Teure Tropfen mit bösen Folgen
Doch die Unverträglichkeit hat oft andere Ursachen, betont der Züricher Allergologe Prof. Dr. Brunello Wüthrich und gibt praktische Empfehlungen zur Wahl der Getränke. Nicht alles, was danach aussieht, ist eine echte Allergie, konstatiert der Doyen der Schweizer Allergologen in der „Münchener Medizinischen Wochenschrift“ (Nr. 51–52/2002). Zwar sind allergische Reaktionen auf bestimmte Bestandteile des Weins, zum Beispiel auf Trauben oder den Edelfäulepilz Botrytis cinerea durchaus möglich, aber extrem selten: „Während meiner 35-jährigen Tätigkeit auf der Allergiestation habe ich nur je einmal eine Weintraubenund eine Botrytis-Allergie diagnostizieren können“, berichtet Prof. Wüthrich.
Häufiger kommen dagegen Unverträglichkeitsreaktionen vor. Wenn jemand zum Beispiel auf den Alkohol selbst oder auf sein Zerfallprodukt Essigsäure empfindlich reagiert, verträgt er überhaupt kein alkoholisches Getränk. Eine weitere Möglichkeit: Der Alkohol verstärkt die Freisetzung von Allergenen aus der Nahrung, die zusammen mit dem Getränk konsumiert wird. Das führt manchmal dazu, dass unterschwellige, sonst gut verträgliche Dosen des im Nahrungsmittel enthaltenen Allergens plötzlich zu Symptomen führen.
Vor dem „Prosit“ ...
Der häufigste Grund für die Unverträglichkeit alkoholischer Getränke liegt jedoch an ihrem Gehalt an den biogenen Aminen Histamin und Tyramin. Menschen, die wegen eines Enzymmangels diese Stoffe nur vermindert abbauen können, reagieren mit Symptomen, die einer allergischen Reaktion gleichen („Pseudoallergie“). Nach einer französischen Studie muss man bei 0,2 Prozent aller Menschen mit solchen Reaktionen rechnen. Prof. Wüthrich: „Im Vordergrund stehen Flash-Erscheinungen (Rötungen), vor allem des Gesichts und Dekolletees, aber auch migräneartige Kopfschmerzen, Schwellung der Nasenschleimhaut und Nasenfließen, gelegentlich auch Atembeschwerden.“ Ob jemand nach dem ersten tiefen Schluck lediglich freudig errötet oder gleich eine „rote Bombe“ bekommt, hängt also oft vom Histamingehalt des jeweiligen Getränks ab. Champagner sowie Weine aus Bordeaux und Chianti haben in der Regel einen hohen Histamingehalt, billige Sorten aus Südtirol enthalten dagegen meist nur wenig davon. Der Unterschied kann gewaltig sein: Während Bordeaux-Weine über 2 000 Mikrogramm Histamin pro Liter enthalten, bringt es ein Blauer Zweigelt auf lediglich 375 und einer Grüner Veltiner sogar auf nur sieben Mikrogramm pro Liter.
Reagiert jemand pseudoallergisch auf sein Lieblingsgetränk, muss er sich häufig auch bei bestimmten Nahrungsmitteln in Acht nehmen. Reich an Histamin sind vor allem Wurstwaren, wie Bratwurst, Mettwurst und Aufschnitt, sowie alle rohen geräucherten und gepökelten Fleischsorten wie Schinken. Thunfisch, Makrele, Krustentiere und Hering sind ebenfalls histaminreich, besonders als Konserve und in mariniertem oder getrocknetem Zustand. Empfehlenswert dagegen sind frische und tiefgekühlte Fische wie Dorsch oder Forellen. Käseliebhaber sollten Hart-Weich- und Schmelzkäse meiden und lieber auf Hüttenkäse, Quark und andere Milchprodukte ausweichen. Reich an Histamin sind übrigens auch die Gemüsesorten Sauerkraut, Spinat, Tomaten, Auberginen, Avocado und Pilze.
... ein Antihistaminikum
Liebhaber verschiedener Weißweinsorten reagieren gelegentlich auch auf den Schwefelgehalt ihres Getränks mit einer Unverträglichkeit. Asthmatiker sind besonders häufig davon betroffen. In den USA muss deshalb gesetzlich auf den Weinetiketten der Vermerk „Contains sulfits“ angebracht werden. Für histaminempfindliche Menschen, die nicht auf ihr Glas Wein verzichten wollen, offeriert der Schweizer Allergologe einen hilfreichen Geheimtipp: Zur Vermeidung der lästigen Reaktionen sollten sie schon vor dem Entkorken der Flasche und vor dem ersten Happen eines Katerfrühstücks vorsorglich ein Antihistaminikum einnehmen.
Lajos SchöneGerstäckerstraße 981827 München