nach Angaben des Berufsverbandes allerdings nach wie vor gesichert, dass durch eine kurzfristige Hormonbehandlung die individuellen Beschwerden postmenopausaler Frauen, wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen,

gut gelindert werden können. Selbstverständlich aber müsse die Behandlung regelmäßig kontrolliert und durch den Gynäkologen überwacht und in ihrer Dosierung außerdem an die jeweiligen Beschwerden angepasst werden.

Auch die Frauenärzte machen darauf aufmerksam, dass die WHI-Studie streng genommen nur für das gewählte Kombinationspräparat gilt, das in Deutschland aber nur selten verordnet wird. Auch lag das mittlere Alter der Frauen im WHI-Programm bei 63 Jahren, was es fraglich erscheinen lässt, ob tatsächlich eine Primärprävention realisiert wurde, oder ob nicht doch eine Vielzahl von Frauen bereits kardiovaskuläre Veränderungen aufwiesen, ohne dies jedoch zu wissen oder mit Symptomen zu reagieren. Es ist zudem, so die Stellungnahme weiter, nicht klar, ob nicht der Gestagen-Zusatz die Wirkung auf die Gefäße abschwächt und aus Herz-Kreislauf-Sicht nicht vielleicht ein reines Östrogen-Präparat geeigneter wäre.

Diese Frage haben sich auch die amerikanischen Wissenschaftler gestellt und einen Studienarm weiter laufen lassen. Geprüft wird deshalb in der WHI-Studie weiter, wie sich das KHK-Risiko bei Frauen verhält, denen die Gebärmutter entfernt wurde und die mit einem alleinigen Östrogen-Präparat behandelt werden.

Keine Bedenken gegen Kurzzeittherapie

Um das Brustkrebsrisiko unter der HRT genauer abzuklären, fördert außerdem die Deutsche Krebshilfe eine Fall-Kontroll-Studie, bei der mehr als 10 000 Frauen – gesunde Frauen wie auch solche, die an Brustkrebs erkrankt sind – intensiv befragt werden, und das unter anderem auch nach dem Rauchen und nach einer Hormontherapie. Die Studie läuft derzeit an, ihr Ergebnis wird in fünf Jahren erwartet.

Viele bundesdeutsche Gynäkologen empfehlen einstweilen ein pragmatisches Vorgehen. Demnach sollte die Hormonersatztherapie nicht nach dem Gießkannen-Prinzip erfolgen und unkritisch allen Patientinnen im Klimakterium verordnet werden. Andererseits ist die HRT bei der akuten und kurzfristigen Behandlung typischer Beschwerden in den Wechseljahren offenbar unproblematisch. Bei einer geplanten langfristigen Anwendung ist die Indikation kritisch zu stellen und am persönlichen Risiko der Frau zu orientieren.

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