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Liebe Leserinnen und Leser,

der 1. Mai, Tag der Arbeit, ist Erscheinungsdatum dieser zm-Ausgabe: Ursprünglich galt dieser Tag dem Kampf der Industriearbeiter für den Acht-Stunden-Tag. Die Nationalsozialisten „requirierten“ ihn und machten aus dem Tag der „Arbeiter und Arbeiterinnen“ den propagandistisch-gestählten „Tag der Arbeit“.

Nach dem Zusammenbruch blieb der 1. Mai Feiertag, die avisierten acht Stunden mutierten zur 38-Stunden-Woche. Zu Zeiten Willy Brandts erlebte die SPD den 1. Mai getragen durch Aufschwungzeiten gemeinsam mit den Gewerkschaften als Kult. In den Ländern des „real existierenden Sozialismus“ galt dieser Tag der Präsentation von Staatsmacht, garniert mit Militärparaden, Aufmärschen und propagandistischen Reden. Das alles ist Geschichte.

Heute, so heißt es, ist der 1. Mai der Tag des Kampfes gegen Arbeitslosigkeit, für den Erhalt sozialer Errungenschaften. Zwei Vorhaben, über die in unserer Gesellschaft wohl absolute Einigkeit herrschen dürfte – von einzelnen Versuchen, den Tag für unmotivierten „Zoff“ und Krawall zu nutzen, einmal abgesehen.

Uneinig wie lange nicht mehr ist man sich allerdings über die Wege, die diesem Vorhaben gerecht werden. Die Zeiten gefüllter Sozialkassen aus den fetten Jahren dieser Republik sind längst durch heiße Debatten um notwendigen Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften abgelöst. Die Regierung versucht zu sparen, indem sie den Bürgern die Rechnung für die Kosten aufdrückt, ihnen aber nicht die Entscheidungsfreiheit über den Umgang mit diesen Kosten überlässt. Gemäß alter Gutsherren-Art, die von Bismarck in unser Sozialsystem umgemünzt wurde, reklamiert die Politik die Verantwortung für sich, bürdet dem Bürger die Lasten auf, und macht im Falle eigener Fehlplanungen die Lobbyisten unterschiedlichster Interessenvertretungen verantwortlich.

Dabei werden die Verhältnisse immer schwieriger: Die ersten Krankenkassen – laut VdAK-Chef Herbert Rebscher handelt es sich nicht um Versicherungen, sondern „Sozial“-Versicherungen – sind Gerüchten zufolge trotz Risikostrukturausgleich inzwischen pleite. Und die „linken“ Kräfte der Regierungspartei SPD, deren Mitglieder laut PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach zu 80 Prozent Gewerkschaftler sind – in der Gesamtbevölkerung liegt der Organisationsgrad bei nur 20 Prozent –, stellen ihre vom Volk gewählte Parteispitze in Frage, weil sie selbst diese noch viel zu zögerlichen Schritte des Sozialumbaus nicht mitmachen wollen. Inzwischen basteln andere Volksparteien an neuen Rezepten zur Rettung unseres Sozialgefüges.

Was die Zukunft auch bringen wird, eins ist eindeutig: Wo immer man innerhalb dieser Strukturen stehen mag, die über lange Zeit nicht in Frage gestellte Zuordnung des Begriffs „konservativ“ gehört in Deutschland wohl neu überarbeitet.

Mit freundlichem Gruß

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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