DDV für den Zahnarzt

Digitale Praxis

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Vor einigen Jahren erst steckten Multimedia-Anwendungen für die Zahnarztpraxis noch tief in den Kinderschuhen. „Schöne neue Zukunftswelt“ texteten die zm im Februar 2000, als die ersten digitalen Muster-Praxen vorgestellt wurden. Was damals für ein staunendes Messepublikum gedacht war, findet langsam aber sicher Einzug in die Praxis. Eine „digitale Praxis“ hat natürlich Vor- und Nachteile: Vieles kann leichter werden für den Zahnarzt und sein Team – aber einiges ist auch komplizierter und unüberschaubarer als zuvor.

Wohl jedem Zahnarzt ist an einer intensiven Betreuung seiner Patienten gelegen – ohne Terminstress und ohne Zeitdruck. Das ist ein hoher Anspruch. Die Realität sieht aber anders aus: Berichte schreiben, Röntgenbilder suchen, Kostenübernahme- Erklärungen der Kassen eintreiben. Die alltägliche Verwaltungsarbeit kostet viel Zeit und hält den Zahnarzt von seiner eigentlichen Aufgabe ab – für die Zahngesundheit seiner Patienten zu sorgen. Ein möglicher Weg aus dieser Situation ist die digitale Praxis.

Die Zahnärzteschaft fordert von der Politik schon lange, den Bürokratie-Aufwand spürbar zurückzufahren. Eine einfache zahnmedizinische Behandlung löst einen gigantischen Verwaltungsakt aus. „Damit muss Schluss sein“, so die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. Und zwar nicht nur, um wieder mehr Kostentransparenz ins Gesundheitssystem zu bekommen, sondern auch, weil unter der Bürokratie das langfristige Arzt-Patienten-Verhältnis leidet. Übervolle Wartezimmer, Hektik im Praxisteam und das Gefühl vieler Patienten, nach langer Wartezeit schnell abgefertigt zu werden, können für Image und Wirtschaftlichkeit der Zahnarztpraxis schwerwiegende Folgen haben: Der Patient sucht sich einen anderen Behandler.

Hinzu kommt das geänderte Bewusstsein vieler Patienten: Eine von der Initiative pro Dente in Auftrag gegebene Emnid-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 81 Prozent der Deutschen dem Aussehen ihrer Zähne hohe Bedeutung beimessen. Kein Wunder, dass ästhetische zahnmedizinische Versorgung stärker nachgefragt wird. Dieser Trend wiederum bedingt, dass der moderne Patient sich selbstständig darüber informiert, was er für die Gesundheit und Ästhetik seiner Zähne tun kann. Er kommt mit konkreten Erwartungen in die Praxis und will sich vom Profi weitergehend und intensiv beraten lassen. Das erfordert vom Zahnarzt nicht nur Sachverstand, sondern auch Zeit und praktische Kommunikationsmittel. Der Zahnarzt, der in der Lage ist, den Wünschen seiner Patienten zu entsprechen, hat einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Markt.

Eine Möglichkeit, die der Zahnarzt hat, um den Wünschen seiner Patienten entgegenzukommen, liegt in der Digitalisierung seiner Praxis. Hierdurch lassen sich Arbeitsabläufe optimieren – zum Nutzen von Arzt und Patient.

„Bei der digitalen Praxis geht es um einen verbesserten Workflow, um Zeitgewinn durch die Integration digitaler Geräte in das Praxisnetzwerk“, so Benno Walter, bei Sirona zuständig für Produktmarketing Bildgebende Systeme. „Es geht um Patientenkommunikation, also etwa intraorale Kameras oder Flachbildschirme, die mit der Praxisverwaltungssoftware verzahnt werden.“

Das Herzstück einer digitalen Zahnarztpraxis ist die Behandlungseinheit mit Bildschirm. Sie kann an einen der vernetzten Computer angeschlossen werden. Außerdem gibt’s im Praxisnetzwerk eine Prophylaxe- Einheit, digitale bildgebende Systeme und CAD/CAM-Systeme, die multimedial miteinander kommunizieren. Zu den Anbietern solcher Bausteine für die digitale Praxis gehören Hersteller wie KaVo, Dürr Dental, Planmeca und Sirona.

Schnelleres Handling

Hinsichtlich Zeit und Patientenkommunikation ist das direkte digitale Röntgen im Vergleich zum analogen Röntgen und zum Röntgen mit Speicherfolien im Vorteil: Das Handling beim digitalen Röntgen ist einfach noch schneller – und es entstehen keine zusätzlichen Materialkosten.

Ob intraorales oder Panorama-Röntgen: In der digitalen Praxis sind Praxisverwaltungsund Röntgensoftware miteinander verknüpft. Das verbessert die Patientenkommunikation und -motivation. So sind zum Beispiel die im Zuge der Eingangsuntersuchung angefertigten Röntgenaufnahmen binnen weniger Sekunden verfügbar. Arzt wie Patient können die Aufnahmen direkt am Flachbildmonitor betrachten, der in die Behandlungseinheit integriert ist. Da das Ergebnis des Röntgens sofort verfügbar ist, hat der Patient vergleichsweise geringe Wartezeiten. Somit ist eine zusätzliche Behandlungssitzung oft nicht mehr nötig.

Die Strahlenbelastung ist für den Patienten bei digitalem Röntgen deutlich geringer – durch die hohe Empfindlichkeit der Röntgensensoren sei es nach Herstellerangaben möglich, sie um bis zu 70 Prozent zu reduzieren. Ein ebenso großer Vorteil ist die sofortige Verfügbarkeit der Röntgenbilder.

Für Dr. Sven-Anneus Ohlung, Zahnarzt in Berlin, spielt es außerdem eine wesentliche Rolle, dass die Röntgenbilder auf dem Monitor angesehen werden können, „an dem anschaulich und bildschirmfüllender dargestellt werden kann als mittels des kleinen herkömmlichen Röntgenbildes“.

Für die Assistentin bedeutet das Arbeiten in der digital vernetzten Praxis veränderte Arbeitsbedingungen. Der Wegfall der Filmentwicklung etwa verschafft ihr weit mehr Zeit für die wirklich wichtigen Arbeiten, zum Beispiel zur Durchführung einer prophylaktischen Behandlung. Digitale Röntgenaufnahmen lassen sich am Bildschirm durch Vergrößerung, Pseudo-Farben oder Relief- Filter anschaulich erklären – der Patient fühlt sich bestens informiert. Ein wichtiger Nebeneffekt ist, dass digitales Röntgen die Strahlenbelastung radikal minimiert. Auch damit kann ein Zahnarzt das Vertrauen seiner Patienten gewinnen.

Visuelle Unterstützung

Die visuelle Unterstützung durch den Flachbildschirm – mit Aufklärungsprogrammen oder mit der intraoralen Kamera – bietet viele Möglichkeiten, den Patienten umfassend zu informieren. Das macht ihm bewusst, was während der Behandlung geschieht und stärkt das Vertrauen zum Zahnarzt. Der Patient kann so über die akute Behandlung hinaus beispielsweise für das Thema Prophylaxe sensibilisiert werden. Und das kann den Weg für eine lange Patientenbindung ebnen.

In der digitalen Praxis können alle abrechnungsrelevanten Daten schon während der Behandlung von der Helferin erfasst und zur Abrechnung aufbereitet werden. Das vereinfacht den bürokratischen Aufwand und spart Zeit. Die Helferin hat dadurch zeitliche Ressourcen frei, die sie im Sinne der Praxis und des Patienten nutzen kann. Was den digitalen Datentransfer angeht, muss seine Funktionsfähigkeit in der praktischen Anwendung hinterfragt werden. Immerhin handelt es sich um Multimedia- Technik. Und hier stellt sich die Frage, welche Produkte, Module und Bausteine zusammenpassen, welche Hard- und Software Software problemlos miteinander kommunizieren und wie sich der Datenaustausch der Einzelsysteme harmonisieren lässt.

Eine digitale Praxis kann ihre Vorteile nur dann ausspielen, wenn alle Bausteine miteinander perfekt harmonisieren. Dentalhandel und Praxissoftwareanbieter haben viele Jahren darüber gestritten, wie eine offene EDV-Schnittstelle auszusehen hat, die den Ansprüchen aller gerecht wird. Der digitalen Praxis als Kernelement eines erfolgreichen Praxiskonzepts gehört nach Expertenmeinung die Zukunft – es sei weniger die Frage ob, sondern eher wann ihr der große Durchbruch gelingt.

Dabei darf eines nicht vergessen werden: Wer seine Praxis digital aufrüsten will, muss investieren (siehe auch zm 3/2003). Die Technik ist fortgeschritten, und das schlägt sich in den Preisen nieder. Die „papierlose Praxis“ ist mittlerweile denkbar und realisierbar geworden. „Wir sind uns nicht sicher, ob das für jeden ein erstrebenswertes Ziel ist, aber es ist wahrscheinlich der Weg der Zukunft“, meint Dr. Thomas Maier, Vorstandsmitglied im Hamburger Zahnärzteverein und Autor von „Zahn im Netz“. „Es gibt einige handfeste Vorteile, die nicht zu verachten sind“, so Maier weiter.

• Dokumente aller Art sind innerhalb weniger Sekunden auf dem Bildschirm am Behandlungsplatz verfügbar.

• Das Risiko, Daten und Informationen nicht mehr wiederzufinden oder gar zu verlieren, wird deutlich geringer.

• Der Stauraum für die Aufbewahrung von Dokumenten wird erheblich verringert.

• Eine elektronische Speicherung bietet multiple und redundante Datenarchive.

Außerdem, so Maier, koste Hardware den Zahnarzt weniger als „Humanware“. Damit meint er, dass eine gute Praxis-EDV auf lange Sicht auch zu einer Optimierung des Personalbedarfs beitragen kann.

Klar sei allerdings auch, dass eine papierlose Zahnarztpraxis Nachteile mit sich bringen kann – „teils persönlicher, teils materieller Natur“, wie Maier ausführt.

• Der Zahnarzt muss das System in seiner Praxis selbst beherrschen, um Probleme bei einem personellen Wechsel unter seinen Mitarbeiterinnen zu vermeiden.

• Die Datensicherung muss stabil und sicher sein und fehlerfrei funktionieren.

• Hard- und Software müssen Mindestanforderungen genügen und zukunftsfähig sein – sowohl, was den Datenaustausch betrifft als auch in Bezug auf das Speichervolumen und die Möglichkeiten, komplexe grafische Anwendungen zu benutzen.

Eine Bestandsaufnahme dessen, was heute in der Zahnarztpraxis möglich ist – und zu großen Teilen auch umgesetzt wird – zeigt, welche Bedeutung die EDV mittlerweile in der Praxis einnimmt.

Ihre Einsatzgebiete reichen von der Terminverwaltung über die Leistungserfassung bis zur Abrechnung. Der Rechner wird für die Antrags- und Dokumentenerstellung benutzt, für das Buchungs- und Mahnwesen, für Statistiken und die Archivierung. Die konventionelle Karteikarte wird durch die elektronische Karteikarte ersetzt, mit der sich alle Patientendaten und Befunde auf dem Monitor präsentieren lassen. Radiovisiographie oder Intraorale Kamera werden mit der zahnärztlichen Software verknüpft, Befunde werden per Scanner eingegeben.

Viele Praxen fahren dabei allerdings „zweigleisig“ – sie nutzen neben der EDV auch weiterhin die konventionelle Kartei, insbesondere zur Befundablage. Manche Praxen haben den Schritt zur karteilosen Dokumentation aber bereits gemacht. Eine elektronische Karteikarte ist dann die zentrale Informationsquelle in der Patientendatei. Ein Mausklick genügt, um Anamnese- und Befundschemata zu erreichen, Multimediakomponenten wie Radiovisiographie, digitale Kamera, Statistiken oder Archive. Neben einer übersichtlichen Gestaltung sind Geschwindigkeit und Verknüpfungen mit anderer Software wesentlich, um ein komfortables und schnelles Arbeiten zu ermöglichen.

Ein Kernbereich ist dabei die elektronische Leistungserfassung: Patientendaten, Leistungen, Befunde und Bemerkungen werden in die elektronische Karteikarte eingegeben, um sie beispielsweise für ZEAnträge oder Abrechnungen zu verwenden. Gerade letztere werden durch EDV-Unterstützung erleichtert – eine Quartalsabrechnung ist mit einem Mausklick möglich. Und auch die Rechnungslegung für Mehrkosten oder Privatanteile lässt sich auf diese Weise erledigen.

Die Praxis-EDV hilft dabei, Dokumente und Formulare standardisiert und schnell zu erstellen – Rezepte, AUs oder ZE-Anträge. Alle eingegebenen Daten können statistisch ausgewertet werden und geben so aktuell und differenziert Auskunft über den Leistungsstand – und die ökonomische Situation der Praxis. Auch lassen sich Informationen über die Situation im Recallbereich oder in der Depotverwaltung abrufen.

Nie mehr suchen

Ein schneller und umfassender Zugriff auf Patientendaten wird in der Praxis dann möglich, wenn Daten und Befundunterlagen elektronisch archiviert sind – ein langes, häufig mühsames Suchen entfällt. Genau wie konventionelle Fotos und Röntgenbilder können auch andere Befundunterlagen (Modelle, Texte) per Scanner eingelesen und dem jeweiligen Patienten zugeordnet werden.

Eine EDV-gestützte Terminverwaltung hilft dabei, die zeitlichen Abläufe einer Praxis zu steuern. Das gilt sowohl für die interne Planung – zum Beispiel bei Behandlungsabläufen – als auch für die externe Vergabe von Terminen an Patienten. Mit einer zusätzlichen Software ist es sogar möglich, dem Patienten automatisch eine Kurzmitteilung (SMS) auf sein Handy zu schicken, die ihn mit einer entsprechenden Vorlaufzeit an einen anstehenden Termin erinnert.

Zu den wichtigsten Aufgaben von Zahnarzt und Team zählt die Aufklärung des Patienten. Die Gespräche lassen sich durch den Einsatz von geeignetem Bildmaterial unterstützen und vertiefen. Dem Patienten werden am Computerbildschirm Behandlungsschritte gezeigt oder alternative Behand-lungsmöglichkeiten verständlich erklärt. Auch die Registrierung von Materialbestellungen oder eingegangenen Lieferungen wird durch den Einsatz geeigneter Software erleichtert. In der Magazin- und Materialverwaltung werden alle Ein- und Ausgänge, Bestellungen und Anlieferungen mit Datum und Preisen zusammengefasst – der Verbrauch lässt sich so nachhalten und auswerten.

Frust und Ärger inklusive

Eine gute Praxis-EDV ist in nahezu allen Bereichen einsetzbar; und die Liste ließe sich noch fortsetzen: elektronische Checklisten für Arbeitsabläufe, Korrespondenz und Textverarbeitung, Memos und E-Mail für den Zahnarzt und das Team.

Was aber so unkompliziert, komfortabel und arbeitserleichternd klingt, kann in der Praxis mitunter auch für Frust und Ärger sorgen. Nämlich dann, wenn die Software nicht einlöst, was sie verspricht, die Praxis-EDV den Anforderungen nicht standhält und das teuer angeschaffte System mehr Fehler verursacht als verhindert. „Bevor Sie sich für ein Programm entscheiden, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, welche Ansprüche Sie an die Software stellen“, lautet der Rat eines Wiesbadener Zahnarztes im Diskussionsforum von zm-online. Hier treffen sich seit mehr als fünf Jahren Zahnärzte aus ganz Deutschland, um im Internet Erfahrungen auszutauschen, die sie mit ihrer Praxis-EDV gemacht haben, und sich Tipps zu holen, was sie bei einer Neuanschaffung beachten sollten.

Der Frust ist bei einigen Praxisinhabern aus jedem Wort heraus zu lesen: „Die viel gerühmte Hotline stand oft genug auf dem Schlauch, wenn ich sie wirklich mal gebraucht hätte.“ – „Die Tatsache, dass ein Programm gewartet und den gesetzlichen Anforderungen angepasst wird, stellt ja wohl keine besondere Leistung dar.“ – „Ich schieße meine Software auf den Mond!“

Die Kritik kreist oft um hohe Servicegebühren der Softwareanbieter, um lange Kündigungsfristen bei Wartungsverträgen, um fehlende Aktualisierungen der Programme. Auch mangelnde Kompatibilität, umständliche Bedienung und schlechter telefonischer Support der Softwarefirmen werden bemängelt.

Der Praxis-Software-Markt ist für den einzelnen Zahnarzt kaum zu überschauen. Immer mehr Anbieter, ständig neue Versionen, Programme werden von anderen Anbietern übernommen, modifiziert oder eingestellt. Wer sich unabhängig und selbständig einen Überblick verschaffen will, kann aber zum Beispiel auf die Datenbank „EDV transparent“ zugreifen, die von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung erarbeitet und ins Internet gestellt wurde (siehe Kasten).

Die Digitalisierung der Zahnarztpraxis ist keine Zukunftsvision mehr. Und auch, wenn der Einzug der EDV nicht immer problemlos vonstatten geht: Er kann ein großer Gewinn sein, für den Zahnarzt, sein Team und den Patienten.

Alexander VoglerBrückenstr. 4569120 Heidelberg

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