Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
eine „verdeckte“ und „gewollte Rationierung medizinischer Leistungen“ sei das von der Bundesregierung im Kabinett inzwischen verabschiedete Gesundheitsmodernisierungsgesetz. So klagte der mit überzeugender Mehrheit auf dem Deutschen Ärztetag in Köln wiedergewählte Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe – und störte damit wieder einmal die Kreise der Bundesgesundheitsministerin. Ulla Schmidts Versuch, durch einen Auftritt in der „Höhle des Löwen“ auf dem Ärztetag das erneute Kostendämpfungsgesetz als Reform zu verkaufen, misslang.
Auch wenn die Ministerin als ihr persönliches Ziel deklamiert, dass „alle Versicherten die medizinische Versorgung erhalten, die notwendig ist, und zwar auf der Höhe des medizinischen Fortschritts, unabhängig von Einkommen und Alter“, haben die Ärzte kein Hehl aus ihrer Einschätzung gemacht, es handle sich beim Gesundheitsmodernisierungsgesetz wieder einmal um eine reine Maßnahme der Kostendämpfung.
Dennoch: Es kümmert die rot-grüne Bundesregierung nicht, wenn Fachleute warnen. Der Denkansatz der Gesundheitspolitiker in dieser Regierung ist – wie das Debakel um die Tabaksteuer zeigt – rein ökonomischer Art. Und wer aus dem allgemeinen Gemurre durch auffälligere Argumentation herausragt, bekommt einfach öffentlich den Stempel des Lobbyisten aufgedrückt. So, scheint man in der Bundesregierung zu hoffen, werde man auch diesen Prozess weiterer Geldschinderei für den Staatshaushalt unbeschadet überstehen.
Dabei ist das, was die Ministerin als Verhandlungsgrundlage für den Abgleich mit der Opposition präsentiert, selbst für diejenigen, die die Kostendämpfungs-Reförmchen der letzten Jahre kennen, keineswegs mehr ein akzeptabler Pappenstiel. Immerhin geht es neben den vielen Geldschiebereien – es ist Sparen auf Kosten der Patienten – auch ans Eingemachte der Heilberufe: Das „Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin“, die Verpflichtung zur Fortbildung und zur Einführung eines internen Qualitätsmanagements, die Aufteilung des Sicherstellungsauftrages zwischen Kassen und Ärzten durch Einzelverträge oder die Einführung hauptamtlicher Strukturen in den KVen sind klare Eingriffe in deren bisher gewährte berufliche Freiheiten.
Große Chancen, ihren Gesetzesentwurf durchzubekommen, geben ihr die fachkundigen Stimmen aus CDU/CSU derzeit nicht. Ob das wiederum nur das laute, taktische Politgerangel vor den eigentlichen Verhandlungen ist, bleibt momentan dahingestellt. Allerdings: Die Gefahr, dass Einschneidendes bleibt, ist groß.
Die Heilberufe haben nur die Möglichkeit, weiterhin durch öffentliche Aufklärung und Überzeugungsarbeit das Schlimmste zu verhindern. Der im Sinne der Bevölkerung notwendige „große Wurf“ einer Reform, die diesen Namen auch verdient, ist jedenfalls – wieder einmal – nicht in Sicht.
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur