Auf die Lage kommt es an
Was für hochriskante Aktien zutrifft, gilt im Prinzip auch für die gemeinhin sichereren Immobilien: Niemand kann vorher mit absoluter Gewissheit sagen, ob sich das Investment am Ende lohnen wird.
Gegen einen Immobilienkauf sprechen derzeit gravierende Fakten. Rund 300 000 Wohnungen sind allein in Westdeutschland überflüssig. Sie stehen leer, sind zumeist sanierungsbedürftig oder gar reif für den Abriss.
In den neuen Bundesländern stehen rund eine Million Wohnungen leer. Allein in Berlin sind rund 130 000 Wohnungen unbewohnt. Das gilt für die heute vielfach unzumutbaren DDRPlattenbauten, aber auch in nicht unerheblichem Maße für die nach der deutschen Wiedervereinigung steuerlich stark begünstigten, bislang unvermieteten und erst recht unverkäuflichen Neubauten.
Hinzu kommt: Die Bevölkerung wächst nicht mehr, sie nimmt ab, und damit sinkt langfristig der Bedarf an Wohnraum. Überproportional stehen derzeit vor allem hochwertige Wohnungen und Wohnhäuser zum Verkauf. Der Grund: Jetzt ist auch das gut betuchte mittlere Management zusammen mit zahlreichen Freiberuflern und Kleinunternehmern von Arbeitslosigkeit und Insolvenz bedroht. Die Realeinkommen steigen nur selten, sie sinken überwiegend. Das schlägt auch auf die Immobilien durch, deren Wert nur bei steigender Einkommenstendenz wächst. Folgerichtig fielen die Immobilienpreise im Jahr 2002 Deutschland weit im Schnitt um 3,3 Prozent.
Wertzuwachs ist eine Illusion
Außerdem hat die Immobilie im Rückblick auf die Nachkriegsjahrzehnte ihren Nimbus als Reichmacher längst verloren. Der vermeintlich eingebaute Wertzuwachs mit Inflationsschutz war während der vergangenen drei Jahrzehnte eine Illusion. Denn die Preise für Wohnimmobilien, vor allem für Eigentumswohnungen, hielten im Bundesschnitt nicht einmal mit der allgemeinen Preisentwicklung Schritt. Wer etwa 1971eine Eigentumswohnung erwarb, so ermittelte die Deutsche Immobilien- Akademie mit Sitz in Freiburg, erzielte bei der nominalen Wertsteigerung bis 1999 lediglich mehr oder minder einen Ausgleich der Geldentwertung. Nach 1999 blieb der Wertzuwachs für das Betongold sogar deutlich hinter der Inflationsrate zurück.
Für einen Immobilienkauf sprechen derzeit folgende Argumente: Die Zahl der neu erbauten Wohnungen hat sich von 1996 bis zum Jahr 2002 mehr als halbiert. Sollte sich die derzeit desolate Wirtschaftslage in Deutschland wieder normalisieren, steigt die Bezahlbarkeit von und die Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum. Dann könnten die Mieten wieder stärker steigen als die Inflation. Für Immobilien ergäbe das einen realen Wertzuwachs.
Die Hypothekenzinsen sind auf einen historischen Tiefstand gesunken. Bei zehnjähriger Laufzeit locken bereits Angebote mit effektiv unter vier Prozent. Sollte, wie erwartet, die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins weiter senken (um in den führenden Industrienationen der Europäischen Union die Wirtschaft anzukurbeln), dürften die Zehnjährigen nachhaltig unter vier Prozent sinken. Eine Zinsbindung von 15 oder gar 20 Jahren zu effektiv vier bis fünf Prozent wäre dann verlockend und ein starker Stabilisator für eine langfristig gültige Immobilien-Renditerechnung. An vielen, gar nicht mal unattraktiven Standorten würde ein derart tiefes Zinsniveau kostengünstiger sein als eine Neubau-Miete. Und Vermieter könnten nach Ausschöpfung aller Steuervorteile mit einem Überschuss kalkulieren.
Immobilien sind für Vermieter immer noch ein sehr lukratives Steuersparmodell. Der Minussaldo aus Zinszahlungen und Mieteinnahmen kann steuerlich als Werbungskosten vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Auf der Grundlage der (noch) geltenden degressiven Abschreibung können acht Jahre lang bei der Vermietung eines Neubaus jährlich fünf Prozent von den reinen Baukosten (gleich Erwerbspreis minus Grundstück) abgeschrieben, das heißt steuerlich als Wertverlust geltend gemacht werden. Werbungskosten und Abschreibung zusammen machen im Normalfall eine vermietete Immobilie für den Investor kostenneutral. Die Rendite liegt dann primär im erwarteten Wertzuwachs. Doch bei einem extrem tiefen Zinsniveau entsteht unterm Strich nach Steuern zumeist ein Überschuss.
Grenzen der Verzweiflung
Es fehlt derzeit an adäquaten Alternativen zu einer Vermögensbildung und Altersvorsorge durch Immobilien. Was den Bauherren erfreut, treibt den Sparer beinahe an die Grenze der Verzweiflung: das niedrige Zinsniveau. Denn solide, festverzinsliche Staatsanleihen bringen derzeit nur noch eine Umlaufrendite von rund 3,3 Prozent. Nach Steuern verbleibt eine Rendite, die einem Taschengeld entspricht. Sollten die Zinsen wieder steigen, womit nicht zuletzt aufgrund der horrenden Staatsverschuldung auf mittlere Sicht zu rechnen ist, können heute erworbene festverzinsliche, jederzeit verkäufliche Anleihetitel zwischenzeitlich im Wert zwischen zehn und 20 Prozent verlieren. Auch kapitalbildende Lebensversicherungen stehen derzeit bei Langfristsparern nicht gerade hoch im Kurs. Die Durchschnittsverzinsung des Sparanteils (Jahresprämie minus Kosten für Verwaltung und die Versicherung des Todesrisikos von rund 25 Prozent der Prämienzahlung) sank von 7,23 Prozent im Jahr 1998 auf mittlerweile 4,79 Prozent. Tendenz: weiter sinkend, erst recht bei womöglich weiter reduzierter Garantieverzinsung (derzeit: 3,25 Prozent). Selbst renommierte Gesellschaften erwirtschaften aktuell nicht einmal die Garantierendite. Fazit: Das Risiko, auf den falschen Assekuranten gesetzt zu haben, ist sicherlich ebenso groß wie beim Kauf einer Immobilie die falsche Wahl getroffen zu haben. Eine zu vermietende Immobilie über ein tilgungsfreies und damit steuerlich begünstigtes Policendarlehen zu finanzieren, lohnt sich auch nicht mehr.
Und Aktien, nicht einmal die wesentlich sichereren Aktienfonds, waren noch nie eine Alternative zu Immobilien. Auf lange Sicht hingegen sind konservative, möglichst international ausgerichtete Aktienfonds immer noch das probateste und flexibelste Instrument der privaten Vermögensbildung – und unter Renditegesichtspunkten gerade derzeit die bessere Alternative zur Wohnimmobilie. Vorausgesetzt: Temporär starke Wertschwankungen (auf dem Papier) nach oben wie nach unten lassen den Langfristinvestor kalt.
Doch als sichere Bank für den Ruhestand ist eine bezahlte Immobilie nicht von der Hand zu weisen. Denn der Ruheständler spart sich die Miete, vor allem aber erspart er sich das Risiko von Mieterhöhungen. Da auch in Deutschland die Inflation auf Dauer nicht bei knapp über der Nulllinie verharren wird, muss mit Mietsteigerungen gerechnet werden, die weit über dem Inflationsausgleich einer Altersrente liegen dürften. Doch der Eigentümer einer Wohnung hat das nicht zu unterschätzende Mietrisiko eliminiert. Die beste Lösung wäre, das für den Ruhestand geeignete Objekt frühzeitig zu kaufen, bis zum Ruhestand mit Steuereinsparungen zu vermieten, es zwischenzeitlich zu bezahlen und mit Beginn des Ruhestandes selber einzuziehen.
Begehrte Standorte
Dreh- und Angelpunkt beim Kauf einer Wohnimmobilie ist der Standort. Dazu zählt nicht nur die Lage innerhalb einer Kommune, sondern vor allem die Wahl der Wohngemeinde innerhalb Deutschlands. Denn in ganz Deutschland gibt es höchst unterschiedliche Wohnregionen, Stadt- und Ortstypen. Der Süden und Südwesten, abgesehen vom Bayerischen Wald, ist ganz allgemein begehrter, weil wirtschaftlich besser entwickelt als die Mitte, der Norden, der Nordwesten oder auch der Osten. In Metropolen wie München, Frankfurt oder Köln ist Wohnen (das heißt: Kauf und Miete) mindestens doppelt so teuer wie etwa in Emden, Magdeburg oder Görlitz.
Im folgenden werden die Immobilienstandorte wie folgt klassifiziert (Quelle „Wirtschaftswoche“):
• Wirtschaftlich gesunde Metropolen wie München, Köln und Hamburg: Hier sind qualitativ hochwertige Mietwohnungen in gut bürgerlichen Wohngegenden mit komfortabler Infrastruktur (bezüglich Nahverkehr, Naherholung, Lärm, Luft, Schulen und Einkaufen) nach wie vor chronisch knapp und selbst in der Flaute teuer geblieben. Doch es gibt kaum Neubauten. Selbstnutzer finden ein gar nicht knappes Angebot an Luxusimmobilien (die zu vermieten sich nicht rentieren würde), weil einst Wohlhabende unter Verkaufsdruck stehen. Vermieter sollten nur hochwertige und vom Charakter her handelbare Objekte in Spitzenlagen erwerben. Hohe Einstiegspreise mindern allerdings die anfängliche Mietrendite, bieten letztlich aber mit Qualität unterfütterte Preisstabilität. Einfamilienhäuser zur Selbstnutzung sind heute auch in oder im Umfeld der Metropolen im allgemeinen preisgünstiger als noch vor Jahren.
• Metropolen im Strukturwandel wie etwa Berlin, Essen oder Nürnberg: Hier bestehen starke Kontraste zwischen Wohnungen im Umfeld einer Industriebrache und schmucken Wohngegenden mit allen Attributen einer wohltuenden Urbanität. Nur hier ist ein Immobilienkauf ratsam. Hier ist derzeit sogar die Nachfrage flau, aber das Angebot, vor allem für hochwertige Eigentumswohnungen, recht lebhaft. Die genannten Städte, in erster Linie die neue Bundeshauptstadt Berlin, befinden sich in einem Wandel vom Industriestandort zum Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum. Die höheren Dienstleistungen korrespondieren mit guter Ausbildung, Qualifikation und gutem Einkommen. Die genannten Metropolen sind noch, was die Immobilienpreise und die Mieten betrifft, preisgünstige Standorte, allerdings mit einer Tendenz zur Verteuerung.
• Sonnenstädte wie Freiburg, Heidelberg, oder Bonn sind nicht nur (an der Rheinschiene) mit einem relativ warmen Klima gesegnet. Hier herrscht auch, so die „Wirtschaftswoche“, deutsche „Gemütlichkeit auf höchstem Niveau“, getragen von einer „mildurbanen Qualität“. Die Kaufkraft ist relativ hoch, der Immobilienpreis samt den Mieten sind es entsprechend. Schöne Häuser und geräumige Altbauten können so viel kosten wie in den Metropolen. Doch marktund konjunkturbedingte Preisrückschläge halten sich in Grenzen. In diesen überschaubaren Kommunen mit zumeist attraktivem Hinterland könnte man jetzt kaufen, um bis zum Ruhestand zu vermieten. Im Ruhestand könnte man sich, wem das gefällt, unter die ohnehin schon reichlich vorhandenen Ruheständler mit gehobenem Anspruch mischen. Und als Jungbrunnen gibt es in fast allen „Sonnenstädten“ namhafte Universitäten.
• Preisgünstige Mittelstädte mit Potential sind Augsburg, Lübeck oder Ulm. Die meisten dieser Städte, vor allem Augsburg und Lübeck, sind historische und stadtarchitektonische Perlen. Der Quadratmeter Wohnfläche kostet vielfach noch deutlich unter 1 500 Euro. Das ist zumeist weniger als die Hälfte dessen, was in den großen Metropolen zu zahlen ist. Demgegenüber sind die Mieterträge durchaus respektabel. Die Mietrendite liegt im Vergleich zu anderen Standorten im oberen Bereich. Wer als Vermieter unbedingt einen Liquiditätsüberschuss erzielen will, ist in diesen wirtschaftlich keineswegs hinterwäldlerischen Kommunen richtig angesiedelt. Hoch im Norden, in Kiel und Oldenburg etwa, kämpft man allerdings noch mit Strukturproblemen.
• Aufsteiger Ost in der ehemaligen DDR sind in erster Linie Jena, Potsdam, Erfurt und Leipzig. Gemessen am Stadtbild und am Flair überzeugen am stärksten Potsdam, Erfurt und das Zentrum von Dresden. Das Angebot an hochwertig und ansprechend renovierten Altbauten wie auch an hochqualitativen Neubauten ist hier recht reichhaltig und zum Teil ausgesprochen preiswert. Die Preise aus der Wendezeit sind längst passé. Die damalige Abschreibungsquote von 50 Prozent wurde vielfach auf die Kaufpreise aufgeschlagen. So gibt es heute erstklassige Objekte zum halben damaligen Anschaffungspreis. Nur wer Mieten deutlich über fünf Euro verlangt, muss mit Schwierigkeiten (oder Mieterfluktuation) rechnen. Die Mietnebenkosten indes haben durchaus Westniveau. Sie sind ein nachhaltiger Kalkulationsfaktor und oft ein Hindernis, Mieter zu finden. Wer langfristig orientiert ist, kauft gerade jetzt in den Edelkommunen des Ostens, in erster Linie in Ostberlin oder in Potsdam, das Beste vom Besten – noch zum Discount.
• Billiglagen wie etwa Magdeburg, Salzgitter oder Wilhelmshaven sind nur geeignet für Immobilienprofis, die in nahezu wertlosen Objekten doch noch lukrative Entwicklungsmöglichkeiten sehen. Im Großen und Ganzen aber dominieren Leerstände, fallende Preise, niedrigste Mieten. Um eine Billiglage für sich selber zum Wohnen zu nutzen, sind die genannten Standorte zu unattraktiv. Das Segment der wirklich hochwertigen Objekte ist sehr, sehr schmal. Doch das Objekt als solches wird schnell wieder wertlos und unattraktiv, weil sich das zumeist triste Umfeld langfristig nicht ändern wird. Von den Billiglagen sollte jeder nicht spekulativ orientierte Immobilieninvestor Abstand nehmen.
Liebhaber oder knallharter Profi
Mit dem Standort einer Immobilie korrespondiert ihr Preis. Privatverkäufer, Makler oder Bauträger sprechen dem zur Disposition stehenden Objekt gerne einen Liebhaberpreis zu. Doch der knallharte Profi, der sich nicht blenden lässt, kalkuliert den wahren Wert einer Immobilie nach einer weithin anerkannten Formel. Ein gutes, nicht zu altes und nicht (oder nicht mehr) sanierungsbedürftiges Objekt in guter Lage: Jahresnettomiete mal 20; ein Spitzenobjekt in jeder Hinsicht: Jahresmiete multipliziert mit maximal 25. Danach kostet eine erstklassige 100-Quadratmeter-Wohnung, die zu netto 800 Euro (acht Euro pro Quadratmeter) vermietet ist und demgemäß eine Jahresmiete von 9 600 Euro einbringt, zwischen 192 000 und maximal 240 000 Euro. Der putzige Esserker, die sonnige Loggia, die U-Bahn-Haltestelle vor der Haustür oder der zauberhafte Blick in einen parkähnlichen Garten sind in dieser Preisspanne enthalten.
Am Rande bemerkt: Auch die Preise (Kurse) für Aktien werden nach einem Vielfachen des Jahresgewinns bemessen. So ist der Allianz-Konzern derzeit zum 16fachen Jahresgewinn zu haben, für die Deutsche Bank muss bereits der 22fache Jahresgewinn bezahlt werden, für Volkswagen hingegen reicht der Faktor sieben.
Trübe Aussichten
Der deutsche Immobilieninvestor sollte auch wissen, wie ein Preisvergleich mit dem Ausland aussieht. Kurz gesagt: überaus trübe. Denn Deutschland ist das Industrieland mit den wohl unbeweglichsten Immobilienpreisen – vor allem in Richtung Norden, also nach oben. So hat die Deutsche Bank eine Preisskala für Deutschland, Großbritannien, die USA und Spanien entwickelt. Das Ergebnis: Setzt man 1985 gleich 100, dann steht das Preisniveau in Deutschland im Jahr 2002 bei 130, in den USA bei 220, in Großbritannien bei knapp über 300 und in Spanien bei 390. Mit anderen Worten: In Spanien ist, nicht zuletzt dank der starken Wirtschaftsbelebung durch den EU-Beitritt, das allgemeine Preisniveau für Wohnimmobilien während der vergangenen 17 Jahre dreimal so stark gestiegen wie in Deutschland.