Bedenken vor zuviel Patientenmacht
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Karl Hermann Haack, verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem festgeschrieben ist, dass die rot-grüne Regierung die Rechte der Patienten durch eine Patientencharta und die Einsetzung eines Beauftragten stärken werde. In den nächsten Tagen soll entschieden werden, wie dieses Vorhaben konkret umgesetzt werden soll. Einige Vorstellungen umriss Haack bereits bei dem Berliner „AOK-Dialog“. „Die Patienten sind nicht mehr Objekte, sondern Subjekte in der gesundheitlichen Versorgung, sie wollen und brauchen den Dialog als Partner auf gleicher Augenhöhe“, stellte Haack fest. „Dieser Ansatz muss durch einen Patientenschutzbeauftragten auch institutionalisiert werden.“ Und damit angesichts der bundesdeutschen Finanzmisere auch keine Zweifel an der Umsetzung entstehen, betonte er: „Die Mittel dafür sind bereits in den Haushalt eingestellt.“ Der Beauftragte müsse darauf hinwirken, dass die Belange von Patienten besonders hinsichtlich ihrer Rechte auf eine umfassende und unabhängige Beratung und objektive Information durch Leistungserbringer, Kostenträger und Behörden im Gesundheitswesen berücksichtigt werden. Er müsse in alle Gesetzesund Verordnungsvorhaben, sobald sie Patientenrechte berühren, einbezogen werden. In einem zweijährigen Berichtszeitraum soll, so Haack, der Patientenschutzbeauftragte Rechenschaft ablegen.
Das bereits vorliegende, im breiten Konsens entwickelte Dokument „Patientenrechte in Deutschland“ müsse zu einer wirklichen Patientencharta weiterentwickelt werden, die auch „EU-kompatibel“ sei.
Dritte Kraft problematisch
Peter Kirch verhehlte nicht, dass die AOK durchaus Vorbehalte gegen zuviel „Patientenmacht“ hat. Aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung seien Patienten als dritte Kraft neben Markt und Staat eine interessante, aber nicht unproblematische Reformperspektive. So müsse man fragen, „ob und inwieweit Patienten überhaupt mobilisierbar sind, sich über ihr eigenes Schicksal hinaus zu engagieren? Sollte man neuen Vertretungsorganisationen weitgehende Beteiligungsrechte einräumen?“ Es fehle derzeit noch eine Zertifizierung solcher Organisation bezüglich ihrer Unabhängigkeit und ihrer Ansprüche, wirklich Patienteninteressen zu vertreten. Zu groß sei die Gefahr, dass bestimmte Interessengruppen Sitz und Stimme in den Gremien der Selbstverwaltung als Vehikel für die Durchsetzung ihrer ökonomischen Interessen missbrauchen.
Zweifellos müsse die Krankenkasse ihre eigenen Kompetenzen in der Patienten- und Verbraucherberatung weiter ausbauen, um eine qualifizierte, an den Präferenzen der Betroffenen orientierte Beratung anbieten zu können. „Die Krankenkassen müssen in die Lage versetzt werden, nicht nur gute und schlechte Leistungsanbieter zu identifizieren, sondern auch das Recht erhalten, Versicherte und Patienten auf qualifizierte Leistungserbringer aufmerksam zu machen“, sagte Kirch in Anspielung auf Ranking-Listen. „Was der Focus kann, müssen wir auch können dürfen“, forderte er.
Allerdings räumte Kirch ein, „dass die von den Krankenkassen unabhängige Beratung dort sicherlich sinnvoll und wichtig ist, wo Versicherte sich durch ihre Krankenkassen, zum Beispiel bei Ablehnung einer Leistung, im Unrecht fühlen.“ Diese Institution könnte nach Ansicht von Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, bei den Verbraucherschutzverbänden angesiedelt sein.
Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigte, dass man in anderen Ländern beim Patientenschutz andere Wege geht. So berichtete aus Österreich der Kärntner Patientenanwalt Dr. med. Erwin Kalbhenn über seine Tätigkeit. Etabliert ist die Institution bereits seit 1990 durch das Landesgesetz. Als unabhängige Servicestelle der Landesregierung sind vier Mitarbeiter für die Interessenvertretung der 560 000 Einwohner Kärntens in Sachen Patientenrechte zuständig.
Ute BurtkePresseagentur GesundheitHardenbergplatz 210623 Berlin