Leitartikel

Wir machen Ernst

Heftarchiv Meinung

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wenn die drei großen Heilberufe der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker sich zusammenfinden, um gemeinsame Thesen für kurzfristige Reformen im Gesundheitswesen zu entwickeln, zeugt das vom extremen Ernst der Lage: Die am 16. Februar vor der Bundespressekonferenz in Berlin der Öffentlichkeit präsentierten „Sieben Schritte auf dem Weg zur Gesundheitsreform“ – das Ergebnis dieses erstmals erfolgten Konsensprozesses – sind mehr als ein Novum deutscher Heilberufsgeschichte: Die Thesen signalisieren die große Sorge derjenigen, die in unserem Land den Sicherstellungsauftrag für die Versorgung der Patienten schultern. Mehr als 8000 geänderte oder neue Paragrafen in über zehn Jahren, die notwendig sind, um das angeschlagene Gesundheitswesen überhaupt aufrecht zu erhalten, machen deutlich, dass der Dirigismus längst die Übermacht über Patienten und Ärzte gewonnen hat. Ein Ende ist nicht in Sicht: Auch die gegenwärtigen Rettungsversuche der politischen Entscheider steuern weiter rasant auf eine Zerstörung der Grundfesten unseres Gesundheitssystems zu. Deutschlands Gesundheitswesen ist längst auf dem Weg, von der Zuwendungs- in eine Zuteilungsmedizin abzudriften.

Deshalb haben sich Repräsentanten der Zahnärzte-, Ärzte- und Apothekerschaft einvernehmlich auf Zielsetzungen geeinigt, die den Weg zu einer notwendigen Gesundheitsreform aufzeigen. Wir sind davon überzeugt, dass angesichts der prekären Situation die Politik diese Vorschläge in die Reformdiskussion aufnehmen wird.Und wir werden diese Ziele auch in Zukunft gemeinsam und nachhaltig verfolgen.

Wir bekennen uns ausdrücklich zum Solidarprinzip. Um es zu erhalten, muss aber den demografischen, medizinischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung getragen werden. Unabdingbar für ein tragbares und funktionierendes Gesundheitssystem ist, dass der Patient seinen Arzt, Zahnarzt oder Apotheker auch künftig frei wählen kann. Für den Patienten fordern wir auch die Wahlfreiheit unter allen im Wettbewerb konkurrierenden gesetzlichen wie privaten Krankenversicherungen. Eine Einheitsversicherung lehnen wir ebenso ab wie eine Grenzverschiebung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Vorrangiges Prinzip der gemeinsamen Überlegungen ist aber auch, die Eigenverantwortung der Patienten und damit deren Kostenverantwortung zu stärken. Kostentransparenz, eine sozialverträgliche Selbstkostenbeteiligung und ein Anspruch der Patienten auf die medizinisch notwendige Versorgung sind Voraussetzungen zur Bewältigung der Dauerkrise unseres Gesundheitssystems. Die drei Heilberufe plädieren für die Einführung von Festzuschüssen in geeigneten Leistungsbereichen. Darüber hinausgehende Leistungen sollen im Wege der Zuzahlung abgegolten werden. Diese Zuzahlung kann durch individuelle Vereinbarungen zwischen Arzt und Patient oder im Rahmen von Gebührenordnungen erfolgen. Fixiert und damit einvernehmlich akzeptiert wurde in den Thesen der drei Heilberufe erstmals auch die Einführung des Kostenerstattungsprinzips. Da sich die zahnmedizinische Versorgung dafür ideal eignet, soll sie in diesem Bereich, so die ausdrückliche Vorstellung der drei Berufsgruppen, sofort eingeführt werden. Zahnmedizinische Versorgung auf der Basis befundorientierter Festzuschüsse und Kostenerstattung ist das ideale Modellprojekt für ein zukunftsorientiertes Gesundheitswesen. Denn in unserer Systematik stehen alle Therapieschritte offen, ohne dass der Patient seinen Anspruch auf Grundversorgung verliert.

Hier liegt, so haben Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerschaft in ihrem gemeinsamen Votum dokumentiert, der Ausweg aus dem jahrzehntelangen Dilemma deutscher Gesundheitspolitik. Ihn gilt es zu beschreiten, damit wir zielgerichtet unserer eigentlichen Aufgabe nachkommen können: Denn präventionsorientierte Zahnheilkunde soll in erster Linie Krankheiten vermeiden und das Risiko für Neu- oder Wiedererkrankung minimieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.