Akupunktur in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Teil 1)

Historische und wissenschaftliche Grundlagen

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Heftarchiv Zahnmedizin
Die Akupunktur hat sich als wirkungsvolles ganzheitliches Therapieverfahren bereits in vielen Arzt und Zahnarztpraxen etabliert. In einer mehrteiligen Artikelreihe sollen dem interessierten Leser neben der Vermittlung der Grundlagen der Akupunktur auch spezielle Hinweise für die praktische Umsetzbarkeit und Anwendung dieses Therapieverfahrens in der Zahnarztpraxis gegeben werden. Der vorliegende erste Teil dieser Serie beschäftigt sich mit den historischen Entwicklungen der Akupunktur und soll insbesondere wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zur Wirksamkeit und zur Kybernetik der Akupunktur zusammenfassen.

Die Akupunktur als ganzheitliches Verfahren

Die Akupunktur zählt zu den ganzheitlich naturheilkundlichen Diagnose- und Therapieverfahren und wird im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in den meisten Fällen rein adjuvant zu den herkömmlichen Behandlungsverfahren eingesetzt.

In der Geschichte der medizinischen Entwicklung einzelner Kulturkreise haben sich zum Teil über Jahrtausende hinweg sehr viele unterschiedliche und mitunter komplexe Systeme dieser holistischen Heilverfahren entwickelt. Dabei ist zu beachten, dass viele dieser ganzheitlichen Verfahren im Gegensatz zur Akupunktur entweder rein diagnostisch oder nur therapeutisch eingesetzt werden können. Innerhalb Europas konnten sich neben der Akupunktur besonders die Klassische Homöopathie Hahnemanns und die Klassischen Naturheilverfahren (Phytotherapie, Kneipp’sche Verfahren, Ausleittherapien) etablieren. Für die Anerkennung der beiden letztgenannten Heilmethoden spricht die Tatsache, dass die Berufsordnung der Allgemeinmediziner bereits seit Jahren eine geregelte Ausbildung und offizielle Zusatzbezeichnungen für diese Verfahren vorsieht.

Die Akupunktur gehört zu den ganzheitlichen Diagnose- und Therapieverfahren, welche wohl am umfangreichsten unter wissenschaftlichen Aspekten auf ihre Wirkmechanismen hin untersucht wurden. Auch wenn sich dieses Heilverfahren zunächst rein empirisch unter einer vor Jahrtausenden üblichen taoistisch-philosophischen Weltanschauung entwickelt hat, so konnte mittlerweile in unzähligen Tierversuchen und klinischen Studien der physiologische und biochemische Wirkmechanismus hinreichend nachgewiesen werden.

Während sich die meisten unserer Hochschulen besonders im Bereich der Zahnheilkunde noch gegen die Anerkennung der Akupunktur als adjuvantes Diagnose- und Therapieverfahren stellen, ist die Akupunktur bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die verschiedensten Indikationen seit langem offiziell anerkannt. Allein die gute Wirksamkeit bei zwei der wichtigsten dieser Indikationen, den schmerzhaft entzündlichen Erkrankungen und den Funktionsstörungen, sprechen geradezu für den Einsatz in der Zahnarztpraxis. Die wichtigsten Indikationen aus dem Fachbereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sind der nachfolgenden Zusammenstellung zu entnehmen.

Zahnärztliche Indikationen

Schmerztherapie

• Schmerzreduktion vor, während und nach zahnärztlichen und chirurgischen Behandlungen und bei Verletzungen

• Therapie von Algien, Neuralgien und Neuritiden im Zahn-, Mund- und Kieferbereich

Therapie bei Entzündungen und Funktionsstörungen

• Adjuvante Behandlung aller entzündlichen Erkrankungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich

• Abwehrstärkung

• Begleittherapie von Funktionsstörungen des stomatognathen Systems (Myoarthropathie, Bruxismus, Kieferklemme)

• Begleittherapie von Funktionsausfällen der Nerven im Zahn-, Mund- und Kieferbereich

Psychosomatische Störungen

• Relaxation im Rahmen zahnärztlicher Eingriffe

• Akupunkturtherapie bei Aversion gegen Zahnersatz und zahnärztlichen Behandlungen (Angst, Würgereiz, vasovagale Synkope)

• Unterstützende Behandlung der psychogenen Causa diverser Krankheitsbilder (Myoarthropathie, Parodontopathie, Salivationsstörungen, Glossodynie, Globus hystericus)

Störherddiagnostik und Störherdtherapie

• Diagnostik und Therapie von Schadstoffund Materialbelastungen, Materialtestungen

• Diagnostik und Therapie von Zahnstörherden

Energetische Stabilisierung

• Terrainverbesserung bei chronischen und rezidivierenden Erkrankungen

• Energetische Stabilisierung vor, während und nach umfangreicher zahnärztlicher Therapie

Kontraindikationen der Akupunktur

Die Kontraindikationen für eine Akupunkturtherapie sind dagegen äußerst gering und beziehen sich vorwiegend auf Bereiche außerhalb des Fachgebietes der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde [1]:

• Schmerzen mit Operationsindikationen

• Erbkrankheiten

• Endogene Depression, Schizophrenie

• Kontagiöse, venerische Krankheiten

• Degenerative, demyelinisierende Erkrankungen

• Hormonaktive Punkte bei Schwangeren

• Gerinnungsstörungen (nicht bei der Ohrakupunktur)

• Hautveränderungen im Bereich der Einstichstelle der Akupunkturnadel

Neben der nachweislich guten Wirkung der Akupunktur ist ein weiterer besonderer Vorteile dieses Diagnose- und Therapieverfahrens, dass es auch mit geringsten Kosten (zirka 2,50 Euro für Einmalnadeln pro Akupunkturbehandlung) durchführbar ist. Neben seltenen Fällen von vasovagalen Synkopen, gelegentlichen leichten Blutungen aus dem Stichkanal nach Entfernung der Nadeln gibt es keinerlei Nebenwirkungen. Die Häufigkeit von Infektionen im Bereich der Nadeleinstichstelle ist vergleichbar mit der jeder anderen Injektionstechnik in der Medizin. Darüber hinaus ist das Basiswissen für eine effiziente Akupunkturtherapie sehr rasch erlernbar (bereits nach einem Wochenendkurs kann die Akupunktur in der Zahnarztpraxis bei einfachen Indikationen angewandt werden) und die Methode lässt sich jederzeit sehr gut in den täglichen Praxisalltag integrieren.

Selbstversuch zur Akupunkturwirkung

Jeder Skeptiker kann sich von der ausgezeichneten Wirkung der Akupunktur durch einen einfachen Selbstversuch überzeugen. Zur Unterdrückung des Würgereizes kennt die Klassische Chinesische Akupunktur den Punkt KG 24 (Abb.1). Dieser liegt exakt median in der Furche unterhalb der Unterlippe.

Ein Mund-Rachen-Spatel aus Holz wird bei leicht geöffnetem Mund langsam rachenwärts geführt bis ein Würgereiz provoziert wird. Die Strecke des im Mund befindlichen Endes des Spatels wird markiert. Dazu kann der Proband beim Auslösen des Würgereizes zum Beispiel fest mit den Zähnen auf den Spatel beißen. Anschließend wird nach Hautdesinfektion im Bereich des Punktes KG 24 eine handelsübliche Akupunkturnadel (eventuell eignet sich eine dünne Injektionskanüle) leicht tangential von kaudal her zirka zwei bis drei Millimeter subkutan eingestochen. Eine neuerlicher Test nach fünf bis zehn Minuten im Anschluss an die Nadelung wird zweifelsfrei zeigen, dass der Mund-Rachen-Spatel bis zur Provokation des Würgereizes nun deutlich weiter rachenwärts geschoben werden kann, als vor der Akupunktur.

Geschichtliche Entwicklung

Die Akupunktur ist eine Reflextherapie und gilt als eine der ältesten und weitverbreitetsten Heilmethoden der gesamten Menschheit. Die Chinesen entdeckten bereits vor einigen tausend Jahren, dass sich über die Manipulation von definierten Arealen der Körperoberfläche Störungen im Körperinneren lindern oder beseitigen lassen. Neben der gerichteten Massage dieser Punkte (Akupressur) verstanden es die chinesischen Heilkundigen, den Reiz durch das Einstechen von Nadeln in diese Bereiche zu verstärken (Akupunktur).

Da es in der damaligen Zeit keine Möglichkeiten der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit der Wirkung gab, entwickelte sich die Klassische Chinesische Akupunktur (Körperakupunktur) rein empirisch auf der Basis einer taoistischen Weltanschauung als eine der möglichen Therapieformen innerhalb der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) [1-6]. Die TCM sieht den menschlichen Organismus immer als Ganzes im Wechselspiel mit dem Kosmos, der Umwelt (Natur und soziales Umfeld) und unter der Einwirkung der polaren sich gegenseitig bedingenden Urkräfte Yin und Yang (Abb. 2). Yin (= beschattete Seite des Berges) und Yang (= sonnenbeschienene Seite des Berges) verkörpern als übergeordnete Begriffe letztendlich den überall in der Natur anzutreffenden Dualismus (zum Beispiel: kalt – warm, dunkel – hell, Nacht – Tag, unten – oben, Erde – Himmel, Wasser – Feuer). Abbildung 3 zeigt das allgemein bekannte „Yin-Yang-Zeichen“ (Monade, Taiqi-Zeichen), bei dem die schwarze Fläche für das Yin steht und die weiße Fläche dem Yang entspricht. Die kleinen Kreise der Gegenfarbe sollen das gegenseitige „Durchdringen“ und sich „Bedingen“ der beiden Kräfte symbolisieren und verdeutlichen, dass Yin und Yang niemals isoliert betrachtet werden können.

Auch wenn diese taoistische Sichtweise für uns Westeuropäer zunächst einmal sehr ungewöhnlich und fremd anmuten mag, ist sie mit unseren Anschauungen durchaus vereinbar. Unser Leben gestaltet sich nach den Gegebenheiten der Jahresund Tageszeiten. Diese werden durch astronomische Gesetzmäßigkeiten (Kosmos) geregelt und vom Organismus über körpereigene Botenstoffe (zum Beispiel über das den Schlaf-Wachrythmus regulierende Melatonin) geregelt. Niemand wird bestreiten, dass wir in unserer Lebensweise von den Naturgewalten abhängig sind (Hitze, Kälte, Nässe, Trockenheit) und dass das soziale Umfeld über den psychischen Aspekt einen Einfluss auf uns und unseren Gesundheitszustand hat.

Die globalisierende Sicht- und Denkweise der Traditionellen Chinesischen Medizin lässt sich auch am Bild der chinesischen Reisbauern veranschaulichen (Abb. 4). Aus der Mutter Erde (Yin) wird der Reis als Nahrung (Yin) geerntet. Ohne Nahrung (Yin) wäre eine Gewinnung von Energie (Yang) und die Bildung und der Erhalt körperlicher Strukturen (Yin) und somit das Leben undenkbar. Wachsen kann die Nahrung aber nur durch den Einfluss der Sonnenenergie (Yang) die oben (Yang) am Himmel (Yang) steht. Die Reisbauern stehen mit den Füßen (unten, Yin) im kalten Wasser (Yin) und müssen den Kopfbereich (oben, Yang) durch einen Sonnenhut gegen die heiße Sonne (Yang) schützen. Durch die gebückte Haltung wird der Rücken (Yang) der Sonne (Yang) zugewandt, während die Brustseite (Yin) im Schatten (Yin) ist. Allein aus dieser bildlichen Darstellung lassen sich bereits wichtige Erkenntnisse über die Grundsätze und Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin ableiten.

Das Leben ist eng verknüpft mit dem Vorhandensein von Energien (Qi). Die chinesische Medizin unterscheidet dabei unter anderem zwischen der (durch die Vorfahren) vererbten Energie (Vorhimmelsenergie) und der durch Nahrungsaufnahme und Atmung gewonnenen erworbenen Energie (erworbene Konstitution). Nach Anschauung der TCM wird das Qi in gedachten Leitbahnen, den Meridianen, bewegt und über den gesamten Körper gleichmäßig nach definierten Regeln verteilt. Dabei verbinden die Meridiane zusammengehörige Akupunkturpunkte untereinander. Über deren Manipulation ist eine Beeinflussung des zugehörigen Meridiansystems und damit des ganzen Organismus möglich. Es sind verschiedene, einander ergänzende Meridiansysteme bekannt, die den gesamten Körper überziehen. Ein energetisches Gleichgewicht innerhalb der Meridiane unter Berücksichtigung eines harmonischen Zusammenwirkens des Yin- und Yangaspektes und unter tageszeitlich und topographisch exakt definierten Regeln (so genannter großer Energieumlauf) verkörpert den idealen Gesundheitszustand. Krankheit entsteht demnach durch eine energetische Dysbalance. Dabei wird unterschieden zwischen einem Überschuss an Energie (Füllezustand), einem Energiemangel (Schwäche oder Leere) oder einer Behinderung des Energieflusses (Enge oder Blockade).

Das wichtige System der Hauptmeridiane (Abb. 5) hat dabei Beziehungen zu den unterschiedlichen Organen des Menschen und jeder einzelne Meridian wird nach seinem zugehörigen Organ benannt. Um jeden einzelnen Meridian wird ein ganzes System unterschiedlicher Bezüge und Eigenschaften (=Orbisikonogramm) gruppiert (Gewebeentsprechungen, Sinnesorgane, Geschmacksrichtungen, Gemütszustände, Farben, Jahreszeiten, Himmelsrichtungen und mehr). Aus diesen so genannten Funktionskreisen lassen sich dann neben Zusammenhängen der Kausalität und der Pathogenese einzelner Erkrankungen auch therapeutische Maßnahmen ableiten.

So werden zum Beispiel dem Nierenfunktionskreis folgende Entsprechungen zugeordnet:

Funktionskreis Niere

Wandlungsphase Wasser

Klima Kälte

Jahreszeit Winter

Tageszeit   Vor Mitternacht

Himmelsrichtung    Norden

Sinnesorgan   Ohren (Innenohr)

Äußere Entfaltung Haupthaar

Körpergewebe   Knochen und Zähne

Geschmack    salzig

Stimmlicher Ausdruck stöhnen

Farbe   schwarz

Charakter   Psychopath

Darüber hinaus ist der Funktionskreis Niere der Sitz der angeborenen (vererbten) Konstitution. Aus den genannten Zusammenhängen lässt sich unter anderem unschwer erkennen, dass Probleme mit den Zähnen (Karies) und dem Knochen (Parodontopathien) auf dem Boden einer angeborenen konstitutionellen energetischen Schwäche entstehen können. Nach TCM-Gesichtspunkten besteht auf der anderen Seite ein wesentliches Element der Prophylaxe und Therapie in einer möglichst frühzeitigen Stärkung des Funktionskreises der Niere, um der Entstehung von Zahnschäden vorzubeugen oder das Fortschreiten von Erkrankungen zu verzögern. Aus derartigen Zusammenhängen heraus lassen sich auch prophylaktische Maßnahmen der Akupunktur für andere Bereiche der Zahn-, Mundund Kieferheilkunde ableiten. So ist es zum Beispiel wichtig, bei Parodontopathien neben dem Funktionskreis der Niere auch die Funktionskreise der so genannten „Mitte“ (Milz-Pankreas, Magen, Leber, Dünndarm, Dickdarm) zu stärken, die einen engen Bezug zu den Weichgeweben des Parodontiums haben. Über die Lunge erfolgt zusätzlich eine allgemeine Stabilisierung der Abwehr. Alle aufgeführten Funktionskreise können sich auch als sinnvoll erweisen zur Stabilisierung von Patienten nach Implantationen.

Wissenschaftliche Grundlagen

Der taoistisch-philosophische Hintergrund der Akupunktur mag mit ein Grund sein, warum sich viele Schulmediziner nicht mit den Lehren der Akupunktur beschäftigen. Dabei gibt es wohl kein ganzheitliches Heilverfahren, welches wissenschaftlich umfassender untersucht wäre als die Akupunktur. In der Folge sollen die wichtigsten neuroanatomischen, neurophysiologischen, neurologischen und kybernetischen Erkenntnisse zusammengefasst werden. Ausführlich, zum Teil als Originalarbeit, können diese Grundlagen im Buch „Einführung in die wissenschaftliche Akupunktur“ von Dr. F. R. Bahr nachgelesen werden [1].

Histologische Eigenheiten des Akupunkturpunktes

Im Bereich eines Akupunkturpunktes lassen sich histologisch verschiedene Besonderheiten festhalten. So konnte Professor Kellner vom Institut für Histologie der Universität in Wien eine höhere Rezeptorendichte im Bereich der Akupunkturpunkte feststellen. Professor Heine von der Universität in Herdecke und Professor Senelar von der Universität Montpellier fanden am Akupunkturpunkt ein spezifisches morphologisches Substrat in Form eines Gefäß-Nervenbündels, welches die oberflächliche Körperfaszie perforiert.

Elektrophysiologische Eigenschaften des Akupunkturpunktes

In unabhängigen Untersuchungen von Akupunkturpunkten mit Wechsel- und Gleichstrom konnten verschiedene Autoren folgende elektrophysiologischen Eigenschaften feststellen (Niboyet, W. Schmidt und Puchner, Maresch, Kracmar und Dumitrescu, Thalmann):

• Akupunkturpunkte zeigen einen veränderten Hautwiderstand gegenüber der umgebenden indifferenten Haut

• Akupunkturpunkte weisen eine höhere Kapazität gegenüber der umgebenden Haut auf

• An Akupunkturpunkten lässt sich eine Potentialdifferenz von bis zu 60 mV zur umgebenden Haut nachweisen

Diese besonderen elektrophysiologischen Eigenschaften werden in den unterschiedlichen diagnostischen Verfahren der Akupunktur zur Punktelokalisation verwendet.

Veränderte Hauttemperatur im Bereich des Akupunkturpunktes

Thalmann konnte in Untersuchungen an gesunden Versuchspersonen eine Temperaturdifferenz zwischen Akupunkturpunkt und umgebender Haut feststellen.

Neurophysiologische Forschungen

Die Professoren Chang und Shen-Eh vom Institut für Physiologie der Academica Sinica in Shanghai haben in Tierversuchen viszero-somatische Reflex-Antworten durch Einzelreizstimulation des Nervus splanchnicus untersucht und eindeutig festgestellt, dass

• diese Reflex-Antworten durch Elektroakupunktur an den unteren Extremitäten gehemmt werden können

• eine Durchtrennung des Rückenmarks auf zervikaler oder oberer thorakaler Ebene zu einer Vermehrung der Reflex-Antworten bei deutlicher Verminderung des inhibitorischen Effektes durch die Elektroakupunktur führt

• bei Durchtrennung der ventrolateralen Funiculi auf Höhe der thorakalen Ebene die Hemmwirkung der Elektroakupunktur aufgehoben wird

• die Dezerebration auf interkollikularer Ebene weder zu einer Verminderung der Reflex-Antworten noch zu einer Verminderung des Hemmeffektes der Elektroakupunktur führt, dass aber der inhibitorische Effekt nach Abstellen der Elektroakupunktur aufgehoben wird

• die Durchtrennung der unteren Medulla zur Aufhebung des Hemmeffektes der Elektroakupunktur führt

• Läsionen des mittleren Anteils der Medulla einschließlich des Nucleus magnus der Raphe den Hemmeffekt der Elektroakupunktur schwächen, während Läsionen des mittleren Anteils der Pons und des Mesencephalon keinen Einfluss darauf haben. Es wird daraus gefolgert, dass der Nucleus magnus der Raphe über absteigende inhibitorische Effekte der supraspinalen Strukturen Hemmeffekte auf die viszero-somatischen Reflex-Antworten ausübt und damit maßgeblich am Wirkmechanismus der Akupunktur beteiligt ist.

Diese Versuche stellen eine gewisse Bestätigung der „Gate-Control-Theorie“ von Melzack und Wall dar. Nach dieser Theorie existiert in der Substantia gelatinosa des Rückenmarks ein Eintrittskontrollsystem, bei dem die Impulsübertragung der langsam leitenden marklosen C-Nervenfasern präsynaptisch durch Zwischenneurone der schnellleitenden markhaltigen A-Delta-1-beziehungsweise A-Delta-2-Fasern gehemmt wird. Dieses spinale Eintrittskontrollsystem kann durch ein zentrales Kontrollsystem umgangen werden. Beide Regelsysteme beeinflussen sich gegenseitig und sind dafür verantwortlich, ob ein Reiz als Schmerz empfunden wird oder nicht. Auch Zimmermann (Heidelberg) konnte im Tierversuch ähnliche Ergebnisse wie die chinesischen Kollegen nachweisen.

Professor Chang konnte darüber hinaus mit Hilfe von Mikroableitungen in Versuchen an Ratten belegen, dass die durch Schmerzreiz im Nucleus parafaszicularis des Thalamus entstandenen Aktionspotentiale nach akupunkturähnlicher Elektrostimulation verminderbar waren. Nogier gelang es, dieses Phänomen für den Bereich der Ohrakupunktur ebenfalls zu verdeutlichen und Pauser und andere europäische Kollegen konnten an Tieren ähnliche Effekte erzielen. An der Wiener Neurochirurgischen Klinik konnte der im Tierversuch beobachtete Einfluss der Akupunktur auf den Thalamus über zwei Stereothalamotomien auch am Menschen nachgewiesen werden.

Neurochemische Forschungen

Bereits Pischinger vermutete neben der nervalen auch eine humorale Wirkkomponente der Akupunktur.

Dr. Han Chi-Sheng von der medizinischen Hochschule in Peking konnte an Kaninchen nachweisen, dass durch Akupunktur nicht nur eine Schmerzschwellenanhebung am Versuchstier zu beobachten ist, sondern dass nach Übertragung des Liquors vom akupunktierten Kaninchen auf ein nicht akupunktiertes Versuchstier bei diesem ebenfalls signifikant (p<0,01) eine Schmerzschwellenanhebung nachzuweisen ist.

In weiteren Versuchen am Menschen konnte Prof. Chang eindeutig feststellen, dass diese humorale Substanz nicht am Ort der Akupunktur-Stimulation entsteht, indem er den Blutabfluss aus dem akupunktierten Gebiet mit einer Blutdruckmanschette komplett unterbrach und es bei den Versuchspersonen dennoch zu einer deutlichen Anhebung der Schmerzschwelle kam. Shen-Eh verglich die Wirkung der Akupunktur mit der von Morphiumgaben und fand heraus, dass nach Durchtrennung einzelner Trakte des Rückenmarks in der lateralen weisen Substanz sowohl die Morphium-als auch die Akupunkturwirkung unterbunden werden konnte.

Pomeranz konnte in Tierversuchen durch Vergleich der Akupunkturwirkung vor und nach Hypophysenentfernung nachweisen, dass durch Akupunktur körpereigene Endorphine in der Hypophyse freigesetzt werden, welche in der Lage sind, die Übertragung nervaler Schmerzsignale zu den Gehirnzellen zu blockieren. Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit dieses Postulates war, dass die Akupunkturwirkung durch einen Morphiumantagonisten (Naloxon) antagonisierbar war.

Mayer konnte in seinen Versuchsreihen mit hypnotisierten und nicht hypnotisierten Versuchspersonen eindeutig belegen, dass Naloxon die Akupunkturwirkung aufhebt und ein hypnoseähnlicher Effekt durch die Akupunktur auszuschließen ist.

V. Clement-Jones hat den Liquor von Schmerzpatienten vor und nach einer Akupunktur radioimmunologischen untersucht und nach der Akupunktur einen deutlichen Anstieg des Beta-Endorphinspiegels festgestellt bei gleichzeitig subjektiver Schmerzlinderung aller Schmerzpatienten.

EEG-Forschungen

Unterschiedliche EEG-Bilder nach Akupunktur und Hypnose konnte Prof. Saletu mit der computerisierten Intervallanalyse nachweisen. Während das Akupunktur-EEG eine Zunahme von Alpha- und Betaaktivitäten aufweist, zeigt das Hypnose-EEG eine Abnahme beider Aktivitäten.

Hardy GausZahnarztKirchstraße 1572479 StrassbergE-Mail:hardy.gaus@akupunktur-arzt.de

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