Keine Reform ohne Kommunikation
„Das Gesundheitswesen ist eine wachsende Zukunftsbranche – doch dieses Wachstum wird in Zukunft nicht mehr durch eine Krankenversicherung in ihrer heutigen Form zu finanzieren sein.“ Mit diesen klaren Worten eröffnete Wilhelm Staudacher, Generalsekretär der Konrad-Adenauer Stiftung, die Zufog-Veranstaltung „Gesundheitspolitik und öffentliche Meinung“ in den Räumen der Berliner Konrad-Adenauer Stiftung.
Meinungsumfragen, so Staudacher weiter, belegten, dass zwei Drittel der Bürger unzufrieden mit dem jetzigen Gesundheitssystem sind. Andererseits seien aber ebenso viele der Befragten nicht bereit, größere Einschnitte zu ihren Lasten hinzunehmen. „Ein Strukturwandel im Gesundheitswesen wird nur möglich sein, wenn eine intensive Kommunikation mit der Bevölkerung stattfindet“, prophezeite der ehemalige Staatssekretär.
Damit war das Problem klar umrissen: Niemand bestreitet die Notwendigkeit grundlegender Strukturreformen, doch nicht zuletzt die so genannte öffentliche Meinung verweigert ihre Zustimmung. Insbesondere durch die implizite Gleichsetzung von „Reform“ mit „Sozialabbau“ bleiben viele Alternativkonzepte bereits im Ansatz stecken. „Die Frage ist: Wie kann diese Blockade durchbrochen werden, wie kann man das Richtige auch erfolgreich kommunizieren“, so Staudacher.
Einigkeit herrschte auf dem Zufog-Podium, dass Reformen nötig sind. Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller: „Das Gesundheitswesen ist in seiner heutigen Form nicht mehr zukunftsfähig.“ Das heutige Solidarprinzip bedeute immer mehr „schlechte Qualität für alle“. Yzer forderte eine neue Balance aus Wettbewerb und Solidarität. „Wir brauchen eine allgemeine Versicherungspflicht für alle Bürger und müssen den Patienten eine Auswahl zwischen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung geben“, betonte Yzer. Eine so radikale Reform sei aber nicht über Nacht und wohl auch nicht in einer Legislaturperiode zu leisten. „Die Reformen müssen Schritt für Schritt kommen – dann sind sie auch für die Öffentlichkeit weniger angstbesetzt und besser kommunizierbar.“
Warum es so schwierig ist, die nötigen Gesundheits-Reformen massenmedial zu kommunizieren, erklärte Dr. Gerd Strohmeyer von der Universität Passau: „Medien berichten über Sachverhalte mit hohem Nachrichtenwert.“ Dieser sei aber sehr wesentlich durch einen Parameter bestimmt: Negativismus. Je negativer etwas klingt, desto interessanter ist es. „Only bad news are good news“, pointierte Strohmeyer.
Ein weiteres Problem: Eine reformierte Gesundheitspolitik ist ein extrem komplexes Thema, dass sich nur schwer reduzieren lässt. Dadurch wird das Thema für die Massenmedien uninteressanter. „Aus diesen Gründen ist es schwer, Reformkonzepte positiv in den Medien zu kommunizieren.“ Die Folge: Die öffentliche Meinung verweigert die Zustimmung, assoziiert mit Reformen etwas Negatives.
Aus der Sicht des Gesundheitspolitikers referierte Ulf Fink (CDU), Mitglied des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages: „Wir brauchen eine große Gesundheitsreform in der nächsten Legislaturperiode, das haben mittlerweile wirklich alle Parteien begriffen.“ Fink skizzierte die Eckpunkte einer solchen Reform aus Sicht der CDU/CSU:
• Auch in Zukunft soll allen Bürgern das medizinisch Notwendige offen stehen
• Mehr Transparenz von Kosten und Qualität auf Seiten der Leistungserbringer
• Ausbau der Prävention
• Mehr Wahlfreiheit für Versicherte. Zuoder Abwahl von Leistungen.
„Wir müssen das System grundsätzlich reformieren, brauchen viel mehr Wettbewerb und Wahlfreiheit“, betonte Fink. Allerdings: Ein System wie in den USA, dass diesen Wettbewerb konsequent eingeführt habe, wolle man nicht. „Dort sind 40 Millionen Menschen gar nicht versichert, 30 Millionen sind völlig unterversichert.“
Die Aussagen des Gesundheitspolitikers kritisierte Prof. Dr. Thomas Heilmann, Vorstandsvorsitzender der Werbeagentur „Scholz & Friends“. „Ich bin ja kein Experte für Gesundheitspolitik, aber aus der Sicht des Kommunikationsexperten kann ich nur sagen: Sie machen alles falsch!“ Man könne nicht einerseits von der „großen strukturellen Reform“ reden und de facto das System einer solidarischen Versicherung beibehalten wollen. „Was sie wollen ist eine Verbesserung des bestehenden Systems – das sind Detaillösungen“, so Heilmann. Ob das richtig oder falsch sei, könne er nicht bewerten, aber wer das System im Prinzip nicht in Frage stelle, dürfe das Wort „strukturelle Reform“ erst gar nicht in den Mund nehmen. „Sie müssen das positiv formulieren: Systemoptimierung, Effizienzsteigerung, mehr Leistung und Qualität!“ Erfrischende Ansichten eines Werbefachmanns. Fink versprach, sich diese Anregungen zu Herzen zu nehmen.