Doppelter Service mit getrennten Kassen
Der Zahnarzt als Freiberufler genießt das Privileg, dass seine zahnärztlichen Einkünfte nur der Einkommensteuer unterliegen. Im Unterschied zu einem Gewerbetreibenden muss er keine Gewerbesteuer bezahlen. Somit spart er jährlich zirka neun Prozent des Gewinns oder etwa drei Prozent seines Honorarumsatzes. Jedem Zahnarzt kann also nur daran gelegen sein, dass seine zahnärztlichen Einkünfte weiterhin gewerbesteuerfrei sind.
Zunehmend verstehen sich die zahnärztlichen Praxen als Serviceunternehmen, welche ihren Patienten alle Leistungen „Rund um den Zahn“ anbieten möchten. Damit verlassen diese Praxen jedoch den sicheren Bereich der reinen freiberuflichen Tätigkeit. Gewerbesteuer droht – und zwar nicht nur für den Verkauf der Prophylaxe-Artikel, sondern für die gesamte Tätigkeit des Zahnarztes.
Gewerbesteuer
Gewerbesteuer ist grundsätzlich für alle gewerblichen Einkünfte zu zahlen – also für Einkünfte, die nicht freiberuflich zustande kommen. Allerdings erzielen einige Firmen auch auf Grund ihrer Rechtsform gewerbliche Einkünfte – zum Beispiel die GmbH.
Betreibt eine Einzelpraxis einen Prophylaxe-Shop, entstehen in aller Regel neben den freiberuflichen auch gewerbliche Einkünfte. Um eine Trennung der Einkünfte zu erreichen, genügt es, wenn Einnahmen und Ausgaben des Prophylaxe-Shops getrennt von den Einnahmen und Ausgaben der Praxistätigkeit aufgezeichnet werden. Hier reicht ein eigens für den Prophylaxe-Shop geführtes Kassenbuch aus. Gemischte Kosten, also solche, die sowohl im zahnärztlichen als auch im Verkaufsbereich anfallen, sind anteilig umzulegen.
Doch leider ist es nicht immer möglich, die erzielten Umsätze in eine Schublade zu stecken, auf der entweder „freiberuflich“ (und damit gewerbesteuerfrei) oder „gewerblich“ (und damit gewerbesteuerpflichtig) steht. Liegen die Schubladen auch noch dicht beieinander, kann die „freiberufliche“ von der „gewerblichen“ angesteckt werden. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn eine Gemeinschaftspraxis einen Prophylaxe-Shop einrichtet.
Einheitliche Behandlung
Da die gewerblichen Einkünfte einer Gemeinschaftspraxis nicht einfach einem Steuerpflichtigen zugeordnet werden können, behandelt das Finanzamt freiberufliche und gewerbliche Einkünfte einheitlich. Das führt dazu, dass die gesamten Einkünfte gewerblich werden und die Zahnärzte auch für freiberufliche Einkünfte Gewerbesteuer zahlen müssen. Der Fiskus spricht hier von der so genannten „Abfärbetheorie“. Nur wenn eine geringfügige gewerbliche Tätigkeit vorliegt, kommt diese Problematik nicht zum Tragen. Was genau unter einer „geringfügigen“ Tätigkeit zu verstehen ist, darüber gibt es keine gesetzliche Definition. In einem ähnlichen Fall urteilte der Bundesfinanzhof, dass ein Anteil von bis zu 1,25 Prozent der gewerblichen Umsätze am Gesamtumsatz (gewerblicher und freiberuflicher Umsatz) unschädlich sei. Die Besteuerung des gesamten Umsatzes mit Gewerbesteuer lässt sich jedoch auch im Falle einer Gemeinschaftspraxis vermeiden. Die Lösung ist die Gründung eines eigenen Unternehmens für die gewerbliche Tätigkeit – den Prophylaxe-Artikel-Verkauf. Das „neue“ Unternehmen muss wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell völlig unabhängig von der Praxis geführt werden. Im Klartext heißt das:
• EineGewerbeanmeldungist erforderlich. Diese erfolgt bei der Gemeinde und ist für Praxiskooperationen zwingend erforderlich.
•Eine separate Kasse und ein eigenes Kontofür den Prophylaxe-Shop müssen eingerichtet werden, über welche die Zahlungsabwicklung erfolgt. Die Einnahmen müssen in eine eigene Kasse fließen, über die ein eigenes Kassenbuch geführt wird.
•Rechnungsformulare und Briefpapierfür den Prophylaxe-Shop müssen besorgt werden. Denn der gesamte Schriftverkehr des Prophylaxe-Shops, wie Rechnungen und Bestellungen, muss eindeutig dem Prophylaxe-Shop zuzuordnen sein.
• Aufgetrennte Warenlagerist zu achten, denn die Waren des Prophylaxe-Shops dür-fen nicht zusammen mit den Praxiswaren aufbewahrt werden.
• Der Prophylaxe-Shop hat eineigenes Betriebsvermögen. Investitionen für den Prophylaxe-Shop (wie etwa Möbel) sind somit getrennt vom Praxisvermögen zu erfassen.
• Werden Gegenstände, Räume, Personal, und anderes von der Praxis und dem Prophylaxe-Shop gemeinsam genutzt, darf die Praxis die Ausgaben hierfür dem Prophylaxe-Shopin Rechnung stellen. Auf keinen Fall ist jedoch diese Rechnung mit einem „Aufschlag“ zu versehen. Denn dann würde in der Praxis wieder ein Gewinn aus gewerblichen Einkünften entstehen.
•Getrennte Aufzeichnungen und Büchersind ebenfalls erforderlich, da Einnahmen und Ausgaben separat und völlig eigenständig für den Shop geführt werden müssen.
• Da es sich bei der Praxiskooperation und der Shopgemeinschaft um zwei selbständige Firmen handelt, muss für den Prophylaxe-Shop einegesonderte Steuererklärungeingereicht werden, wobei hier die Umsatz- und Gewerbesteuererklärung hinzukommt.
Auf keinen Fall darf es zu einer Vermischung von Praxis und Prophylaxe-Shop kommen. Schnell kann es beispielsweise passieren, dass in der Praxis die Zahnseide knapp wird und die Helferinnen sich aus dem Prophylaxe-Shop bedienen. Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Entnahme von Zahnseide aus dem Shop ist selbstverständ lich möglich, jedoch muss entweder ein Verkauf stattfinden, oder die Entnahme muss unverzüglich wieder ausgeglichen werden. Nur dann erfolgt die Einordnung des Praxis-Shops zum selbständigen und von der Zahnarztpraxis steuerlich abgegrenzten Gewerbebetrieb.
Unabhängig davon, ob und wie eine Einzel- oder Gemeinschaftspraxis ein Shopgeschäft betreibt, werden die Einkünfte aus dem Prophylaxe-Shop erst bei Überschreiten des Freibetrages von 24 500 Euro mit Gewerbesteuer belastet. Liegt der Gewinn über dieser Freigrenze, muss Gewerbesteuer gezahlt werden.
Die Gewerbesteuer wird folgendermaßen ermittelt: Das Finanzamt stellt auf Grundlage der Einnahme-Überschuss-Rechnung den Gewerbeertrag fest. Von diesem wird der Freibetrag von 24 500 Euro abgezogen. Der verbleibende Gewerbeertrag wird mit einer Steuermesszahl multipliziert, welche progressiv von ein bis fünf Prozent gestaffelt ist. Das Ergebnis ist der Steuermessbetrag, welcher in einem Gewerbesteuermessbescheid festgestellt wird. Die Gemeinde, an welche die Gewerbesteuer abzuführen ist, berechnet die Gewerbesteuer auf Grund des Steuermessbetrages und dem gemeindeindividuellen Hebesatz. Die Gemeindehebesätze liegen derzeit zwischen 350 und 480 Prozent. Die Gewerbesteuer ist eine Betriebsausgabe und reduziert im Jahr der Zahlung den Gewinn des Prophylaxe-Shops.
Erfreuliche Anrechnung
Der oder die Inhaber des Prophylaxe-Shops müssen in ihrer Einkommen-beziehungsweise Feststellungserklärung den Gewinn des Shops als „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ deklarieren. Erfreulicherweise wird seit dem 1. Januar 2001 ein Teil der gezahlten Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet.
Aber neben der gewerbesteuerlichen Problematik ist auch die Umsatzsteuer zu beachten. Die Umsatzsteuerpflicht besteht unabhängig davon, ob der Prophylaxe-Shop in einer Einzelpraxis oder einer Gemeinschafts-beziehungsweise Praxisgemeinschaft betrieben wird. Aber auch hier gibt es einen Weg, die Umsatzsteuerpflicht zu umgehen. Die Lösung heißt: Kleinunternehmerregelung. Danach unterliegen Kleinunternehmer nicht der Verpflichtung, Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Sie können dafür aber auch keine Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen und dürfen keine Umsatzsteuer in der Rechnung ausweisen. Um unter die Kleinunternehmerregelung zu fallen, darf der jährliche Umsatz von zurzeit 16 620 Euro (inklusive Umsatzsteuer) nicht überschritten werden. Zudem darf der voraussichtliche Umsatz im laufenden Jahr nicht über 50 000 Euro liegen. Kleinunternehmer können jedoch freiwillig die Verpflichtung zur Anmeldung und Entrichtung der 16-prozentigen Umsatzsteuer wählen. Dafür dürfen sie sich dann auch die Vorsteuer vom Finanzamt zurückholen.
Eigenes Unternehmen
Relativ einfach zu handhaben ist die Umsatzsteuer, wenn der Prophylaxe-Shop ein eigenes, neben der Zahnarztpraxis bestehendes Unternehmen ist. Die Umsätze werden je Unternehmer und somit getrennt erfasst.
Ist der Prophylaxe-Shop jedoch in die Praxis integriert, wird es komplizierter, da sich die Umsatzsteuer gravierend von der Einkommensteuer unterscheidet. Bei der Umsatzsteuer darf keine Aufgliederung in freiberufliche und gewerbliche Tätigkeit vorgenommen werden.
Um festzustellen, ob die Praxis unter die Kleinunternehmerregelung fällt, werden alle umsatzsteuerpflichtigen Praxisumsätze zusammengerechnet. Unter die umsatzsteuerpflichtigen Praxisumsätze fallen nicht nur die Umsätze aus dem Prophylaxe-Shop, sondern beispielsweise auch Laborumsätze aus dem Eigenlabor und Einnahmen aus der umsatzsteuerpflichtigen Gutachtertätigkeit. Erst nach der Addition kann entschieden werden, ob die Kleinunternehmerregelung zum Tragen kommt oder nicht. Die umsatzsteuerfreien zahnärztlichen und gutachterlichen Einnahmen werden bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nicht berücksichtigt.
Dr. Sigrid Olbertz, MBAZahnärztin undMaster of Business AdministrationIm Hesterkamp 12 A45768 Marl