Mehr Freiheit, Prävention und Transparenz

Mehr Freiheit, Prävention und Transparenz

Am Tag vor den Koalitionsverhandlungen zur Gesundheitspolitik präsentierten Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) in Berlin ihre Grundsatzforderungen an die neue Bundesregierung. Die Zahnärzteschaft will „mehr Freiheit für die Patienten, mehr Prävention und mehr Transparenz“.

In paritätisch abgestimmter Rollenverteilung führten die Spitzen der drei zahnärztlichen Bundesorganisationen am 10. Oktober im Haus der Bundespressekonferenz vor Journalisten aus, wie sich die Zahnärzteschaft in die weitere Debatte um die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens einbringen wird. FVDZ-Bundesvorsitzender Dr. Wilfried Beckmann, BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp und der KZBV-Vorsitzende Dr. Rolf-Jürgen Löffler betonten in ihren programmatischen Forderungen, es sei jetzt notwendig, „die Entscheidungsfreiheit des Patienten zu stärken, ein neues und gerechteres Finanzierungssystem zur konsequenten Umsetzung der Prävention zu etablieren und im Gesundheitswesen mehr Transparenz durch weniger Bürokratie zu schaffen“.

Start mit Schmerztherapie

Der FVDZ-Bundesvorsitzende Beckmann warnte davor, aus ökonomischer Warte die Probleme des deutschen Gesundheitswesens nach dem Prinzip des undifferenzierten „Heckenschnitts“ anzugehen. Deutschlands Gesellschaft habe zu Recht die Erwartung, „mehr Optionen auf Lebensqualität“ zu erhalten und „gesund alt werden“ zu können. Im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung sei deshalb ein Handlungsrahmen erforderlich, „der uns den Dialog mit unseren Patienten ermöglicht“. Befundorientierte Festzuschüsse in Verbindung mit Kostenerstattung seien zumindest im zahnärztlichen Bereich der geeignete Weg, trotz der anstehenden Probleme wie hoher Arbeitslosigkeit und einem wachsenden Anteil der Rentner zu erreichen, dass sich die Einnahmen und Ausgaben innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung wieder decken könnten.

Erforderlich sei als erster Schritt, dass – quasi als „Schmerztherapie“ – die Reglementierungen aus dem SGB V heraus gestrichen werden, „die nicht geeignet sind, die Versorgung der Patienten zu verbessern, sondern nur die Berufsfreiheit der Zahnärzte gravierend belasten“. Die jüngsten Beschlüsse auf der FVDZ-Hauptversammlung hätten mit dem „Projekt Zahnmedizin“ das Angebot, in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ein Modell zu starten, erneut bekräftigt. Auch wenn mit diesem Konzept „keine Heilung der GKV verbunden“ sei, wirke es auf einen Teil des Systems entlastend.

Das zahnärztliche Konzept basiere auf der Vision einer Pflicht zur Versicherung und strebe in letztlicher Konsequenz die Privatisierung der gesetzlichen Krankenversicherung an. Selbst wenn sich das auf staatlichen Regelungen fußende System nur evolutionär entwickeln könne, sei die visionäre Zielsetzung, so Beckmann, ein wichtiger Ansporn für den Weg aus der Misere.

Therapiefreiheit schaffen

BZÄK-Präsident Weitkamp forderte, „das Erstattungssystem so umzustellen, dass der Patient in enger Beratung mit seinem Zahnarzt die von ihm bevorzugte Therapie wählen kann“. Mit dem zahnärztlichen Reformkonzept habe man sich der Problematik des Gesundheitswesens nicht von der Finanzierungswarte genähert, sondern das gesamte Fachgebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde unter die Prämisse der Prävention gestellt. Vorrang habe die Vorsorge und der Versuch, eingetretene Schäden so gut wie möglich zu heilen. Bisher werde die Prävention weitgehend verhindert, weil der gesetzliche Rahmen dazu nicht die Voraussetzungen biete. Weitkamp: „Die Freiheit der Therapie bei einem Befund steht Patienten heute nicht zur Verfügung.“ Das zahnärztliche Konzept schaffe die Möglichkeit, „einen fixen Zuschuss – abhängig von Diagnose und Befund – zur Zahnbehandlung von der Krankenkasse zu erhalten“. Der Patient entscheide selbst, ob er bespielsweise zur Schließung einer Zahnlücke die herkömmliche Brückenversorgung, ein Implantat oder anderes erhält. Das Konzept sei sozial gerechter und umfasse immer eine Regeltherapie-Maßnahme, die weitestgehend von der GKV abgedeckt werde. Es bewirke „Klarheit für Zahnarzt und Patient, ohne den Solidargedanken zu verletzen“.

Weitkamp betonte, dass eine ergänzende Erweiterung der bestehenden Abrechnungssysteme für die präventiven Therapiestrategien nicht ausreiche: „Die seit den 80er Jahren unveränderte GOZ und erst recht der in den 60er Jahren angelegte BEMA-Z müssen dafür reformiert werden.“ Das Erstattungssystem sei so umzustellen, „dass der Patient aus allen Therapiealternati- ven frei wählen kann, die Solidargemeinschaft jedoch nur mit den notwendigen Kosten belastet wird“. Insgesamt biete das zahnärztliche Modell eine Reihe von Vorteilen (s. Info-Kasten).

Patient als Kontrolleur

„Wir fordern die neue Bundesregierung auf, die sich immer schneller drehende Verwaltungsspirale in unserem Gesundheitswesen zu stoppen,“ erklärte der KZBV-Vorsitzende Löffler auf der Berliner Pressekonferenz. Notwendig sei Deregulierung und echter Wettbewerb auf Seiten der Leistungsträger wie der Krankenkassen. Bisher hätten sich die Bürokraten „mit immer neuen Vorschriften und dazu passenden Formblättern gegenseitig überboten, die Steuerung und Verwaltung des Systems habe Milliarden verschluckt“. Schon eine zahnmedizinische Routinebehandlung löse einen wahnsinnigen Verwaltungsaufwand aus. Hier sei Deregulierung angesagt, damit für den Versicherten das System, das er mit seinen Beiträgen finanziert, durchschaubar und nachvollziehbar werde. Wichtig sei, „dass unsere Patienten am Ende ihrer zahnärztlichen Behandlung eine klar verständliche Rechnung bekommen und die Mögichkeit haben, diese mit dem Zahnarzt abzurechnen“. Die Krankenversicherten in Deutschland seien mündig genug, eigenverantwortlich mit ihrer Gesundheit und den dafür notwendigen Kosten umzugehen – ebenso wie die Bürger vieler europäischer Nachbarstaaten.

Erforderlich sei auch, den Ausbau weiterer Datensammlungen zu stoppen, wehrte sich Löffler gegen die Vorhaben, unter dem Deckmantel größerer Transparenz und höherer Versorgungsqualität zentrale Sammlungen von Gesundheitsdaten anzulegen: „Sie schränken das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten noch weiter ein, beseitigen das Arztgeheimnis und zerstören das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt.“ Die Zahnärzteschaft werde sich deshalb allen Bestrebungen, mit einem Datentransparenzgesetz personenbeziehbare Gesundheitsdaten der Bevölkerung zentral zu erfassen, entschiedenen Widerstand entgegensetzen.

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