Obstipation

Bedeutung der Ernährung wird überschätzt

In Deutschland fehlen epidemiologische Untersuchungen, doch aus den USA ist bekannt, dass rund ein Viertel der Bevölkerung regelmäßig unter Beschwerden durch eine Obstipation leidet. Die Ursachen sind vielfältig und werden nicht selten falsch eingeschätzt.

Hier zu Lande wird nach Prof. Dr. Paul Enck, Tübingen, von vergleichbaren Zahlen ausgegangen und die Verstopfung gilt nach seinen Worten längst als eine Art Zivilisationskrankheit. Allerdings gibt es keine Hinweise dafür, dass die Prävalenz der Störung ansteigt. „Zwar war die Obstipation früher sicher seltener, Kriterien dafür, dass es sich um ein zunehmendes Krankheitsbild handelt, gibt es aber nicht“, erklärte der Mediziner bei einem Falk-Satellitensymposium während der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten in Bonn. Er räumte dort mit Vorurteilen zum Thema Obstipation auf: So ist die Störung keineswegs auf die Industrienationen begrenzt. Zwar ist sie in Afrika seltener als in Europa, keine Unterschiede aber werden zwischen Lateinamerika und Nordamerika gesehen. Falsch ist auch die These, das Problem sei in ländlichen Regionen weniger häufig als in städtischen Gebieten, wohl aber gibt es sozioökonomische Unterschiede, wobei Menschen in sozial höher stehender Schicht seltener über eine Obstipation klagen.

Oft mehr Glaube als Wissen

Noch deutlich überschätzt wird nach Privatdozent Dr. Michael Karaus, Göttingen, die Bedeutung der Lebensweise für die Obstipation. Diese nämlich wird oft als Folge einer ungesunden Lebensweise angesehen. „Viele der dabei aufgeführten Zusammenhänge aber basieren auf ungesicherten Überlieferungen“, gab der Mediziner zu bedenken. Das betrifft beispielsweise den Rat, die Verdauungsstörung morgens durch ein Glas Wasser auf nüchternen Magen zu bekämpfen. Dazu Karaus: „Es gibt keinerlei Belege dafür, dass Wasser den Entleerungsreiz auslösen kann.“

Zwar ist es nach seinen Worten richtig, für eine ballaststoffreiche Ernährung zu plädieren, die Rolle der Ballaststoffe bei der Obstipation wird nach Karaus aber allgemein überschätzt. Gut belegt ist nach seinen Worten, dass durch einen vermehrten Ballaststoff-Anteil in der Nahrung das Stuhlgewicht erhöht und die Darm-Transitzeit verkürzt werden kann. Daraus wird oft rückgeschlossen, dass Obstipierte zu wenig Ballaststoffe verzehren, was sich aber in Studien nicht bestätigen ließ. Sie zeigen jedoch, dass Obstipierte auf einen gesteigerten Ballaststoffverzehr schlechter mit ihrer Darmtätigkeit reagieren als Darmgesunde.

Generell sollte man nach Karaus bei der Behandlung der Obstipation nicht zuviel von allgemeinen Maßnahmen erwarten. Denn ähnlich wie bei den Ballaststoffen zeigt sich auch bei der Trinkmenge kein Unterschied zwischen obstipierten und nicht-obstipierten Menschen und es gibt keine Studie, die tatsächlich belegt, dass eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr, über das normale Maß hinaus, die Obstipation bessert.

Ähnlich sieht es bei der Bewegung aus. Belegt ist, dass sich die Darmmobilität durch eine akut gesteigerte körperliche Aktivität beeinflussen lässt. „Die Darmtransitzeit beschleunigt oder verlangsamt sich dadurch aber nicht wesentlich“, gab der Mediziner zu bedenken. Auch sind Obstipierte nach seinen Angaben nicht weniger körperlich aktiv als gesunde Kontrollpersonen.

Andererseits ist gut bekannt, dass bestimmte Erkrankungen, wie etwa ein Morbus Parkinson, ein Diabetes mellitus oder Depressionen, mit einer Obstipation einhergehen können. Auch muss beachtet werden, dass verschiedene Medikamente, wie etwa Opioide, Antihypertensiva, Anticholinergika sowie bestimmte Antidepressiva, einer Obstipation Vorschub leisten können.

Obstipation – mehr als eine Befindlichkeitsstörung

Diese wird nicht selten als harmlose Störung, quasi als Befindlichkeitsstörung abgetan. Das aber wird den Problemen der Betroffenen nicht gerecht. Denn die Beschwerden können für die Erkrankten laut Enck zu einer erheblichen Belastung werden.

Das am stärksten belastende Symptom ist nach einer Untersuchung bei 312 Patienten die Notwendigkeit des starken Pressens bei der Defäkation. Hierunter leiden 32 Prozent der Betroffenen. An zweiter Stelle folgt die Klage über zu harten Stuhlgang bei 20 Prozent der Patienten, gefolgt von Beschwerden wie „zu seltener Stuhlgang“. Das Gefühl einer Passagebehinderung quält nach Enck zwölf Prozent der Betroffenen und ein ebenso hoher Anteil fühlt sich durch das Gefühl einer unvollständigen Darmentleerung nach der Defäkation besonders beeinträchtigt. Sechs Prozent der Befragten geben schließlich an, die Notwendigkeit digitaler Manipulationen bei der Stuhlentleerung als stärkste Belastung zu erleben.

Halten solche Beschwerden an, so ist eine gezielte Behandlung nach Prof. Dr. Thomas Frieling, Krefeld, unerlässlich. Sie basiert zunächst auf der Einnahme von Quell- und Füllstoffen, beispielsweise indischen Flohsamen (Plantago ovata), Kleie oder Leinsamen. Hilft dies nicht, so sind Laxantien indiziert. „Es handelt sich hierbei um sehr effektive Wirkstoffe, die bei sachgerechter Anwendung sicher sind“, meinte der Mediziner. Wichtig aber ist, dass auf einen bestimmungsgemäßen Gebrauch geachtet wird.

Immer die potenziellen Nebenwirkungen beachten

Laxantien können nach Frieling grundsätzlich in Füll- und Quellstoffe (Weizenkleine, Leinsamen, Flohsamen, Sterculia) unterschieden werden sowie in osmotische Laxantien (Salinische Laxantien, Zucker und Zuckeralkohole), Makrogole, Antiabsorptiv- sekretorische Substanzen (Anthrachinone, Diphenole) sowie weitere Abführhilfen, zum Beispiel rektale Entleerungshilfen.

Alle Gruppen zeichnen sich durch eine gute klinische Wirksamkeit aus, bei der Verordnung ist deshalb in erster Linie das jeweilige Nebenwirkungsprofil zu beachten. Das betrifft beispielsweise die Gefahr der vermehrten Gasbildung im Darm bei den natürlichen Ballaststoffen oder die bekannten Elektrolytverluste bei den sekretorisch stimulierenden Wirkstoffen und auch deren Missbrauchspotenzial.

Das Missbrauchspotenzial beachten

Die mit Abstand am häufigsten verwendeten Laxantien sind so genannte stimulierende Substanzen, zu denen im Wesentlichen die oft als natürlich und pflanzlich angepriesenen Pflanzenextrakte aus Senna, Aloe, Rhamnum und Rheum gehören sowie die Diphenylmethan-Derivate. Die Substanzen wirken über eine Stimulation des Wasser- und Elektrolyttransportes und führen meist innerhalb von acht bis zehn Stunden zur Darmentleerung. Diese prompte Wirkung ist nach Frieling wahrscheinlich die Erklärung dafür, dass solche Präparate von bis zu 84 Prozent der obstipierten Patienten genutzt werden. Es besteht jedoch ein nicht unerhebliches Missbrauchspotenzial, denn die ursprüngliche Intention des „Gebrauchs bei Bedarf“ wird nach Frieling leider oft verlassen und das Medikament dann regelmäßig genommen. Zusammen mit den Analgetika sind die genannten Laxantien nach seinen Angaben die häufigsten Medikamente, die ohne Arztbesuch gekauft und somit unkontrolliert angewandt werden.

Deutlich besser bewertet der Mediziner die osmotisch wirksamen Macrogole. Es handelt sich um Polyethylenglykole, Verbindungen mit sehr hoher Wasserbindungskapazität, für die kein Missbrauchspotenzial beschrieben ist. Ihr Wirkmechanismus ist physikalischer Natur: Die Polyethylenglykole erhöhen lokal den osmotischen Druck, indem sie das Wasser, mit dem sie eingenommen werden, im Kolon halten und auf diese Weise das Stuhlvolumen erhöhen und den Stuhl hydratisieren. Dadurch wird die Darm-Passage begünstigt und die Defäkation erleichtert. Die Präparate sind gut verträglich. Sie haben den Vorteil, nicht metabolisiert zu werden, und führen, anders als manche anderen Laxantien, nicht zu einer vermehrten Gasbildung im Darm und den damit verbundenen Beschwerden.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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