Von Nießbrauch bis Leibrente
Das Bundesverfassungsgericht hat demnächst (wieder einmal) darüber zu befinden, ob Immobilien und Betriebe – somit auch Arzt- und Zahnarztpraxen – bei Schenkungen oder bei der Veranlagung zur Erbschaftsteuer wesentlich geringer bewerten werden dürfen als etwa Geldvermögen in Form von Wertpapieren. Damit der Fiskus auch nachträglich zur Kasse bitten kann, ergehen derzeit alle Erbschaftsteuerbescheide mit dem Verweis auf Paragraph 165 der Abgabenordnung als „vorläufig“. Doch am 26. August vergangenen Jahres veröffentlichte das Bundesfinanzministerium einen Erlass (Aktenzeichen IV C3 – S 2255 – 420/02), der für all jene Planungssicherheit schafft, die per Vertrag eine „vorweggenommene Erbfolge“ regeln wollen.
Drei Möglichkeiten
Dieser Erlass bezieht sich allerdings nur auf so genanntes „existenzsicherndes Vermögen“. Dazu zählen in erster Linie (vermietete) Immobilien und Betriebe. Vermögende Eltern, die Ihren Kindern schon zu Lebzeiten beispielsweise ein solides Mietshaus als Eigentum übertragen wollen, können dabei mit drei Möglichkeiten jonglieren: eine Schenkung in Verbindung mit Nießbrauch, eine Schenkung in Verbindung mit einer „dauernden Last“ oder eine Übertragung gegen eine Leibrente.
Wenn das Bundesverfassungsgericht (BVG) demnächst entscheidet, gehen Rechts- und Steuerexperten davon aus, dass es selber dem Grundrecht des Vertrauensschutzes treu bleibt und keine nachträgliche Änderung der zurzeit ungleichen Bewertung von Immobilien und Geldvermögen verlangt. Damit hätte eine jetzt getroffene Regelung zu Lebzeiten der Erblasser dauerhaften Bestand, gleichgültig, was das BVG und der Gesetzgeber künftig entscheiden. Auch der Erlass des Bundesfinanzministers, der im November 2002 in Kraft getreten ist, darf nachträglich nicht mehr zum Schaden der Betroffenen abgeändert werden.
Im Einzelnen kann eine „vorweggenommene“ Erbschaft per Vertrag nach folgenden Modellen gestaltet werden.
Nießbrauch:Die Eigentümer verschenken eine Immobilie an ihre nächsten leiblichen Verwandten (das sind in der Regel die eigenen Kinder) und machen dabei für jedes Kind den Freibetrag von 205 000 Euro geltend. Die Schenker behalten aber (per Notarvertrag und Grundbucheintrag) die Nutzung oder die Mieteinnahmen aus ihrer Schenkung. Die (eventuell noch fällige) Steuer auf den verschenkten Teil des Erbes wird gestundet, bis das Recht auf den Nießbrauch erloschen ist. Verstreichen bis dahin mehr als zehn Jahre, können die Freibeträge auch zweimal geltend gemacht werden. Auf die Einkommensteuer der beschenkten Kinder hat der Nießbrauch der Schenker keinen Einfluss.
Dauernde Last:Als Gegenleistung zu einer Immobilienübertragung überweisen die Beschenkten (in der Regel die Kinder) regelmäßig einen Geldbetrag an die Schenker.
Die Mieteinkünfte fließen indessen auf das Konto der Beschenkten. Im Fachjargon spricht man von einer „gemischten Schenkung“. Die Gegenleistung in Geld, auch „dauernde Last“ genannt, gilt steuertechnisch als Verbindlichkeit. Sie kann daher vom zu versteuernden Einkommen der Zahlenden abgezogen werden. Dieses Modell bietet sich an, wenn die beschenkten Kinder Höchststeuersätze zahlen. Die Versorgungsleistung darf sogar höher ausfallen als die erzielten und von den Kindern (nach Abzug der Werbungskosten) zu versteuernden Mieteinkünfte. Sind die Mieteinkünfte niedriger als die Versorgungsleistung, geht der Steuervorteil nicht verloren, wenn der Wert des Vermögens mindestens die Hälfte des Kapital- oder Barwerts der Versorgung ausmacht. Allerdings muss die „dauernde Last“ von den Empfängern versteuert werden.
Je größer aber der Einkommensunterschied zwischen Eltern und Kindern, um so größer ist auch der Steuervorteil für die Familie. Selbstverständlich können die Kinder als Träger der „dauernden Last“ und als neue Eigentümer einer Immobilie deren Werbungskosten und Abschreibungen steuerlich geltend machen. Allerdings: Die „dauernde Last“ ist im Prinzip abänderbar.
Sie lässt sich an das Einkommen der Kinder wie auch an die Bedürftigkeit der Eltern anpassen. Erst die Abänderbarkeit der Zahlungen garantiert den Vorteil bei der Einkommensteuer. Deshalb sollte ein Verweis auf Paragraph 323 der Zivilprozessordnung im Schenkungsvertrag nicht fehlen.
Leibrente:Eltern übertragen eine vermietete Immobilie auf ihre Nachkommen und erhalten als Gegenleistung von diesen lebenslang eine Leibrente. Der Kapitalwert der Zahlungen kann vom steuerpflichtigen Erbvermögen abgezogen werden, die Erbschaftsteuer sinkt. Die Rentenzahler dürfen nur den Ertragsanteil der Rentenzahlung steuerlich geltend machen. Der Steuersatz ist abhängig vom Alter der Rentenempfänger bei Rentenbeginn. Mit 55 liegt der Steuersatz bei 38 Prozent, mit 60 Jahren bei 32 und mit 65 Jahren bei 27 Prozent. Was die Rentenzahler absetzen dürfen, müssen die Rentenempfänger versteuern, zumeist jedoch mit marginalen Steuersätzen. Wichtig, vor allem für die Schenker: Eine Leibrente ist unabänderlich. Sie kann nicht herabgesetzt oder ausgesetzt werden. Lediglich die amtlich festgestellte Inflation kann per Vertragsklausel ausgeglichen werden.
Geänderte Praxis
Der Erlass des Bundesfinanzministers vom 26. August 2002 ändert die bis dahin übliche Vertragspraxis in einigen wesentlichen Punkten: Die Versorgungsleistungen müssen grundsätzlich auf Lebenszeit vereinbart sein. Das übertragene Vermögen sollte möglichst nicht verkauft werden, bevor die Rechte der ursprünglichen Eigentümer erloschen sind. Die übertragene Immobilie sollte vermietet sein (außer bei Nießbrauch in Form von Eigennutzung durch die Schenker). Bei einer Selbstnutzung können die Versorgungsleistungen nicht mehr als Sonderausgaben geltend gemacht werden.
Damit die Verträge im Rahmen dieser komplexen Materie wasserdicht sind, sollten auf jeden Fall kundige Fachanwälte und Steuerberater beigezogen werden. jk
Der langjährige Autor unserer Rubrik „Finanzen“ ist gerne bereit, unter der Telefon-Nr. 089/64 28 91 50Fragen zu seinen Berichten zu beantworten.Dr. Joachim KirchmannHarthauser Straße 2581545 München