AG Kieferchirurgie und AK für Oralpathologie und Oralmedizin in der DGZMK

Jahrestagung in Bad Homburg

Die diesjährige Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Kieferchirurgie (AG Kieferchirurgie) bei der DGZMK fand zu den Themen Chirurgische Zahnerhaltung, Geweberegeneration und Weichgewebsmanagement in Bad Homburg statt. In bewährter Weise wurde, eingebettet in diese Tagung, teils parallel die Jahrestagung des Arbeitskreises für Oralpathologie und Oralmedizin innerhalb der DGZMK (AKOPOM) zum Thema „Odontogene Tumoren“ abgehalten.

Geweberegeneration Weichgewebsmanagement

Prof. Dr. Jens O. Andreasen, Kopenhagen, fasste in seinem Übersichtsvortrag „Essentials of traumatic injuries to the teeth“ Die aktuellen Therapiekonzepte zusammen: Die Prognose von subluxierten oder luxierten Zähnen hängt im Wesentlichen von der Weite des Foramen apicale, der (allenfalls flexiblen) Schienung für zwei bis drei Wochen und der Verhinderung einer bakteriellen Infektion sowie der extraalveolären Verweildauer ab. Die Vorteile der Verwendung von Kalziumhydroxyd-Präparaten als temporäre Füllung des Wurzelkanals für etwa zwei Wochen wurden dargestellt.

Eine exaktere Befundbeschreibung und Prognoseabschätzung nach Zahntrauma wurde von Dr. Yango Pohl et al., Bonn, mittels ZEPAG-Klassifikation vorgestellt, die durch Erhebung von Scores zu Schädigungen von Zahnhartgewebe, Endodont, Parodont, Alveolarknochen und Gingiva erfolgt. Es konnte anhand von retrospektiven Studien die signifikante Bedeutung von Schäden am Parodont nach Zahntrauma festgestellt werden. Eine flexible Schienung traumatisch geschädigter Zähne mit Hilfe eines adhäsiv befestigten Drahtmeshs für ein bis zwei Wochen und die Vorteile in Bezug auf die gute Handhabbarkeit, funktionelle Belastung (dynamische Immobilisation) und Hygienefähigkeit stellten Michael Claar et al., Hannover, in einer prospektiven Studie mit Beobachtungsdauer von einem Jahr dar. Die Behandlungsmöglichkeit von traumatisch geschädigten und danach ankylosierten Zähnen stellten PD Dr. Andreas Filippi et al., Basel, in einer prospektiven Studie dar: Nach intentioneller Replantation, vorausgegangener endodontischer Behandlung und unter Einsatz von Emdogain ® sowie einer zwei- bis dreiwöchigen flexiblen Schienung wurde eine erneute Ankylose in vielen Fällen verzögert oder sogar verhindert. Diese Vorgehensweise ist als Interimslösung bis zur definitiven Versorgung des Adulten gedacht.

Prof. Dr. Tord Berglundh, Göteborg, fasste in seinem Übersichtsreferat „Outcome of regenerative therapy in the treatment of advanced periodontitis“ aktuelle Erkenntnisse bei der Behandlung von Knochendefekten zusammen und stellte die Vor- und Nachteile des Einsatzes von GTR und Knochentransplantaten dar. Ein zitiertes systematisches Review zur GTR im Vergleich zur offenen Kürettage ergab, dass neben der stark limitierten Anzahl von Studien, die die hohen Anforderungen des Reviews erfüllten, die Variabilität der Studien lediglich zu begrenzten Aussagen führen: Die GTR erwies sich als nur wenig effektiver als die offene Kürettage. Der Einsatz von Knochenersatzmaterialien zur Defektauffüllung zeigte gute Ergebnisse mit autologem Knochen, phykogenem Hydroxylapatit und Bioglas. Der Einsatz von Granula aus Polylactidpolyglycolid erwies sich als nachteilig. Die besten Ergebnisse wurden mit Schmelzmatrix-Proteinen erzielt, sowohl im Vergleich zur GTR als auch zur offenen Kürettage. Essentiell ist in jedem Falle die gründliche Vorbehandlung durch Reinigung und Glättung der Wurzeloberflächen. Dies konnte von Dr. Stefan Hägewald, Berlin, in seinem Übersichtsvortrag Tierexperimentelle und klinische Ergebnisse zum Einsatz xenologer und rekombinanter Schmelzmatrixproteine nach einer Darstellung der derzeit bekannten biologic response modifiers für die parodontale Regeneration bestätigt werden. Der Einsatz von Schmelzmatrixproteinen mit einem hohen Amelogeninanteil bewirkte einen signifikanten Attachmentgewinn im Vergleich zur konventionellen Behandlung von künstlich erzeugten parodontalen Defekten im Tierversuch.

Chirurgische Zahnerhaltung

Neben einem Überblick über verschiedene Ursachen der apikalen Parodontitis gab Prof. Dr. Detlef Heidemann, Frankfurt, einen Überblick über neue Methoden der maschinellen Wurzelkanalaufbereitung und -füllung, stellte die besondere Bedeutung des Kalziumhydroxids als temporäres Wurzelkanalfüllungsmaterial mit verschiedenen Funktionen heraus und schloss damit, dass aus endodontisch-konservativer Sicht eine Wurzelspitzenresektion (WSR) als Korrekturmaßnahme für anders nicht korrigierbare Ergebnisse nach endodontischer Behandlung anzusehen ist. Dr. Frank Peter Strietzel, Berlin, gab einen Überblick über die Ergebnisse eines systematischen Reviews der Literatur der letzten elf Jahre zu den Methoden der chirurgischen Zahnerhaltung (WSR, intentionelle Replantation (IR) und Hemisektion (HS)). Der Mangel an prospektiven klinischen Studien hierzu war auffällig, so dass auch Publikationen niedrigerer Evidenzgrade mit inkludiert werden mussten. Durchschnittliche Erfolgsraten von 80 Prozent wurden für die WSR, 79 Prozent für die HS und 72 Prozent für die IR nach sieben Jahren Beobachtungszeitraum gefunden. Die Prognose nach WSR kann etwa ein Jahr nach der Operation definitiv eingeschätzt werden. Als wichtiger Prognose bestimmender Faktor wurde die Qualität der endodontischen Behandlung angeführt. Der Erfolg der retrograden Wurzelkanalfüllung hängt signifikant von der Anschrägung des Resektionsquerschnitts und einer ausreichenden Tiefe der retrograden Kavität (etwa drei bis vier Millimeter) ab. In beiden Übersichtsvorträgen wurde festgestellt, dass bei Verwendung von modernen Wurzelkanalfüllmaterialien mit Guttaperchapoints und Sealern, wie Super-EBA®, AH 26® beziehungsweise AH plus® und Diaket®, sich die Erfolgsraten nur unwesentlich unterscheiden. Obgleich in vitro die Randdichtigkeit von Wurzelkanalfüllungen mit verschiedenen Stiftsystemen (Acryl-, Guttapercha-, Titan-, Zirkonoxidstifte, eingesetzt mit verschiedenen Sealern) sich nicht signifikant unterschied (Dr. Eleonore Behrens et al., Kiel), wurde die Überlegenheit der lateralen Kondensationsmethode bei der Wurzelkanalfüllung gegenüber Einstifttechniken in vitro dargestellt (Matthias Schneider et al., Dresden). Der Einsatz eines Operationsmikroskops (OM) brachte, insbesondere bei retrograden Wurzelkanalfüllungen, eine Erfolgsrate von 82,4 Prozent nach durchschnittlich 30 Monaten Beobachtungszeitraum (Dr. Sybille Frecot et al., Basel). Trotz des höheren Zeitaufwandes bei Verwendung des OM waren Schmerzen und Schwellungen nach einer Woche sowie die Größe der Resektionsdefekte signifikant geringer als bei konventioneller WSR (Dr. Frank-Rudolf Kloss et al., Erlangen). Die Minimierung des Knochendefektes durch Einsatz von Ultraschallinstrumenten zur retrograden Kavitätenpräparation bei WSR wurde von PD Dr. Hans-Ludwig Graf et al., Leipzig, als vorteilhaft angesehen. Eine Variante der Defektminimierung wurde von Dr. Andre Büchter et al., Münster, mittels modifizierter Trepandeckelmethode bei WSR im Unterkieferseitenzahnbereich vorgestellt, die im Vergleich zur Knochendeckelmethode signifikant weniger postoperative Schmerzen verursachte.

Regeneration von Knochendefekten

Die Möglichkeiten der Regeneration von Knochendefekten bildete einen weiteren Schwerpunkt der Tagung. Im Tierversuch wurde festgestellt, dass nach Deperiostierung dem entsprechenden Gebiet nach zunächst eintretender Resorption etwa drei bis vier Monate zur morphologischen und funktionellen Restitution vor weiteren operativen Eingriffen mit Deperiostierung eingeräumt werden sollten (Dr. Heiko Landau et al., Homburg-Saar). Eine In-vivo-Untersuchung zur Angiogenese bei der Knochenregeneration zeigte, dass bei Einsatz des VEGF (vascular endothelial growth factor) auf Kollagen-I-Trägermaterial die Mineralisation und die Gefäßdichte deutlich anstieg im Vergleich zu den Kontrollgruppen ohne VEGF (PD Dr. Dr. Johannes Kleinheinz et al., Münster).

Die Gewinnung von autologen Knochentransplantaten aus der retromolaren Region des Unterkiefers hat deutliche Vorteile im Vergleich zur Knochenentnahme aus dem Kinn in Bezug auf die postoperative Morbidität (Dr. Doris Meindl et al., Frankfurt).

Die Konditionierung des Implantatbetts mittels horizontaler Distraktionsosteogenese in einer Pilotstudie wurde von Prof. Dr. Dr. Alexander Gaggl et al., Graz, als aufwändiges, jedoch Erfolg versprechendes Verfahren demonstriert. Die Vorteile eines 30-prozentigen Attachmentgewinns im Zusammenhang mit der vertikalen präimplantologischen Distraktionsosteogenese wurden von Dr. Frank Christian Lazar et al. (Köln) dargestellt. Eine hyperphysiologische Distraktion verursachte tierexperimentell jedoch eine zunehmende Atrophie der Weichgewebe, insbesondere eine Ausdünnung des Epithels (Dr. Dr. Birgit Kruse-Lösler et al., Münster). Eine kontinuierliche Distraktion mittels hydraulischem Distraktor zeigte im Tierversuch bei reduziertem Druck eine frühere Reifung des Knochens (Dr. Dr. Peter Keßler et al., Erlangen). Dr. Axel Kirsch et al., Filderstadt, stellten als Alternative die Möglichkeit der vertikalen Entwicklung des Oberkieferfrontbereiches zur Optimierung des geplanten Implantationsortes durch Extrusion von nicht erhaltungswürdigen Zähnen mit Hilfe von Magnetstiftkappen vor. Die Möglichkeit der Herstellung von Knochentransplantaten aus Periostzellen mittels Tissue engineering wurde durch In-vitro-Untersuchungen von Dr. Dr. Ulrich Meyer et al., Münster, beschrieben, PD Dr. Dr. Günter Lauer et al., Dresden, zeigten die klinische Anwendung von aus Knochenbiopsien gewonnenen und mittels Tissue engineering hergestellten Knochentransplantaten beim Sinuslift in einer klinischen Pilotstudie.

Der Einsatz von plättchenreichem Plasma (PRP) wurde mit verschiedenen tierexperimentellen Untersuchungen kritisch hinterfragt: Dabei fanden Dr. Dr. Karl Andreas Schlegel et al., Erlangen, dass die Zugabe von autologem Knochen und PRP zu Knochenersatzmaterialien (KEM) die Knochenbildung steigerte, PRP jedoch allein keinen Effekt auf die Knochenbildung bei Anwendung von KEM erzeugte. Dies konnte von PD Dr. Dr. Kristian K. Würzler et al., Würzburg, bestätigt werden. Außerdem wurde festgestellt, dass PRP die Osteogenese in vivo inhibiert und somit keine Alternative zum als Vergleichsubstanz untersuchten BMP-2 bei der Regeneration von Knochengewebe darstellt. Ähnliche Ergebnisse fanden auch PD Dr. Dr. Hendrik Terheyden et al., Kiel, bei Sinusbodenaugmentationen mit KEM und PRP im Vergleich zu rekombinantem humanem Osteogenic Protein 1, welches deutlich bessere Ergebnisse bei der Knochenregeneration lieferte.

PD Dr. Dr. Søren Jepsen, Kiel, stellte in seinem Übersichtsvortrag „Parodontalchirurgische Erhaltung des furkationsbefallenen Molaren – resektiv oder regenerativ?“ verschiedene Therapiekonzepte gegenüber. Die Eingangsdiagnostik durch Röntgen und Sondierung zeigt häufiger Abweichungen von der Situation, die sich intra operationem darstellt. Indikationen zur resektiven Behandlung werden bei isolierter periapikaler Entzündung, isoliertem Attachmentverlust sowie im Oberkiefer bei Furkationsbefall II.° und III.° und im Unterkiefer bei Furkationsbefall III.° gestellt. Die Erfolgsraten nach Hemisektion beziehungsweise Wurzelamputation werden mit etwa 50 Prozent bis 100 Prozent mit sehr unterschiedlichen Beobachtungszeiten und Studiendesigns angegeben. Hauptgründe für Misserfolge sind endodontische Probleme, Karies am Separationsort oder Wurzelfrakturen. Jepsen konstatierte, dass die regenerative Behandlung mittels GTR im Vergleich zur offenen Kürettage zwar zu einer signifikanten Reduktion des Attachmentverlustes führt, nicht jedoch zu einer vollständigen Regeneration. Der Einsatz von Emdogain® führt im Vergleich zur GTR zu weniger Schmerzen und Schwellungen. Die regenerative Behandlung ist bei Furkationsdefekten II.° indiziert, bei Rauchern und mangelnder Compliance sollte die Indikation jedoch kritisch gestellt werden. Der Übersichtsvortrag „Treatment planning for regenerative therapies“ von Prof. Dr. Mick Dragoo, Escondido, USA, relativierte zu hohe Erwartungen in Emdogain ® beziehungsweise GTR in der Parodontologie zu Gunsten der Verwendung von autologem Knochen. Bei Einsatz von Knochenersatzmaterialien sei häufig eine fibröse Einscheidung festzustellen. Weichgewebsregenerationen zu ästhetischen und funktionellen Verbesserungen sind durch koronale beziehungsweise laterale Verschiebeplastiken oder freie Schleimhauttransplantate möglich. Bei der periimplantären Mukosa ist dem Weichgewebsmanagement die Schaffung einer ausreichenden Knochenunterstützung erforderlich. Dies und die Bedeutung der Sofortimplantation, Versorgung mit geeigneten Gingivaformern beziehungsweise temporären Kronen zur Formung der periimplantären Mukosa und die große Bedeutung der Planung unterstrich Dr. Karl-L. Ackermann, Filderstadt.

Den erfolgreichen Einsatz von mittels Tissue engineering aus Gingivakeratinozyten hergestellten Transplantaten zum Epithelersatz zeigten Dr. Winnie Pradel et al., Dresden, in einer Pilotstudie. Der Epithelaufbau entsprach nach sechs Monaten dem normalen Schleimhautaufbau. Die Regeneration von Weichgewebe nach Bestrahlung ließ sich durch lokale Applikation von einem TGF 1-Hemmer und VEGF im Tierversuch modulieren. Damit könnte ein Therapieansatz zur Reduktion von Fibrosierungen und chronischen Wundheilungsstörungen gegeben sein (PD Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau et al., Erlangen).

In einer Untersuchung zu klinischen Konsequenzen einer Bestrahlung für die orale Mukosa konnten Dr. Dr. Bilal Al-Nawas et al., Mainz, feststellen, dass der Einsatz von muzinhaltigem Speichelersatz der Verwendung von Glandosane in Bezug auf die Schwere der Mukositis nicht überlegen ist.

Odontogene Tumoren

Der zweite Kongresstag wurde durch zwei Übersichtsvorträge aus dem AKOPOM eingeleitet. Maligne odontogene Tumoren wurden von Prof. Dr. Pieter J. Slootweg, Utrecht, dargestellt. Die besondere Bedeutung der Diskussion der klinischen beziehungsweise paraklinischen und histologischen Befunde zwischen Kliniker und Pathologen wurde unter dem Aspekt der Seltenheit der malignen odontogenen Tumoren vorgestellt. Eine grobe Einteilung erfolgte in das maligne Ameloblastom, welches lediglich durch seine Metastasierungen klinisch erkennbar ist, das zentrale Kieferkarzinom (primary intraosseous carcinoma), das ameloblastische Karzinom, das hellzellige odontogene Karzinom, das maligne odontogene Ghost-cell Karzinom sowie die odontogenen Sarkome.

Prof. Dr. Dr. Karsten Gundlach, Rostock, stellte das heute gültige Therapiekonzept für benigne und maligne Tumoren vor, in dem alle Tumorentitäten in vier Gruppen (maligne, lokal aggressive, rezidivfreudige und nicht rezidivfreudige) eingeteilt werden. Auf Grund des unterschiedlichen klinischen Verhaltens der Tumoren müssen spezifische, abgestufte operative Maßnahmen eingesetzt werden.

Freie Vorträge mit hohem Niveau

Die freien Vorträge des Arbeitskreises Oralpathologie und Oralmedizin zeigten das vielfältige Spektrum dieses Gebietes sowie ein hohes wissenschaftliches Niveau.

Dr. Frank Peter Strietzel,PD Dr. Andrea-Maria Schmidt-WesthausenAbteilung für Oralchirurgieund zahnärztliche Röntgenologie,Zentrum für ZahnmedizinUniversitätsklinikum Charité,Augustenburger Platz 1,13353 Berlin

E-Mail:frank.strietzel@charite.de

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