Akzeptanzmessung

Zahnärztliche Hypnose bei oralchirurgischen Patienten

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Heftarchiv Zahnmedizin
Eine zahnärztliche, oralchirurgische oder mund-, kiefer-, gesichtschirurgische Behandlung stellt hohe Anforderungen an die Kooperationsfähigkeit des Patienten und ist bei vielen Menschen in besonderem Maße mit Angst besetzt [Finkelstein 1991]. Bei therapeutischen Eingriffen in der Mundhöhle sind somit Angst reduzierende Verfahren zur Verbesserung des individuellen Patientenkomforts und zur Schaffung adäquater Therapiebedingungen gleichermaßen von hervorgehobenem Interesse.

Ein theoretisch interessantes Verfahren stellt in diesem Zusammenhang Hypnose dar. Ohne das bislang eine wissenschaftliche Erklärung für das Zustandekommen von hypnotischen Zuständen insgesamt gefunden werden konnte [Eberwein et al. 1997], lassen sich mit diesem nach dem griechischen Gott des Schlafs benannten Suggestionsverfahren bei 80 bis 90 Prozent der Patienten [Brown et al. 1986, Khalil 1976] unterschiedlich tiefe Stadien einer hypnotischen Trance induzieren [Coulthard et al. 1997, Lynch 1999, Teitelbaum 1967]. Von einer psychotherapeutisch ausgerichteten Hypnose lässt sich „Medizinische Hypnose“ als eigenständiges, zu rein klinisch-medizinischen Zwecken entwickeltes Therapieverfahren abgrenzen. Es hat seit längerem nicht nur in chirurgischen Fachgebieten [Bowers 1966, Field 1974, Moskowitz 1996, Teitelbaum 1967], sondern insbesondere auch in der Zahnmedizin einige Verbreitung gefunden [Fassbind 1983, Schütz et al. 2000, Stern 1991]. Bei einer solchen „Zahnärztlichen Hypnose“ kommen auf die Behandlungssituation speziell abgestimmte Auto- und Fremdsuggestionsverfahren zur Anwendung, die zur Anxiolyse, Relaxation, Distanzierung und idealerweise auch Analgesie während zahnmedizinischer Eingriffe dienen [Schmierer 2001, Schütz et al. 2000] (Abbildung 1).

Trotz potentieller Vorteile hat sich das Verfahren in der zahnärztlichen, oralchirurgischen und mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Patientenversorgung bislang nicht allgemein etablieren können. Es stellt sich die Frage, worin die Gründe hierfür zu sehen sind. Neben mangelnder Bekanntheit kommen auch fehlende Akzeptanz des Verfahrens bei Behandlern [Bowers 1966, Brown et al. 1986, Teitelbaum 1967] und Patienten [Bühring 2001] in Betracht. Um individuelle Einstellungen zur Verwendung von Zahnärztlicher Hypnose auf Seiten der zu behandelnden Patienten abzuklären, wurde vom 15.04.01 bis 15.07.01 eine Befragung von aktuell oralchirurgisch behandelten Patienten (n=310, Tabelle 1) der Poliklinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Lübeck durchgeführt. Den Umfrageteilnehmern war bekannt, dass das zu untersuchende Verfahren zu diesem Zeitpunkt in der Studienklinik nicht zur Anwendung kam.

Mit Hilfe eines standardisierten, 21 Fragen umfassenden Fragebogens sollte Aufschluss darüber erlangt werden

• ob allgemeine oder spezielle Kenntnisse über Hypnose vorliegen

• welche grundsätzliche Einstellung zur Verwendung von Zahnärztlicher Hypnose vorherrscht

• wie hoch die eigene Bereitschaft zur Inanspruchnahme einer Behandlung unter Hypnose ist

• ob Zahnärztliche Hypnose insgesamt als eine Bereicherung der Therapie empfunden wird

• ob diese Aussagen alters-/geschlechtsspezifisch unterschiedliche Ausprägungen aufweisen

Ergebnisse: Kenntnisse über Hypnose

30,6 Prozent der befragten Patienten (♀ 34,1 Prozent, ♂ 26,1 Prozent) geben an, sich schon einmal mit dem Thema Hypnose beschäftigt zu haben. 13,9 Prozent der Patienten ist eine Person bekannt, die schon einmal in Hypnose versetzt worden ist. Sechs Patienten, die an der Umfrage teilnahmen (1,9 Prozent, ♀ n=4, ♂ n=2) sind selbst bereits mindestens einmal mit beziehungsweise unter Hypnose behandelt worden.

Als Informationsquellen über Hypnose benennen 47,4 Prozent der Befragten das Fernsehen, 32,3 Prozent Zeitschriften, 23,9 Prozent Hörensagen, 12,6 Prozent Bücher, 10,6 Prozent Bekannte und 8,7 Prozent ihren Arzt oder Zahnarzt. Als gänzlich ohne Kenntnisse über Hypnose bezeichnen sich 29,0 Prozent der Patienten.

64,2 Prozent der Umfrageteilnehmer ist bekannt, dass Hypnose heute zur Beruhigung während medizinischer Eingriffe eingesetzt werden kann. Über die Tatsache, dass Hypnose an Stelle einer Narkose oder von Medikamenten zur Schmerzbekämpfung Anwendung findet, sind 58,7 Prozent der Patienten unterrichtet.

Allgemeine Akzeptanz der Hypnose

Den Einsatz von Hypnose in der medizinischen Therapie halten 31 Prozent der Befragten für „sehr sinnvoll“ (♀  26,2 Prozent, ♂ 38,0 Prozent), 33,2 Prozent für „grundsätzlich sinnvoll“ (♀ 38,1 Prozent, ♂ 26,9 Prozent). 29,4 Prozent sind diesbezüglich unentschlossen, 6,1 Prozent der Patienten lehnen die Verwendung von Hypnose in der Medizin grundsätzlich ab (Tabelle 2).

Ohne weitere Kenntnisse zu haben, halten sich 23,9 Prozent der Befragten für „gut hypnotisierbar“ (♀ 33,5 Prozent, ♂ 11,2 Prozent), 17,4 Prozent der Befragten verneinen dies. Die restlichen Befragten (57,8 Prozent) sind sich bezüglich der eigenen Ansprechbarkeit auf Hypnose unsicher.

Die Teilnehmer der Studie wurden ferner nach Gründen befragt, warum Patienten die Anwendung von Hypnose in der Medizin ablehnen könnten. Als Gründe für diese Haltung wurden genannt: fehlende Information des Patienten (61,3 Prozent), Gefühl des „Ausgeliefert-Seins“ (57,4 Prozent), unsichere Wirksamkeit der Hypnose (53,0 Prozent), finanzielle Belastung der Patienten (32,9 Prozent), kein Vertrauen der Patienten (26,5 Prozent), Zeitaufwand der Methode (7,5 Prozent).

Individuelle Motivation zur Inanspruchnahme

„Auf jeden Fall“ eine medizinische Behandlung in Hypnose durchführen lassen würden 15,2 Prozent des Patientenkollektivs, 26,8 Prozent der Teilnehmer wären „vielleicht“ dazu bereit. Bei jedem zweiten Befragten (50,0 Prozent) würde die Entscheidung vom jeweiligen Eingriff abhängen, 11,6 Prozent der Patienten (♀ 13,1 Prozent, ♂ 9,7 Prozent) würden „auf keinen Fall“ für eine Behandlung in Hypnose zur Verfügung stehen.

28,8 Prozent der Befragten wären bereit, einen oralchirurgischen Eingriff unter Hypnosedation und -analgesie, also ohne jede pharmakologische Schmerzbekämpfung durchführen zu lassen. Die Hälfte der Befragten (45,2 Prozent; ♀ 48,5 Prozent, ♂ 42,6 Prozent) macht die Entscheidung hierüber von der Art des Eingriffs abhängig, und jeder vierte Patient unseres Patientenkollektivs (24,6 Prozent) wäre zu einer solchen Behandlung auf keinen Fall bereit.

Um eine ausreichende Trancetiefe durch Zahnärztliche Hypnose zu erzielen, sind in aller Regel mehrere (Hypnose-)vorbereitende Sitzungen notwendig. 17,1 Prozent des Patientenkollektivs (♀18,8 Prozent, ♂ 14,9 Prozent) wären „auf jeden Fall“, 37,7 Prozent „vielleicht“ zu einer Operation unter solchen Vorbedingungen bereit. Jeder dritte Teilnehmer (31,0 Prozent) würde diese Entscheidung von der Art des durchzuführenden Eingriffs abhängig machen. 14,2 Prozent der Patienten würden auf keinen Fall vorbereitende Sitzungen akzeptieren.

Entsprechende Angebote vorausgesetzt, würde über die Hälfte der Umfrageteilnehmer zur Behandlung von postoperativ auftretenden Schmerzen nach entsprechender Anleitung eine „Selbst-Hypnose“ versuchen wollen (52,6 Prozent), jeder dritte Befragte ist unschlüssig (32,6 Prozent), 14,6 Prozent vertrauen in jedem Fall lieber auf Schmerzmittel.

Da die Kosten für Medizinische Hypnose zurzeit nicht von den Krankenkassen übernommen werden, entstünden den Patienten eventuell zusätzliche Kosten. 9,4 Prozent der Umfrageteilnehmer sehen hierin kein Hindernis und wären bei einer oralchirurgischen beziehungsweise mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Behandlung „auf jeden Fall“ zur Kostenübernahme bereit, 52,5 Prozent der Patienten würde ihre Entscheidung von der Höhe der entstehenden Kosten abhängig machen, 19,7 Prozent lehnen eine private Zuzahlung ab.

Motivation zur Inanspruchnahme

Um eine behandlungsbezogen unterschiedliche Motivation zur Inanspruchnahme von Hypnose abzuklären, wurden den Befragten auch definierte Therapiesituationen vorgestellt. Hierbei ergab sich, dass 71,6 Prozent der Patienten „auf jeden Fall“ beziehungsweise „grundsätzlich“ eine chirurgische Zahnsanierung in kombinierter Hypnose/Lokalanästhesie durchführen lassen würden, 14,5 Prozent der Patienten lehnen dies generell ab. Ähnliche Werte ergeben sich für eine extra-/intraorale Wundversorgung (67,1 Prozent Zustimmung, elf Prozent Ablehnung). Zu einer „Kieferbruchbehandlung“ unter solchen OP-Bedingungen stünden 55,5 Prozent der Teilnehmer zur Verfügung (♀ 52,9 Prozent, ♂ 58,9 Prozent; 21 Prozent Ablehnung), und einer „Gesichtskrebsoperation“ unter Medizinischer Hypnose würden noch 48,8 Prozent der Befragten zustimmen (24,5 Prozent Ablehnung).

Ein wesentlicher Aspekt des zahnärztlichen Einsatzes von Hypnose könnte die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Diese Patientengruppen stellen ihre Behandler auf Grund einer altersentsprechend reduzierten Vermittelbarkeit von Therapieinhalten immer wieder vor Herausforderungen, sprechen aber nach Erfahrung von Hypnose-Therapeuten außerordentlich gut auf eine Suggestionstherapie an. Hierzu befragt, äußerten sich 13,2 Prozent der Befragten generell ablehnend zu einer mit Hypnose kombinierten Behandlung ihres Kindes. Knapp jeder zweite Umfrageteilnehmer (45,8 Prozent) macht eine solche Einwilligung von der Art und Ausdehnung der Therapie abhängig, 14,5 Prozent beziehungsweise 26,5 Prozent der Patienten wären zur Vermeidung einer Vollnarkose „auf jeden Fall“ beziehungsweise „vielleicht“ bereit, eine Behandlung ihres Kindes unter Anwendung von Hypnose zu unterstützen.

Zukünftige Verwendung von Hypnose in der Medizin

86,5 Prozent der Patienten halten es für sinnvoll, dass die Einsatzmöglichkeiten von Hypnose in der Medizin weiter untersucht werden, 11,9 Prozent sind diesbezüglich unsicher, 1,6 Prozent der Befragten halten solche Untersuchungen für nicht sinnvoll (Tabelle 3). Drei von vier Befragten (78,4 Prozent) glauben, dass Hypnose eine Bereicherung der medizinischen Therapie darstellt, 1,6 Prozent der Patienten sehen dies anders. Mehr Informationen über die Einsatzmöglichkeiten von Hypnose wünschen sich 79,4 Prozent aller Umfrageteilnehmer, zehn Prozent der Patienten sehen hierzu keine Notwendigkeit.

Diskussion

Parallel zu allen technischen Fortschritten stellt die Verbesserung des individuellen Patientenkomforts eine Herausforderung in der zahnärztlichen und oralchirurgischen Behandlung dar. Die rationelle Anwendung Stress reduzierender und entspannender Techniken sind für Patienten und Behandler gleichermaßen wünschenswert. Zahnärztliche Hypnose stellt in diesem Zusammenhang eine potentiell interessante, aber nicht allgemein etablierte Therapieoption dar. Ursachen mangelnder Akzeptanz auf Seiten der Behandler könnten in fehlender Information und Weiterbildung, zusätzlichem Zeitaufwand, unklarer individueller Anwendbarkeit und Effektivität, fraglicher Liquidierbarkeit sowie unerwünschter indirekter Patientenselektion zu sehen sein. Weiterhin ist denkbar, dass vorwiegend zu Sensationszwecken vorgenommene „Show-Hypnosen“ zu einer insgesamt negativen Einstellung der Bevölkerung gegenüber solchen Verfahren geführt haben und diese ihren Niederschlag in der Ablehnung vordergründig ähnlicher Techniken zu medizinischen Zwecken findet.

Die Ergebnisse der Umfrage sprechen gegen eine solche These. Sie belegen zunächst, dass eine hohe Anzahl von Patienten differenzierte Haltungen zur Verwendung von Hypnose in der Medizin einnimmt. Nur ein geringer Prozentsatz der Befragten steht dem Einsatz dieses Suggestionsverfahrens generell ablehnend gegenüber. Es lassen sich eine ausgezeichnete Akzeptanz und hohe theoretische Motivation zur Inanspruchnahme einer solchen Behandlungsform nachweisen.

Die untersuchten individuellen Einstellungen zu Medizinischer Hypnose weisen im eigenen Patientengut keine wesentlichen beziehungsweise systematischen geschlechtsspezifischen Unterschiede auf. Auf Grund der teilweise geringen Stichprobengröße stellt sich eine Differenzierung nach Altersgruppen zwar als theoretisch möglich, aber wenig aussagekräftig dar. Tendenziell bleibt festzuhalten, dass in den jüngeren Altersklassen in höherem Umfang differenzierte Standpunkte zum hinterfragten Therapieverfahren vorliegen. Demgegenüber steigt der Prozentsatz eher unentschlossener Einstellungen bei Befragten höherer Altersgruppen geschlechts-unabhängig an.

Als möglicher systematischer Fehler könnte in die Studienauswertung eingehen, dass bei den Befragten nur ein bedingtes inhaltliches Verständnis der zur Diskussion gestellten therapeutischen Maßnahmen und der individuell aus ihnen resultierenden Patientenbelastungen voraussetzbar ist. Ferner war den Patienten ausdrücklich bekannt, dass Zahnärztliche Hypnose in der Studienklinik zum Zeitpunkt der Umfrage nicht zur Anwendung kam. Somit ergaben sich in keinem Fall Konsequenzen für die individuelle Behandlung durch positive Haltungen in der Patientenumfrage. Es ist also nicht auszuschließen, dass die jeweilige Motivation der Patienten im konkreten Behandlungsfall und nach detaillierter Aufklärung über den geplanten Eingriff niedriger anzusiedeln sein könnte.

Schlussfolgerung

Die vorliegende Untersuchung belegt, dass der bislang nicht etablierte Einsatz von Zahnärztlicher Hypnose in der Zahnmedizin, Oralchirurgie und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie nicht durch eine generell niedrige patientenseitige Akzeptanz erklärt werden kann. Die Praktikabilität und Effektivität von Zahnärztlicher Hypnose sollten durch klinische Studien in den verschiedenen Disziplinen überprüft werden.

Zusammenfassung

Die Therapie von Erkrankungen der Mundhöhle in Lokalanästhesie wird häufig durch die patientenseitige Compliance limitiert. Eine potentiell interessante Therapieoption ist die Anwendung von „Zahnärztlicher Hypnose“. Bei diesem Verfahren werden Auto- und Fremdsuggestionsverfahren zur Anxiolyse, Relaxation, Sedierung und Analgesie des Patienten eingesetzt.

Auch eine solche Hypnosebehandlung ist von der Kooperation der zu behandelnden Patienten abhängig. Aus diesem Grund erfolgte eine Patientenbefragung (n=310) mit dem Ziel, Informationen über die allgemeine Akzeptanz von Zahnärztlicher Hypnose zu gewinnen sowie die individuelle Motivation zur Inanspruchnahme einer solchen Therapieoption zu quantifizieren.

Die Ergebnisse der Befragung belegen eine hohe Akzeptanz der Hypnose bei oralchirurgischen Patienten. Die Einsetzbarkeit und Effektivität dieser Behandlungsform sollten durch klinische Studien geprüft werden.

Dr. Dr. Dirk HermesKlinik für Kiefer- und GesichtschirurgieMedizinische Universität zu Lübeck / UniversitätsklinikumRatzeburger Allee 160D-23538 LübeckE-Mail:hermesddd@aol.com

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