Gemeinsame Stellungnahme der Dt. Ges. f. Parodontologie (DGP) und der Dt. Ges. für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (DGZMK)

Adjuvante Antibiotika in der Parodontitistherapie

192120-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin

Der Einsatz von Antibiotika im Rahmen einer Parodontitistherapie begründet sich aus der Erkenntnis, dass Bakterien Ursache entzündlicher Erkrankungen des Zahnhalteapparates sind [Chen, 2001]. Die alleinige Anwendung von Antibiotika zeigt allerdings meist nur eine geringe klinische Wirkung [Lindhe et al., 1983, Berglundh et al., 1998], da Antibiotika aufgrund der Biofilm-Struktur der Plaque nur eingeschränkt in die Plaque penetrieren [Gilbert et al., 1997] können und die im Biofilm enthaltenen Bakterien eine höhere Antibiotikaresistenz aufweisen [Stewart und Costerton, 2001; Costerton, 1999].

Ein supra- und subgingivales Debridement führt zur temporären Desintegration des Biofilms und somit zur Erhöhung der Wirksamkeit der eingesetzten Antibiotika [Jorgensen und Slots, 2000; Darveau et al., 1997]. Daher sollten Antibiotika mit supraund subgingivalem Debridement kombiniert werden, um eine parodontale Infektion klinisch erfolgreich zu therapieren. Antibiotika sind also in der Parodontitistherapie als Unterstützung und nicht als Ersatz von supra- und subgingivalem Debridement anzusehen.

Ziel der Antibiotikatherapie

Die unterstützende Verabreichung von Antibiotika soll die Progredienz parodontaler Attachmentverluste aufhalten oder sie zumindest stark reduzieren. Um das zu erreichen, wird angestrebt, die Keimzahl parodontopathogener Bakterien in der parodontalen Tasche über die Wirkung des mechanischen Debridements hinweg zu verringern oder wenn möglich, die parodontopathogenen Bakterien aus der Mundhöhle zu eliminieren. Um der Gefahr einer Resistenzbildung parodontopathogener Keime [Hagiwara et al., 1998] vorzubeugen, sollen hierbei geeignete, das Spektrum parodontopathogener Keime abdeckende Antibiotika zum Einsatz kommen [Horstkotte D.; 1999, Abu-Fanas et al., 1991; Kleinfelder et al., 2000].

Darüber hinaus soll die intraund extraorale physiologische Keimflora jedoch möglichst wenig verändert werden, damit es nicht zur Superinfektion mit anderen pathogenen Keimen kommt.

Indikationen der Antibiotikatherapie

Für die unterstützende systemische Antibiotikagabe zur Therapie von Parodontitiden soll eine niedrige Risiko- und Kosten-Nutzen-Relation gewahrt bleiben. Deshalb beschränkt sich die Indikation zur unterstützenden Antibiotikatherapie in der Regel nur auf folgende Erkrankungen:

• aggressive Parodontitis [AAP, 2000a]

• schwere chronische Parodontitis

• Parodontitiden, die trotz vorangegangener Therapie progrediente Attachmentverluste aufweisen [AAP, 2001]

• Parodontalabszess mit Tendenz zur Ausbreitung in die benachbarten Logen, Fieber und/oder ausgeprägter Lymphadenopathie [AAP, 2001; Dahlen, 2002]

• nekrotisierende ulzerierende Gingivitis oder Parodontitis mit ausgeprägter Allgemeinsymptomatik (Fieber und/oder ausgeprägter Lymphadenopathie) [AAP, 2001]

• mittelschwere bis schwere Parodontitis bei systemischen Erkrankungen oder Zuständen, die die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen. Hierbei ist besonders auf eine potentielle Antibiotika-induzierte Superinfektion durch andere Erreger, zum Beispiel Candida, zu achten [AAP, 2000b].

Bei plaqueassoziierter Gingivitis sowie leichten und mittelschweren chronischen Parodontitiden bei systemisch gesunden Personen, die bei weitem die überwiegende Mehrzahl der Parodontalerkrankungen darstellen, hat eine unterstützende antibiotische Behandlung gegenüber der alleinigen mechanischen Parodontitistherapie (supraund subgingivales Debridement und eventuell Lappenoperation) meist keinen zusätzlichen Nutzen [Ciancio, 2002; Slots und Jorgensen, 2002; Slots und Rams, 1990].

Ob eine Antibiotikatherapie das Behandlungsergebnis bei der regenerativen Parodontalchirurgie (gesteuerte Geweberegeneration, autogene oder allogene Knochenimplantate) oder bei aktiven Rauchern verbessert, wird zurzeit noch kontrovers diskutiert [Zucchelli et al., 1999; Mombelli et al., 1996; Minabe et al., 2000; Sculean et al., 2001]. Für die Indikation einer prophylaktischen Antibiotikagabe bei systemischen Erkrankungen, zum Beispiel bei erhöhtem Endokarditisrisiko, wird auf die entsprechende DGZMK-Stellungnahme verwiesen [Horstkotte D, 1999].

Zeitpunkt der Antibiotikatherapie

Um eine möglichst effiziente Wirkung zu erreichen sollen die Antibiotika nach Desintegration des Biofilms, das heißt direkt nach Abschluss des supra- und subgingivalen Debridements verabreicht werden [Jousimies-Somer et al., 1988].

Auswahl der Antibiotika

Das Vorkommen parodontopathogener Bakterien ist bei Patienten mit Parodontitis individuell unterschiedlich [Paster et al., 2001] und die Wirksamkeit von Antibiotika auf einige Bakteriengruppen eingeschränkt.

Deshalb soll zur Auswahl eines geeigneten Antibiotikums die vorliegende parodontale Infektion durch eine mikrobiologische Analyse der subgingivalen Plaque bestimmt werden [Slots und Jorgensen, 2002]. Der Nachweis der bisher bekannten, eng mit der Ätiologie der Parodontitiden assoziierten Bakterien (Actinobacillus actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis, Tanerella forsythensis (bisher: Bacteroides forsythus), Eikenella corrodens, Prevotella intermedia, Prevotella nigrescens und Treponema denticola) ist hierfür in der Regel ausreichend. Der parodontalen Infektion entsprechend, wird das Antibiotikum oder die Antibiotikakombination ausgewählt, für die gute antimikrobielle und klinische Wirkungen beschrieben wurden. Bei den Fällen, in denen das nicht eindeutig möglich ist, müssen weitere klinische Studien zur Klärung beitragen.

Bei ungesicherter klinischer Datenlage soll aber zumindest denjenigen Antibiotika der Vorzug gegeben werden, für die bei systemischer Applikation Wirkstoffkonzentrationen im Gingivalsulkus beschrieben wurden, die höher sind als die in vitro ermittelten minimalen Hemmkonzentrationen (MHK 90) (Tab. 1) [Baker et al., 1985, Andersen KE, 1980, Bernal et al., 1998, Eick et al., 1999, Kleinfelder et al., 1999, Madinier et al., 1999, Pajukanta et al., 1993, Poulet et al., 1999, Takemoto et al., 1997, Walker et al., 1981, Olsvik und Tenover, 1993, Tenenbaum H, 1997, Conway et al., 2000]. Der Nachweis einer Antibiotikaresistenz resp. die Anfertigung eines Antibiogramms ist erst nach einer vorausgegangenen klinisch nicht erfolgreichen Antibiotikatherapie sinnvoll. Die allgemeinen Kontraindikationen für Antibiotika und deren Interaktionen mit anderen Medikamenten sind zu beachten.

Verabreichungsform von Antibiotika

Bei systemischer Verabreichung von Antibiotika werden alle parodontalen Taschen und auch die anderen bakteriellen Nischen der Mundhöhle erreicht. Deshalb ist die systemische Gabe insbesondere bei den generalisierten Formen der oben genannten Parodontitiden in den allgemein empfohlenen Dosierungen angezeigt (Tab. 2). Subinhibitorische Dosierungen sind therapeutischen Dosierungen oberhalb der MHK im Hinblick auf die klinischen Ergebnisse eindeutig unterlegen [Loesche W.J., 1994] und können Resistenzen induzieren [Baquero, 2001; Roberts, 2002].

Inwieweit die Antibiotika-Langzeittherapie mit nicht antibiotisch wirksamen Dosierungen durch Inhibition eu- und prokaryontischer gewebeabbauender Enzyme [Grenier et al., 2002; Golub et al., 1998] zu klinisch relevanten Resultaten führt, ist noch nicht abschließend zu beurteilen. Zur lokalen intraoralen Applikation sollten nur für diesen Zweck ausgewiesene Antibiotika eingesetzt werden. Um eine therapeutische Antibiotikakonzentration am Wirkort über den geforderten Applikationszeitraum zu gewährleisten, muss das Antibiotikum mit einer entsprechenden Trägersubstanz, die eine kontrollierte und stabile Abgabe des Antibiotikums erlaubt, appliziert werden [Goodson, 1989]. Die lokale Applikation ohne Trägersubstanz, die eine kontrollierte Antibiotika-Abgabe sicherstellt, erlaubt keine standardisierte Freisetzung des Antibiotikums und kann die Entwicklung von Resistenzen begünstigen [Slots und Jorgensen, 2002].

Begleitende antiseptische Therapie

Meist ist es sinnvoll, die Antibiotikatherapie durch eine zeitgleich durchgeführte supragingivale antiseptische Therapie zu unterstützen. Das bisher klinisch wirksamste Antiseptikum ist Chlorhexidindigluconat. Bei supragingivaler Irrigation (Munddusche) gelangt die antiseptische Substanz etwa in die marginale Hälfte der parodontalen Tasche [Eakle et al., 1986; Boyd et al., 1992], wohingegen die Wirkung einer Mundspülung ohne Irrigation auf den supragingivalen Bereich eingeschränkt ist [Pitcher et al., 1980].

Dr. med. Dr. med. dent Thomas BeiklerProf. Dr. med. dent. Thomas F. FlemmigPoliklinik für ParodontologieUniversitätsklinikum MünsterWaldeyerstr. 30, 48129 Münster

Prof. Dr. rer. nat. Helge KarchInstitut für HygieneUniversitätsklinikum MünsterRobert-Koch-Str. 41, 48149 Münster

Quelle: dzz 58 (2003) 5

\n

A.a.

\n

T.f.

E.c.

P.g.

P.i.

P.n.

\n

Amoxicilin

+

+

++

\n

Metronidazol

++

+

+

++

\n

Ciprofloxacin

+

+

\n

Doxycyclin

+

+

\n

Tetracylin

+

+

+

\n

Clindamycin

++

\n

Metronidazol & Amoxicilin*

+

++

++

+

++

\n

Metronidazol & Ciprofloxacin*

+

++

+

+

+

++

\n

\n

Wirkstoff

Dosierung (Erwachsene)

\n

Tetracyclin 250 mg

4 x 250 mg/die, 21 Tage

\n

Doxycyclin 100 mg

1 x 200 mg/die, 1 Tag 1 x 100 mg/die, 18 Tage

\n

Metronidazol 400 mg

3 x 400 mg/die, 7 Tage

\n

Metronidazol 400 mg

3 x 400 mg/die, 7 Tage

\n

und

\n

Amoxicillin 500 mg

3 x 500 mg/die, 7 Tage

\n

Metronidazol 500 mg

2 x 500 mg/die, 7 Tage

\n

und

\n

Ciprofloxacin 250 mg

2 x 250 mg/die, 7 Tage

\n

Amoxicillin 500 mg

3 x 500 mg/die, 14 Tage

\n

Ciprofloxacin 250 mg

2 x 250 mg/die, 10 Tage

\n

Clindamycin 300 mg

4 x 300 mg/die, 7 Tage

\n

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.